Hörstolperstein Mary Pünejr, geb. Kümmermann (Hamburg)

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Mary Pünejr, geb Kümmermann

Wandsbek Freie Kreisstadt nördlich an Hamburg grenzend, die heute ein Teil der Freien und Hansestadt ist. Hier wuchs Mary in der Königstraße 94 mitten im Zentrum auf, als Tochter der Inhaber eines Damenkonfektionsgeschäft. Nach allem was wir wissen scheint ihre Kindheit in besseren ökonomischen Verhältnissen und sehr wohl behütet verlaufen zu sein.

Sie besuchte die Schneidersche Höhere Töchter Schule, wo sie mit 18 Jahren am Wandsbeker Lyzeum ihren Abschluss machte. Nach der Schule arbeitet sie in verschiedenen Niederlassungen des Modehauses, ihrer Eltern, in Seegeberg und im Sommer über im Seebad Niendorf.

25 jährig heiratete sie nach längerer Verlobungszeit ihren Schulfreund Fritz Pünjer und nahm auch dessen Familiennamen an.

In den kommenden Jahren veränderten sich die Lebensverhältnisse traumatisch für Mary. Antisemitische Boykottaufrufe ruinierten das Geschäft ihrer Familie im laufe weniger Jahre. Als sie 34 war musste die Mutter das Geschäft nach den Plünderungen in der Reichsprogromnacht komplett aufgeben.

Zehn Jahre Nach der Eheschließung war ihr Mann nun beim sogenannten „verstärkte Polizeischutz“ in Polen eingesetzt. Eigentlich bot ihr die im NS Jargon „Mischehe“ genannte Verbindung bis dahin noch weitgehenden Schutz vor der antisemitischer Verfolgung. Mary lebte nun mit ihrer Mutter alleine in dem Haus in der Königstrasse, die heute die Wandsbeker Marktstraße ist und noch immer das Zentrum des Stadtteil bildet.

Mit 35 Jahren wird Mary bei einer Razzia in der Hamburger Neustadt in einem Szenelokal festgenommen. Es liegt nahe, dass sie vor dem tristen Alltag in Wandsbek unerlaubterweise mit der Straßenbahn in der Stadt Zerstreuung suchte.

Festgenommen wird Mary am 24. Juli 1940 von der Gestapo und der KriPo Hamburg, genauer vom Kommissariat 23 der sogenannten „Sitte“, die für Sexualdelikte wie Prostitution und damals auch Rassenschändung und eben Unsittliches Verhalten zuständig ist. Wie aus späteren Akten hervorgeht hat sie sich in von der Sitte als „einschlägig bekannten Lokalen“ durch Austausch von Zärtlichkeiten mit anderen Frauen schuldig gemacht.

Nach kurzer Haft im KZ Hamburg Fulsbüttel wird sie im September in das Frauen KZ Ravensbrück deportiert. Hier wird sie als „Asozial“ geführt und in ihrer Aufnahmeakte steht vermerkt „Lesbierin“.

Vom November 1940 bis 15. März 1941 wird sie nochmals nach Hamburg überführt und durch die Sittenpolizei verhört.

 

Wieder in Ravensbrück schreibt sie im folgenden Briefe an ihre Mutter und ihren Mann.

Mein lieber Fritz!
Habe Deinen Brief u. RM 20,– erhalten, vielen Dank!
Schön, daß Du Mantel u. Anzug machen lässt. Hoffentlich bist Du u. Mutter gesund u. habt genug zu essen! Hoffentlich bist Du inzwischen bei Tante Frieda gewesen? Ich freue mich, dass Ihr Papa’s Geburtstag so schön gefeiert habt; ich bin froh, wenn es Euch gut geht! Einmal muss ja auch für mich der Tag der Freiheit kommen, aber hoffentlich / (Seitenende A.L.)
Hoffentlich geht Mutter auch jetzt noch viel mit Fuchsi spazieren, sie tut mir so leid, aber solche Nebensächlichkeiten können u. dürfen uns nicht erschüttern!

Hier ist schon Winter, hoffentlich habt Ihr genug Feurung?
Ist Frl. Petersen nun alleinige Hausbesitzerin?
Mama könnte mir auch mal schreiben, sonst denke ich, dass sie mich vergessen hat!
Was ist mit dem Wagen? Verkaufe ihn, damit Brockmann sein Geld zurückbekommen kann, oder ist das inzwischen erledigt? Sogar hier denke ich an all dieses!
Peterle, wann sind wir nur wieder glücklich zusammen? Bald erwarte ich Mutter’s Brief.
Trink doch morgens mit ihr den Kaffee! Herzlichst Deine Mary

 

Die Gaskammer der Anstalt in Bernburg

Die Gaskammer der Anstalt in Bernburg

Liebste Mutter!
Für Deinen November-Brief vielen Dank, Fritz’s Brief habe ich soeben erhalten. Bin froh, dass er noch an mich denkt. Habe mir schon viel Sorgen um Dich gemacht; denn ich habe allerhand von Hamburgern gehört. Nun bin ich beruhigt, da ich weiss, dass Du gesund zu Hause bist.
Hoffentlich bleibt auch Ilse verschont; trotzdem es soll nicht das Schlimmste sein!
Liebe Mutter, wünsche Dir schon heute z. Geburtstag Gesundheit, Zuversicht u. Ausdauer! Ich glaube, ich gehe bald den Weg, den viele Hamburger jetzt gingen! Mein einziges Hoffen ist, bald wieder bei meinem Fritz zu sein! Bin 16 Monate von zu Hause fort. Fährt Fritz noch mal wieder zu Tante Frieda?
Er schreibt nicht darüber, ob überhaupt noch Hoffnung besteht. Päckchen darf ich nicht empfangen, schickt dafür im nächsten Brief eine Ansichtskarte von Lübeckerstr. 1. Ansichtskarten sind gestattet!
Hoffentlich bist Du Weihnachten mit Fritz wieder bei seinen Eltern! Sei Du, sowie mein geliebter Fritz innigst gegrüsst! Mary

Mary hat wohl schon geahnt was kommt. Sie wird zum Jahreswechsel durch SS- Obersturmbandführer und KZ Arzt Friedrich Mennecke für die Tötungsaktion 14f13 ausgesucht. Der über sie folgendes als „Diagnose“ notierte. „..verheiratet Volljüdin. Sehr Aktiv (‚kesse‘) Lesbierin. Suchte fortgesetzt ‚lesbische Lokale‘ auf und tauschte im Lokal Zärtlichkeiten aus.‘,“ das kam einem Todesurteil gleich.

Im Zuge der Invaliden- oder Häftlingseuthanasie 14f13 wurden insgesamt c.a. 1.600 Frauen alleine aus dem KZ Ravensbrüg in der Tötungsanstalt Bernburg, einem umfunktionierten Teil der Landes-Heil- und Pflegeanstalt in Bernburg an der Saale vergast.

Ihr Mann, der zwischenzeitlich als Sogenannter „jüdisch Versippter“ vom Dienst in Polen entlassen wurde, lies die sterblichen Überreste von Mary noch nach Hamburg kommen wo sie beigesetzt wurden. Er heiratet noch während des Kriegs neu und wurde wieder zu Wehrmacht eingezogen, überlebte dann in britischer Gefangenschaft.

Mary Prünjers Grabstelle ist heute nicht mehr zu finden. Vor dem Wohnhaus in der Wandsbeker Marktstraße liegt jedoch ein Gedenkstein.

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