Mittwoch, 14. Februar 2018: Klassik mit Hilde Mülleder: Der Evangelimann
Die titelgebende Figur des Evangelimanns war ursprünglich eine Gestalt der sogenannten Wiener Pawlatschenhöfe (Hinterhöfe), die dort bevorzugt an Samstagen oder Sonn- und Feiertagen erschien, zumeist in würdigem und freundlichem Auftreten aus der Bibel zitierte und dafür einige Kreuzer erhielt.
Wilhelm Kienzl benannte seine Oper nach dieser Gestalt. Angeregt wurde er von einer Erzählung aus Leopold Florian Meissners Buch Aus den Papieren eines Polizeikommissärs, die vom Lebensweg eines Evangelimanns berichtet, hier wird dieser Fall als eine „wahre“ Begebenheit dargestellt. Diese Erzählung adaptierte Wilhelm Kienzl für seine Oper.
Ende des 20. Jahrhunderts hat Viktor Redtenbacher die tatsächlichen Hintergründe dieser „wahren“ Begebenheit aufgedeckt und Meissners Erzählung als Fiktion entlarvt, die allerdings auf einigen belegten Fakten aufbaut. Auf dem Hellerhof in der Pfarrei Paudorf bei Göttweig in Niederösterreich hat sich 1812 tatsächlich ein Brand zugetragen, den ein Bruder des dort gebürtigen Engelbert Schwertfegers, des späteren Abtes des Benediktinerklosters Stift Göttweig gelegt haben dürfte. Gerichtlich wurde niemand wegen Brandstiftung belangt oder gar abgeurteilt. Bei diesem Brand handelte es sich auch um keine Brandkatastrophe, durch die ein ganzer Ort betroffen war, sondern nur um einen Heustadelbrand mit ein wenig Sachschaden.
Die Oper war nach ihrer Uraufführung 1895 längere Zeit im deutschsprachigen Raum und auch im Ausland populär, wurde aber in den letzten Jahrzehnten kaum noch gespielt. Eine der wenigen Aufführungen fand 1945 in Wien mit Rosette Anday, Alfred Jerger, Gertrud Burgsthaler-Schuster und Sena Jurinac statt. Einzig die Tenor -Arie „Selig sind, die Verfolgung leiden“, gesungen unter anderem von Peter Anders, Nicolai Gedda, Joseph Schmidt, Richard Tauber, Fritz Wunderlich und Rudolf Schock, wurde noch vereinzelt im Radio gespielt. In den 1980er Jahren wurde die Oper in Wiesbaden aufgeführt; es folgten Aufführungen 2004 in Chemnitz[1], 2006 in Wien an der Volksoper[2], 2007 an der Oper Graz[3] sowie 2012 am Klagenfurter Stadttheater[4].