Teil 2: Leistungsstandards, Ergebnisverantwortlichkeit der Lehrer und Qualitätssicherung zum Wohle von Staat und Kapital!
In unserer letzten Sendung am 2.März 2004 haben wir dargestellt, dass der Anspruch der Zukunftskommission an die schulische Ausbildung nicht radikal neu ist. Schon im §2 des Schulorganisationsgesetzes heißt es: Die Schule "hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen". Einfach auf dem Standpunkt, dass den Kindern gar nicht genug beigebracht werden kann, steht der Staat also offenbar nicht. Die sollen nicht möglichst viel lernen, um die Welt ihren Bedürfnissen gemäß gestalten zu können, sondern gerade das, was sie in die Lage versetzt, den Anforderungen die das Leben – sprich die kapitalistische Gesellschaft und ihr Staat – an sie stellen, zu genügen.
Der Staat organisiert die Ausbildung, weil ohne sie die Jugendlichen unbrauchbar für seine und seiner Wirtschaft Zwecke wären. Dass er für die schulische Ausbildung sorgen muss, liegt daran, dass sie sich nicht als Geschäft abwickeln lässt. Er organisiert sie damit notwendigerweise getrennt von der Sphäre, für die er ausbildet. Ob und in welchen Berufen die Jugendlichen künftig angewandt werden, das entscheidet sich einzig am erst dann feststehenden Bedarf der Wirtschaft; ein Bedarf, der Dank der Anarchie des Marktes zum Zeitpunkt der Ausbildung noch nicht einmal der Wirtschaft selbst bekannt ist. Eine auf diesen konkreten Bedarf ausgerichtete Ausbildung ist also ganz prinzipiell nicht möglich. Was die Ausbildungsinhalte betrifft, nimmt der Staat daher an dem Maß, was an Kenntnissen und Fertigkeiten allgemeine Voraussetzung der Berufsausübung sein wird. Obwohl er sich nach Kräften bemüht, den Unternehmern ihren künftigen Bedarf an Schüler-material abzulauschen, gelingt es ihm mit keinem noch so "praxisgerechten" Unterricht, sie zufrieden zu stellen. Mit keiner noch so guten Ausbildung kann außerdem der tatsächliche Einsatz der Schulabgänger im Dienste des Kapitals garantiert werden. Der entscheidet sich an der Gewinn- und Verlustrechnung des Kapitals und die schulische Ausbildung hat dabei bestenfalls den Stellenwert einer Voraussetzung.
An dieser Nichtübereinstimmung von Anspruch an das Ausbildungssystems – es soll der Wirtschaft Bildung als Produktivitätsfaktor liefern – und der Wirklichkeit – die Schule kann gar nicht garantie-ren, dass die Ausgebildeten gebraucht werden — setzt die Kritik der von der Regierung eingesetzten Zukunftskommission an und wendet sie gegen die Schule und alle an ihr Beteiligten: Schüler, Lehrer, Schulleitungen und Schulaufsichtsbehörden. Sie behandelt das notwendige Nichtzusammenpassen der Nachfrage des Kapitals nach bestimmten Qualifikationen und des Angebots an Schulabgänger als einen Organisationsmangel des Schulsystems und schlägt lauter Methoden vor, wie das Nichtplanbare doch in den Griff zu kriegen wäre. Leistungsstandards, mehr Schulautonomie, Quali-tätssicherung, Ergebnisverantwortlichkeit und Erweiterung der Aufgabenkatalogs der Lehrer – so lauten die Rezepte der Zukunftskommission. Was davon zu halten ist, davon handelt die Sendung.