Auf der Suche nach einem Sendungsthema, das sowohl zur Jahreszeit wie zum Festkalender passen sollte – aber auch unserem Anspruch auf einen gehörigen Kontrapunkt zum kulturellen Mainstream dieser schrillsten Zeit im Jahr Genüge tun könnte, sind wir im wahrsten Sinne über Axel Cortis bevorstehenden 20. Todestag am 29. Dezember “gestolpert”. So lang ist das schon wieder her? Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Stopp! Genau hier wollen wir ansetzen – bei der Entschwindligung unserer Hinterhechelzeit. Denn was verdirbt einem das genaue Hinhören und leidenschaftliche Dahinterkommenwollen gründlicher als dieses permanente am Wesentlichen Vorbeihetzen auf der Jagd nach (und auf der Flucht vor) Wunschbefriedigung und Bedürfniserfüllung, für das die oft ganz und gar unselige Vorweihnachtszeit hier geradezu sinnbildlich Modell steht – im ambivalenten Abgrund zwischen verordneter Fröhlichkeit und Beziehungsburnout. Eine Stunde lang wollen wir innehalten – und endlich wieder einmal GUT zuhören…
Denn wie kaum jemand sonst konnte Axel Corti Geschichten erzählen, sowohl im Radio – etwa in seiner legendären Glosse “Der Schalldämpfer” – als auch mit seinen Filmen. Und so haben wir uns entschlossen, ihn selbst wieder zu Wort kommen zu lassen und uns allen Gelegenheit zu geben, einigen seiner schönsten Gedankengänge im Originalton zu lauschen. Dazu werden wir ein paar Ausschnitte aus alten Archivaufnahmen zu Gehör bringen (allesamt aus der ORF-CD “Axel Corti im Radio 1952 – 93″ entnommen). Und zwar sind das: Die Überlegungen zur Schutz- und Liebespflicht gegenüber dem Künstler aus seinem Nachruf auf Eberhard Fechner (Schalldämpfer vom 16. 8. 1992), seine Betrachtungen über unnötige “Kunstfreunde” im Film- und Filmhochschulbetrieb (Schalldämpfer vom 19. 9. 1993) sowie eine Episode namens “Der erste Drehtag” aus seinem Tagebuch der Romanverfilmung von Joseph Roths “Radetzkymarsch” (Schalldämpfer vom 3. 10. 1993). Zum Abschluss wiederholen wir seinen allerletzten Schalldämpfer vom 26. 12. 1993 in voller Länge (-> Artarium vom Juli 2011 “Erzählkunst mit Axel Corti”) und mit jener chassidischen Legende vom Rabbi Hillel, der nach seinem Tod noch einmal ins Leben zurück kommt und seinen Schülern sogleich offenbart, worum es “in der wirklichen Welt” eigentlich geht – nämlich um eine einzige Frage: “Warst du du selbst?”
Manche Geschichten (auch und vor allem solche aus dem Radio) gehören eben nicht nur gehört – sie gehören auch wiederholt und weitererzählt, sie gehören gemeinsam erlebt, sie gehören interpretiert, bestaunt, belacht, besonnen. Sie gehören – ihren Erzählern und Zuhörern. Gehören geteilt. Also – unters Volk damit! Das wäre doch auch ganz im Sinne ihres Erfinders – oder seiner Witwe Cecily Corti, die sich etwa als Obfrau der Vinzenzgemeinschaft seit Jahren für die Menschenwürde von Obdachlosen engagiert…
“Und es gibt jetzt auch kein apropos. Die Moral von der Geschicht – ist die Geschicht.”