Vive l’Europe! #11 – “Sparpaket brutal” oder leistungslose Einkommen besteuern?

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Uvedimo nove davke na dediščino in premoženje, poziva Answer Lang

Vor der Nationalratswahl herrschte von Noch-Finanzminister Magnus Brunner nur Schweigen. Nun droht Österreich ein „Sparpaket brutal“. Nach einer langen Rezessionsphase steht das Land vor einer budgetären Krise. Das prognostizierte Defizit liegt 5 Milliarden Euro über den EU-Grenzwerten. Um die Maastrichtkriterien zur erfüllen, werden massive Ausgabenkürzungen angekündigt. Diese würden allerdings jene treffen, die bereits jetzt unter dem täglichen Spardruck leiden. Obwohl einige Experten neue Steuern ins Spiel bringen, gibt es dafür keine breite Zustimmung.

Die zivilgesellschaftliche Organisation ATTAC[1] Österreich hat, angesichts der Drohszenarien, eine umfassende Steuerstudie vorgestellt. Deren Geschäftsführer, Answer Lang, appelliert an die neue Bundesregierung, die notwendigen Mittel von jenen zu holen, die es sich leisten können: Von wirklich Vermögenden über Vermögens- und Erbschaftssteuer.

 

Avstrija se sooča z „brutalnim varčevalnim paketom“. Po dolgem obdobju recesije se država spopada s proračunsko krizo. Napovedani primanjkljaj je za 5 milijard evrov višji od omejitev EU. Da bi izpolnili maastrichtska merila, je bilo napovedano obsežno zmanjšanje porabe. Vendar pa bi ti ukrepi prizadeli tiste, ki že tako ali tako občutijo vsakodnevni pritisk zategovanja pasu.

Organizacija civilne družbe ATTAC Avstrija je zaradi morebitnih prihajajočih črnih scenarijev predstavila obsežno davčno študijo. Njen izvršni direktor Answer Lang poziva novo zvezno vlado, naj potrebna sredstva poišče pri tistih, ki si to lahko privoščijo z davkom na premoženje in davkom na dediščino.

 

Stichwort Vermögenskonzentration in Österreich – könnten Sie uns einen aktuellen IST-Stand verdeutlichen?

Ja, man kann das natürlich sehr gut anhand von Zahlen machen. Zahlen sind zwar immer schwer vorstellbar. Ich will es trotzdem versuchen. Das Eindrücklichste ist sicher, dass in Österreich einem Prozent der Bevölkerung 50 Prozent des Vermögens, das es in Österreich gibt, gehört. Das heißt, die restlichen 99 Prozent haben auch 50 Prozent und ich glaube, da sieht man schon sehr, sehr klar, wie ungleich das Vermögen in Österreich verteilt ist. Und wenn man es jetzt vielleicht ein bisschen vorstellbarer (zu machen) auf Haushalte umrechnet, dann haben wir 40.000 Haushalte. 40.000 Haushalte mit den Menschen, die dort wohnen, denen 50 Prozent des Vermögens gehört. 40.000 Haushalte klingt jetzt nicht so wenig, aber das heißt gleichzeitig, 3,8 Millionen Haushalte haben die anderen 50 Prozent. Und ich glaube, die Zahlen zeigen, wie ungleich es verteilt ist.

 

In Ihrem Folder heißt es, „… die extreme Konzentration von Vermögen schadet der Demokratie“. Wie begründen Sie diese Feststellung?

In erster Linie einmal damit, dass sich die Reichen aus der Gesellschaft ausklinken. Dadurch, dass sie so wenig beitragen, dadurch, dass ein Steueraufkommen aus Vermögen so gering ist, hat man keinen Bezug zur Gesellschaft und trägt auch nichts bei und möchte auch nichts beitragen. Das ist das eine. Das zweite, was viel konkreter ist, ist, dass natürlich mit Reichtum geht auch einher, dass man Lobbyismus betreiben kann, dass man Gesetze entsprechend beeinflussen kann, sodass sie im eigenen Interesse sind. Da kann man schon einmal einen Think Tank gründen und den gut ausstatten, der dann Studien macht, die natürlich die Ergebnisse ergeben, die durch die Finanzierung auch logisch sind und die Finanzierung kommt von den Reichen.

