Die Affäre Odilon

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Draußen vor der Tür

Wir berichten über das neue Stück im Theater Phönix, zu sehen ab 6.2.2020. Mittelpunkt des Stücks ist der 66-jährige Alexander Girardi, vielfach gefeierter Wiener Theater- und Operettenstar der Donaumonarchie.

Alexander Girardi wird ein Jahr vor dem Ende des Ersten Weltkriegs von seiner Geburtsstadt Graz noch einmal ans Burgtheater gerufen. Nach wie vor restlos von seiner Großartigkeit überzeugt, kratzt eine Begegnung im Drogenmilieu der Kultur- und Musikstadt Wien empfindlich an seinem Glanz. Eine ehemalige, ebenfalls kokainsüchtige Schauspielkollegin bezeichnet ihn als völlig überschätzte, egoistische Rampensau. Selbst beim Erobern seiner ersten Ehefrau, der Schauspielerin Helene Odilon, habe er rücksichtslos Pointen geklaut und sich selbstsüchtig in den Vordergrund gespielt. Kein Wunder, dass die einst so großartige Bühnenkünstlerin, inzwischen längst von ihm getrennt, im Irrenhaus ihren Lebensabend fristet.

Diesen Vorwurf kann Girardi unmöglich auf sich sitzen lassen. Er verlangt unverzügliche Rehabilitation und animiert einige von Hunger und Elend gezeichnete Junkies, seine wahre, von der Presse im Jahr 1893 weidlich ausgeschlachtete Geschichte als spontanes Stegreiftheater nachzuspielen.

Die historisch belegte „Affäre Odilon“ bringt ein beispielloses Sammelsurium an wesentlichen Persönlichkeiten auf die improvisierte Hinterhofbühne: den von der Unverletzlichkeit seines explosiven Vielvölkerstaates überzeugten Kaiser Franz Joseph, seine den höfischen Einfluss nutzende, spielsüchtige Freundin Katharina Schratt, den reichen Bankier und Kriegsgewinnler Albert von Rothschild, den von Zwangssterilisierung und Rassenhygiene überzeugten Psychiater Julius Wagner-Jauregg und das von der Wiener Männerwelt angehimmelte Sexualwunder Helene Odilon. In einer aberwitzigen, politisch und historisch nicht immer ganz korrekten, aus dem Ärmel geschüttelten Szenenfolge wird nicht nur eine unglaubliche und skandalträchtige Intrige rund um Girardi aufgedeckt. Seine angepasste, unkritische Unterhaltungskunst und die herrschende politische Kurzsichtigkeit und soziale Verelendung machen auch Dynamiken sichtbar, die das Aufkeimen deutschnationaler und antisemitischer Tendenzen begünstigen.

Akustische Einblicke in das Stück gibt es in dieser Sendung, moderiert und gestaltet von Sarah Praschak.

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