Buchpräsentation neu im Parlament: Quadriga startet am 1. Oktober
Aktuelles Thema zum Start: Sicherheit kontra Überwachungsstaat
Wien (PK) – Eine neue Veranstaltungsreihe namens «Quadriga» startet demnächst im Parlament: Viermal pro Jahr werden Bücher aus den Bereichen Politik und Zeitgeschichte, Recht und Wirtschaft, Kunst, Kultur und Literatur vor Publikum präsentiert und diskutiert. Zum Auftakt am 1. Oktober dreht sich alles um das topaktuelle Thema «Überwachung – Bespitzelung – Sicherheit».
«Mit diesem neuen Schwerpunkt wird unser vielfältiges Veranstaltungsangebot um eine interessante Facette erweitert», freut sich Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Und Prammer weiter: «Ich möchte, dass das Parlament in der Öffentlichkeit als jener Ort wahrgenommen wird, an dem politische Diskussionen in vielfältiger Weise geführt werden.»
Moderiert wird die neue Reihe von der Rundfunkjournalistin Zita Bereuter (FM4) und ihrem Kollegen Peter Zimmermann (Ö1). Sie werden mit Gästen ausgewählte Neuerscheinungen besprechen. Der Titel «Quadriga» – er nimmt auf die bronzenen Pferdegespanne auf dem Dach des Hauses Bezug – steht für das Konzept der Reihe. Zu einem Themenblock werden jeweils vier Personen eingeladen. Dieses Mal auf dem Podium: die Schriftstellerin und Professorin für Verssprache Ines Geipel, der Journalist und Kulturwissenschaftler Dietmar Kammerer, der Journalist und Jurist Florian Klenk (Falter) sowie der Schriftsteller Ilija Trojanow.
Die Premiere spielt im Spannungsverhältnis zwischen berechtigtem Sicherheitsbedürfnis und Einschränkung persönlicher Freiheit, zwischen Überwachungsstaat und Abbau von Bürgerrechten. Der Ruf nach Kontrolle, ob am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum, im Internet oder beim Telefonieren, folgt dem Bedürfnis nach mehr Sicherheit, erzeugt zugleich jedoch eine Fülle persönlicher Daten. Was geschieht mit diesen Daten? Wer sammelt und verwaltet sie? Wer garantiert, dass das, was heute als unverdächtig gilt, sich nicht morgen gegen den Bürger, die Bürgerin richtet?
Neben der Ausleuchtung der politischen Hintergründe aktueller Ereignisse im zurzeit tagenden Untersuchungsausschuss erfolgt somit an diesem Abend auch eine publizistische Annäherung an die brisante Thematik.
Quadriga 01
Donnerstag, 1. Oktober 2009, 18.30 Uhr, Palais Epstein
Moderation: Zita Bereuter (FM4) und Peter Zimmermann (Ö1)
Folgende Werke werden präsentiert:
Ilija Trojanow und Juli Zeh: Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte. Hanser Verlag 2009.
Ines Geipel: Zensiert, verschwiegen, vergessen. Artemis und Winkler 2009.
Dietmar Kammerer: Bilder der Überwachung. Suhrkamp 2008.
quelle: http://www.parlament.gv.at/PG/PR/JAHR_2009/PK0756/PK0756.shtml
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Leben wir in einer Verdachtsgesellschaft und einem Überwachungsstaat?
Parlament startet neue Buchpräsentation unter dem Titel Quadriga =
Wien (PK) – Nach der österreichischen Erstaufführung von Michael
Hanekes Film «Das weiße Band» wartete heute das Parlament mit einer
weiteren Premiere auf. Die bereits traditionell gewordenen
Buchpräsentationen im Hohen Haus erhalten ein neues Kleid in Form der
Veranstaltungsreihe «Quadriga». Der Titel nimmt auf die bronzenen
Pferdegespanne mit der Siegesgöttin Nike auf dem Parlamentsdach
Bezug.
Neuerscheinungen, die jeweils ein Thema aus den Bereichen Politik und
Zeitgeschichte, Recht und Wirtschaft, sowie Kunst, Kultur und
Literatur behandeln, werden gemeinsam vorgestellt und diskutiert. Mit
dieser Form der Präsentation möchte Nationalratspräsidentin Barbara
Prammer Themen der Zeit diskutieren, die nicht ausschließlich
tagespolitischen Charakter haben, und damit auch den Blick erweitern.
Moderiert wird die neue Reihe von der Rundfunkjournalistin Zita
Bereuter (FM4) und ihrem Kollegen Peter Zimmermann (Ö1).