Wem gehören die Medien in dem Land? Die gehören natürlich jetzt keinem Kollektiv und einer Gesamtgesellschaft. Die gehören einigen reichen Familien in dem Land und die machen natürlich auch Stimmung. Und es geht bis hin zu – ich will das niemandem persönlich unterstellen – aber ich glaube, wir haben in den letzten Jahren auch alle gesehen, dass Korruption in Österreich nicht etwas ist, das es nicht gibt. Und auch dafür braucht man die entsprechenden Finanzmittel. Also insofern denke ich, ist das recht gerechtfertigt zu sagen, dass die Konzentration von Vermögen der Demokratie schadet.

 

Österreich sei, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, bei vermögensbezogenen Steuern „Schlusslicht“ – bitte einige Fakten zu dieser Aussage.

Also Schlusslicht kann man wirklich unter Anführungszeichen stellen, wenn man ein bisschen zynisch sein möchte. Es ist so, dass unter den 38 Staaten, die der OECD angehören, also jener Organisation, wo vergleichbare Länder wie Österreich Mitglied sind, die also auf Demokratie und Marktwirtschaft basieren, also unter diesen 38 Ländern (Österreich) tatsächlich das viertletzte Land ist, was die Höhe von vermögensbezogenen Steuern betrifft.

In Österreich ist der Steuersatz von vermögensbezogenen Steuern 1,5 Prozent und der Durchschnitt dieser OECD-Staaten ist 5,6 Prozent. Da ist schon noch Spielraum dazwischen. Und wenn man sich anschaut, dass in Korea als führendes Land dort vermögensbezogenen Steuern 13,6 Prozent ausmachen und in Kanada 12 Prozent und in den USA 11,5 Prozent. Und bei Österreich, wie gesagt, 1,5 Prozent und dann wissen wir schon, wo wir da stehen. Nämlich wirklich ganz, ganz hinten.

 

ATTAC hat ein sehr umfangreiches Vermögenssteuermodell ausgearbeitet – was sind die zentralen Eckpunkte dieses Steuermodells?

Ich glaube, das Wichtigste ist, dass dieses Steuermodell progressiv ist. Das bedeutet, je mehr Vermögen jemand hat, desto mehr zahlt er prozentuell Steuern oder desto mehr zahlt sie prozentuell Steuern. Das fängt an bei 5 Millionen Euro, da zahlt man mal 1%, das hält jetzt jede_r mit einem großen Vermögen aus und geht dann in vier Stufen dorthin, dass, wer über eine Milliarde hat, 10% Vermögenssteuer zahlt. Eben wie gesagt, ein progressives Modell und das Wichtigste an diesem Modell, und das ist mir wirklich wichtig zu betonen, ist – es betrifft 0,3 Prozent der Menschen in Österreich. Ich habe es vorher gesagt, erst ab 5 Millionen Euro Vermögen zahlt man Steuern.

Das bedeutet, niemand, der sich einen gewissen Wohlstand aufgebaut hat, gewisser Wohlstand, den kann man auch aufbaut mit Arbeit, indem man sich dann irgendwann ein Haus kauft und dafür viel arbeitet und vielleicht zwei schöne Autos hat und sich ab und zu was leisten kann. Niemand, der das hat, muss einen Cent an Vermögenssteuern zahlen, sondern erst ab fünf Millionen Euro Reinvermögen. Das ist wirklich ein Modell, das gut funktionieren kann und das – wir haben es durchgerechnet – 22 Milliarden Euro an Erträgen bringt, die, glaube ich, gut eingesetzt wären.

 

In gleicher Weise argumentiert die französische Europaabgeordnete Aurore Lalucq, Mitbegründerin der Initiative „Tax the Rich“, die eine EU-Vermögensbesteuerung einfordert.

Wenn man sich die Realität ansieht, werden die Mittelschichten viel stärker besteuert als die sehr Reichen und die kleinen und mittleren Unternehmen werden viel stärker besteuert als die großen Unternehmen. Man muss aufhören, die Mittelschicht zu besteuern, und nicht nur die Mittelschicht, sondern auch die ärmsten Menschen in unseren Ländern, weil sie in der Tat mit der Mehrwertsteuer usw. sehr viele Steuern zahlen. Hingegen sollte man diejenigen besteuern, die die Mittel haben, sich aus der Besteuerung herauszuhalten.

