Deutschland entschädigt verurteilte Homosexuelle – Wie sieht die Situation in Österreich aus?

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Anmoderation:

Letzte Woche hat die deutsche Regierung beschlossen, die nach dem „Paragraf 175“ verurteilten homosexuellen Männer zu rehabilitieren. Paragraf 175 des deutschen Strafgesetzbuches stellte bis zum Jahr 1994 in Deutschland sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe, wobei sich ab 1969 dieses Verbot auf sexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 21 Jahren und ab dem Jahr 1973 auf unter 18-jährige beschränkte. „Wir werden erlittenes Unrecht nicht gutmachen können, aber wir wollen ein Zeichen setzen, dass der Rechtsstaat in der Lage ist, Fehler zu korrigieren. Die verurteilten homosexuellen Männer sollen nicht länger mit dem Makel der Verurteilung leben müssen“, so Justizminister Heiko Maas (SPD).

Wie sieht die rechtliche Situation dazu in Österreich aus? Welche Gesetzeslage hat es gegeben? Und gab es bisher irgendeine Art von Rehabilitation oder Entschädigung für verurteilte homosexuelle Menschen? Das verrät der folgende Beitrag des Infomagazins FROzine, gestaltet von Michael Diesenreither.

 

Zusätzliche Infos:

Das generelle Verbot gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen wurde in Österreich erst 1971 beseitigt und war damit das Schlusslicht der europäischen Länder. Auch Frauen konnten wegen dieses Delikts verfolgt werden. Dieses sogenannte „Totalverbot“ wurde allerdings durch vier Bestimmungen im Strafgesetzbuch ersetzt, wobei die letzte erst 2002 aufgehoben wurde. Genaueres erfahren wir nun von Rainer Bartel. Prof. für Volkswirtschaft an der Uni Linz, und jahrelanger Aktivist der HOSI linz, z.b. als Vereinssprecher, Finanzreferent oder derzeit Leiter der Beratungsgruppe der Hosi Linz.

In 50 Jahren, von 1922 bis 1971, hat es in Österreich über 25.000 Verurteilungen wegen „Unzucht wider die Natur“ gegeben. Das generelle Verbot gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen wurde in Österreich erst 1971 beseitigt und war damit das Schlusslicht der europäischen Länder. Auch Frauen konnten wegen dieses Delikts verfolgt werden. Dieses sogenannte „Totalverbot“ wurde durch vier Bestimmungen im Strafgesetzbuch ersetzt: §§ 209, 210, 220 und 221 (erhöhtes Mindestaltergebot, Prostitutions-, Werbungs- und Vereinsbildungsverbot). Der §209 sah eine Sonderaltersgrenze von 18 Jahren für sexuelle Kontakte zwischen Männern im Gegensatz zu 14 Jahren bei Heterosexuellen und Lesben vor. Die Abschaffung scheiterte am Widerstand von ÖVP und FPÖ – erst im Jahre 2002 wurde diese Diskriminierung durch den Verfassungsgerichtshof beseitigt. Von 1971 bis 2002 hat es ca. 1500 Verurteilungen nach diesen Bestimmungen gegeben, dies betraf praktisch ausschließlich Männer.

In Österreich können bzw. müssen aufgrund einer Gesetzesreform aus dem Jahr 2015 die Opfer der §§ 209, 210, 220 und 221 Strafgesetzbuch (erhöhtes Mindestaltergebot, Prostitutions-, Werbungs- und Vereinsbildungsverbot) vor dem Gericht, das sie dazumal verurteilt hat, ein erneutes Verfahren durchlaufen, um rehabilitiert zu werden. Erklärungen des Bedauerns oder gar Entschädigung bekommen die österreichischen Justizopfer im Unterschied zu Deutschland keine, wie Rechtsanwalt Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lamdba (RKL) schon 2015 kritisierte. Die Gesetzesreform kam in Österreich erst verspätet und unter dem hartnäckigen Druck des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zustande.

Angesichts der aktuellen deutschen Reforminitiative verlangte der Justizsprecher der Grünen im Nationalrat, Albert Steinhauser, ein ebensolche Aufhebungsgesetz für Österreich: „Aus heutiger Perspektive ist klar, dass den Betroffenen Unrecht widerfahren ist. Zudem hatten sie unter finanziellen wie sozialen Konsequenzen zu leiden.“ Auch SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim will nun nach deutschem Vorbild auch in Österreich eine pauschale Rehabilitierung verurteilter Homosexueller in Österreich. Das gültige Tilgungsgesetz sei nur eine „halbherzige Form der Rehabilitierung“, da diese nur auf Antrag erfolge, so Jarolim in einer Aussendung.

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