Zum Auftakt hat man sich ein brisantes und auch vor dem Hintergrund
des laufenden Untersuchungsausschusses aktuelles Thema vorgenommen:
«Überwachung – Bespitzelung – Sicherheit». Dabei wurde das
Spannungsverhältnis zwischen berechtigtem Sicherheitsbedürfnis und
Einschränkung der persönlichen Freiheit, zwischen Überwachungsstaat
und Abbau von Bürgerrechten beleuchtet. Man ging der Frage nach: Was
geschieht mit all den Daten, wer verwaltet sie, wer garantiert, dass
das, was heute als unverdächtig gilt, sich nicht morgen gegen den
Einzelnen richtet? Wie viel Kontrolle ist uns unsere Sicherheit wert?
Grundlage für das heutige Thema bildeten folgende Werke: Ilija
Trojanow und Juli Zeh: Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn,
Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte (Hanser Verlag
2009); Ines Geipel: Zensiert, verschwiegen, vergessen (Artemis und
Winkler 2009); Dietmar Kammerer: Bilder der Überwachung (Suhrkamp
2008).
Am Podium diskutierten die Autorin Ines Geipel, ehemalige vom Staat
bespitzelte Leistungsathletin in der DDR, die sich in ihrem Buch mit
Autorinnen der DDR beschäftigt, die in ihrer Arbeit behindert,
zensuriert, ausspioniert und teilweise in den Tod getrieben wurden;
weiters der Journalist und Kulturwissenschafter Dietmar Kammerer, der
in seiner Arbeit den sozialen, kulturellen und soziologischen Kontext
von Videoüberwachungen unter die Lupe nimmt, sowie der investigative
Journalist des «Falter» und Jurist Florian Klenk.
Der Befund der DiskutantInnen über die derzeitige Situation war
differenziert. Klenk sprach von einem Paradigmenwechsel, da Daten
ohne Zweck gesammelt würden. Die Polizei würde ständig neue
Überprüfungsmethoden verlangen, ohne diese auch tatsächlich zu
brauchen. Das sei ein Sprung in die Verdachtsgesellschaft, sagte er
und führte Beispiele falscher Datenverknüpfung an, was sich für den
Einzelnen fatal auswirkt. In diesem Zusammenhang sprach sich Klenk
dezidiert gegen die Rufdatenrückerfassung aus. Er trat jedoch nicht
grundsätzlich gegen das Recht des Staates auf, Eingriffe in die
Grundrechte vorzunehmen, wenn dies erforderlich ist. In diesem Fall
müsse es aber einen rechtsstaatlichen Riegel geben, und das seien die
RichterInnen, die festzustellen haben, ob diese Grundrechtseingriffe
auch gerechtfertigt sind, betonte er. Im Unterschied zu einer
Diktatur habe man im Rechtsstaat auch die Möglichkeit, diesen selbst
zu kontrollieren.
Die Notwendigkeit, das richtige Maß anzulegen und rechtsstaatliche
Regelungen zu finden, wurde auch von Ines Geipel unterstrichen. Es
sei für die Menschen wichtig, über ihre eigenen Rechte Bescheid zu
wissen, was weitgehend nicht der Fall sei. Man müsse immer die Frage
stellen, ob es sich bei bestimmten Maßnahmen um eine notwendige
Regulierung oder eine übersteuerte Kontrolle handelt.
Eine solche übersteuerte Kontrolle stellt nach Auffassung von Dietmar
Kammerer die Videoüberwachung dar. Es sei empirisch erwiesen, so
Kammerer, dass die Wirkung dieses riesigen technologischen Aufwands
äußerst gering sei, die Kriminalitätsrate kaum gesenkt werde und in
Hinblick auf gewalttätige Personen gar nichts bringe. Es habe sich
jedoch eine Eigendynamik entwickelt, ohne dass Grenzen gezogen
würden. Die Aushöhlung der Grundrechte gehe schleichend vor sich,
warf Florian Klenk ein, und das Gefährliche daran sei, dass man sich
daran gewöhne.
Der «Falter»-Journalist wies auch auf die Gefahren der modernen
Informationsgesellschaft hin. Während im Rechtsstaat Regelungen zur
Löschung von Daten vorhanden seien, würde beispielsweise bei Google
nichts in Vergessenheit geraten. Dem stimmte Dietmar Kammerer
vollinhaltlich zu, indem er feststellte, die Informationsgesellschaft
sei gleichbedeutend mit einem potentiellen Überwachungsstaat. Die
meisten Bürgerinnen und Bürger hätten keine Ahnung davon, was der
Staat tatsächlich kann, und wären in Bezug auf die Möglichkeiten der
neuen technologischen Entwicklungen richtige Analphabeten.
Alle drei DiskutantInnen waren sich einig, dass das Bewusstsein der
Bürgerinnen und Bürger für ihre eigenen Grundrechte geschärft werden
muss, dass dieser Aspekt im Bildungswesen völlig vernachlässigt wird,
und dass die Einhaltung der Grundrechte ohne Wenn und Aber
einzufordern ist. (Schluss)
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie – etwas
zeitverzögert – auf der Website des Parlaments im Fotoalbum:
www.parlament.gv.at
Eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz
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quelle: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20091001_OTS0356