 

Zurück zu Answer Lang von ATTAC-Österreich. Sie meinen, dass kein Weg daran vorbeiführt, dass bei den kommenden Sanierungsmaßnahmen für das Budget vermögensbezogene Steuern eingeführt werden müssen. Welche könnten das sein?

Bei den kommenden budgetären Maßnahmen ist es schwer einzuschätzen, nur mittel- und langfristig wird es ganz bestimmt nicht anders gehen. Und ich bin auch überzeugt davon, eine Regierung, die jetzt auf Sozialabbau setzt, wird keinen langen Atem haben, weil sich das irgendwann nicht mehr ausgeht. Das spüren jetzt schon sehr viele Menschen. Das werden immer mehr spüren und das geht sich dann irgendwann auch von den Mehrheiten nicht mehr aus.

Die konkrete Frage: wie kann das aussehen, eine Vermögensteuer einmal in einem ersten Schritt zu starten? Ich meine, natürlich wäre uns von Attac am liebsten, unser Modell würde umgesetzt werden. Ob das jetzt ganz realistisch eins zu eins in der nächsten Regierung passiert, da bin ich eher skeptisch, aber man kann einen ersten Schritt setzen. Man kann anfangen mit einem ersten Steuersatz, der dann vielleicht höher liegt als die von uns geplante fünf Millionen Euro-Grenze an Vermögen. Das wäre eine Möglichkeit.

Man kann auch auf einer anderen Ebene über Erbschaftssteuern sprechen, die in Österreich auch abgeschafft worden sind in den 1990er Jahren. Aber Erbschaften, erstens, erben Reiche von Reichen. Und zweitens ist es, und das ist wirklich eine unverständliche Diskrepanz: Erbschaften sind einfach ein leistungsloses Einkommen. Und gerade wenn Leistung immer so hochgehängt wird, bin ich der Ansicht, dass man leistungslose Einkommen schon auch besteuern muss.

 

Die Erbschaftssteuer wurde ja nicht abgeschafft in den 1990er Jahren, sondern nur ausgesetzt.

Die Verhältnisse und die Möglichkeiten, auch der Finanz, haben sich seit den 1990er Jahren stark verändert. Das heißt, dass man Erbschaften sehr viel effizienter feststellen kann, oder die Höhe von Erbschaften feststellen kann und das auch steuertechnisch abwickeln kann. Das ist keine technische Frage. Das ist ganz, ganz klar eine politische Frage, ob man das will oder nicht. Auch bei Erbschaften ist es so: es wird ein überwiegender Großteil der Erbschaften – das sind nicht die paar Tausender, die die Oma angespart hat, das ist nicht einmal noch das Kleingartenhaus, das sich jemand erarbeitet, erwirtschaftet hat – sondern das sind die Anlagen und Stiftungen und das sonstige Vermögen von Superreichen, die weitergegeben werden auf einer Ebene, wo 99 Prozent der Menschen überhaupt gar nicht hinkommen. Und da sollte man hinschauen. Das sind genau die gleichen Leute, die sagen, Leistung muss sich lohnen und Leistung ist wichtig. Dann sollten sie einmal darauf schauen, dass das leistungslose Einkommen für ihre Erben – es sei ihnen grundsätzlich gegönnt, aber -dass dieses leistungslose Einkommen dieser Erben auch entsprechend besteuert wird.

 

Wie realistisch ist es Ihrer Meinung nach, dass bei einer zukünftigen Regierung, wo die ÖVP immer dabei ist, vielleicht die SPÖ dabei ist, wäre es realistisch, dass hier vermögensbezogene Steuern dazukommen?

Ich glaube, dass sich da eher früher als später auch die Parteien bewegen werden müssen, die sich bisher da wenig bewegt haben. Weil wenn man sich die Steuerstruktur in Österreich anschaut, ist die historisch sehr leicht zu erklären.

Die Steuerstruktur geht zurück in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, unmittelbar danach, wo es nichts gegeben hat, um es zu besteuern. Es hat keine Vermögenswerte gegeben. Das Land war zerstört. Das, was es an Vermögenswerten vorher gegeben hat, war entweder kaputt oder ins Ausland verbracht. Es hat keine Vermögenswerte gegeben und das konnte man auch nicht besteuern. Was hat man also dafür besteuert? Die Arbeit und den Konsum! Und diese Systematik des Steuersystems schleppt sich bis heute durch, obwohl es heute in Österreich zig Milliarden an privaten Vermögenswerten gibt. Und irgendwann, nach jetzt fast 80 Jahren, muss auch die Politik auf diese Strukturänderungen reagieren, sonst wird sich langfristig ein gutes Staatsbudget nicht ausgehen.

 

Wenn Sie jetzt eine Botschaft an die neu zu gründende Regierung in Österreich richten könnten, und das können Sie hier, was wäre Ihre zentrale Botschaft im Kontext unserer Fragestellung „Vermögensbezogene Steuern?“ Was wäre Ihre zentrale Botschaft an die kommende Bundesregierung?

Schaut, dass ihr den Sozialstaat erhaltet und dass ihr das gerecht macht. Und gerecht heißt, dass das Geld dafür und die Mittel dafür endlich auch dort geholt werden, wo sie sind. Nämlich von richtig Vermögenden, von Superreichen, über Vermögens- und Erbschaftssteuer.

V Avstriji ima en odstotek prebivalstva v lasti 50 odstotkov premoženja, izpostavi Answer Lang, direktor civilnodružbene organizacije ATTAC. Prepričan je, da visoka koncentracija bogastva škoduje demokraciji. Opozarja, da je obdavčitev tako nizka, da superbogati v resnici malo prispevajo k splošni družbi. V Avstriji znaša davčna stopnja za davke, povezane z bogastvom, 1,5 odstotka, povprečje v razvitih državah OECD pa je 5,6 odstotka. Bolj konkretna moč, ki jo prinaša bogastvo, pa je možnost lobiranja na politični ravni in vpliva na sprejete zakone, meni Answer Lang. 

Civlnodružbena organizacija ATTAC predlaga progresiven davčni model, kjer nosi tisti z večjim premoženjem tudi višji odstotek obdavčitve. Začne se pri petih milijonih evrov, kjer plača 1 %, nato pa se dviguje v štirih stopnjah. Na koncu tisti, ki imajo pod palcem več kot milijardo, plačajo 10-odstotni davek na premoženje. Naš sogovornik opozarja, da nihče, ki trdo dela in si ustvari določeno raven premoženja, kupi hišo, dva avtomobila in si lahko občasno še kaj privošči, ne bo dodatno obdavčen – progresivni model se začne pri petih milijonih, kar pomeni, da v resnici zadeva zadeva 0,3 odstotka ljudi v Avstriji. Enako je pri obdavčitvi dediščine – ne govorimo o davku na podedovano hišo ali par tisočakov, ki jih je zapustila babica, ampak o naložbah in skladih ter drugemu premoženju superbogatih na ravni, ki je 99 odstotkov ljudi ne doseže. Po izračunih organizacije ATTAC bi tak model prinesel 22 milijard evrov prihodkov.

Answer Lang sporoča politikom, naj ohranijo socialno državo na pošten način ter napolnijo državno blagajno z uvedbo primernega davka na premoženje in dediščino.

 

[1] Die Abkürzung „ATTAC“ steht für: „Association pour une taxation des transactions financières et pour l’action citoyenne”, zu Deutsch „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen und für aktives zivilgesellschaftliches Handeln.” Weiterführende Informationen unter: https://www.attac.at/

Das Gespräch wurde in der Zentrale von ATTAC in Wien aufgenommen. Der hier veröffentlichte Textbeitrag wurde in der Sendung am 18. Oktober 2024 auf Radio AGORA in einer leicht gekürzten Fassung ausgestrahlt.

 

Kurzbiografie

Seit September 2024 ist Answer Lang Geschäftsführer des globalisierungskritischen Netzwerks ATTAC Österreich. Der 48-jährige Kommunikationswissenschafter und Jurist blickt auf über 20 Jahre Erfahrung im Bereich der Unternehmens- und Organisationskommunikation zurück. Zuletzt war er Kommunikationschef der Arbeiterkammer Wien (AK). Davor war er als Head of Communications and Events am Institute of Science and Technology Austria (ISTA), sowie viele Jahre als Leiter der Unternehmenskommunikation der Wiener Linien tätig.

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