Kommentar zu Mobilität in Zeiten von covid-19

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Kommentar zu Mobilität in Zeiten von covid-19

Geschrieben und aufgenommen am 30.3.2020, für Wegstrecken 299 am 31.3.

Diesmal ein Wort zum Montag oder Dienstag. Also: mir reicht’s oder anders formuliert: ich hab das Zuckergoscherl voll.

Da bemüht sich unsereins weitestgehend die seit 16. März gültigen Vorgaben einzuhalten, seine notwendigen Einkäufe zu bündeln, die direkten Kontakte zu Menschen, mit denen man sonst mehr oder minder regelmäßig zusammengekommen ist, auszusetzen, den Mindestabstand zu anderen Menschen einzuhalten und auch beim Einkauf oder in der Apotheke dem Personal oder Mitmenschen eben nicht auf den Pelz zu rücken, und sogar die bittere Pille zu schlucken, dass man sich nur mehr in fußläufiger Distanz vom Wohnsitz fortbewegen soll, also keinesfalls die Grenzen des eigenen Grätzels oder gar die Stadtgrenzen mit öffentlichen Verkehrsmitteln überschreiten soll, und dann bekommt man bestätigt, was man anhand der noch immer zahlreichen Autos auf Haupt- und Ausfallsstraßen ohnehin schon vermutet hat: dass viele der autobewehrten Mitmenschen darauf husten, die Ausgangsbeschränkungen auch nur annähernd einzuhalten.

Während man also bereits danach zu schmachten beginnt, auch gemeinsam mit der Liebsten oder seinen Freundinnen und Freunden endlich wieder einmal einen Zug zu besteigen und aus der Stadt zu fahren, missbrauchen andere, weil ja das böse Virus nur in öffentlichen Verkehrsmitteln lauert, nicht aber in der eigenen Karre und schon gar nicht bei jenen, die drinnen sitzen, die vernünftig erscheinende Vorgabe, sich wirklich nur in Ausnahmefällen weiter als im nächsten Umkreis zu bewegen.

Wer also den ja durchaus verständlichen Verlockungen, einfach dorthin zu fahren, wo man ja immer schon gerne hingefahren ist, z.B. ins Mühlviertel oder an einen der schönen Seen, nachgibt bzw. auf Besuche von Freundinnen, Freunden oder Familienangehörigen ohne triftigen Grund nicht verzichtet, hat da irgendetwas nicht wirklich verstanden oder will das nicht verstehen. Begünstigt wird dieser Schwachsinn in Zeiten von covid-19 durch die kontraproduktive Regelung, dass man zwar mit dem Auto, nicht jedoch mit Bus, Straßenbahn oder Bahn ins Freie fahren dürfe.

Für diese Autofahrten – Stichwort: geringeres Infektionsrisiko – gibt es jedoch anscheinend keine Gebietsbeschränkung.

Es hieß doch: wer zur Arbeit fahren muss, oder zwecks Betreuung in die Schule, oder mangels ausreichender Infrastruktur in den Nachbarort zum Einkauf oder Arztbesuch, gegebenfalls auch noch zu einem Menschen, der allein stehend und ohne Hilfe vor Ort ist, der dürfe dies – unter Einhaltung der virenverbreitungsverlangsamenden Begleitmaßnahmen.

Von einem Freibrief für großzügige Ausflugsfahrten mit dem Auto war, soweit ich mich erinnere, jedoch keine Rede.

Gewarnt wurde allerdings, sowohl vom Gesundheitsminister als auch vom Bundespräsidenten vorwiegend davor, öffentliche Verkehrsmittel zu Freizeitzwecken zu benützen, also drei oder vier Stationen innerstädtisch zu fahren, damit man nicht durch die ganze Stadt hatschen muss, um zu einem schönen Platz an einem Flußufer zu gelangen.  Vergleichbar konkrete, über „Zu Hause bleiben“ hinausreichende Warnhinweise bezüglich unnötiger und letztlich auch infektionsverbreitender Autofahrten habe ich entweder erfolgreich verdrängt oder es gab sie nicht.

Während aber, wie Berichte aus Wien zeigen und auch die Polizeipräsenz im sogenannten Linzer Volksgarten offenbart, das nicht motorisierte Volk zumindest in bestimmten Regionen schnell aufgescheucht wird und davon abgehalten wird, sich einmal außerhalb der eigenen vier Wände zu entspannen, man aber einstweilen noch davon absieht, BenützerInnen öffentlicher Verkehrsmittel hinsichtlich des Zweckes der Benützung von Straßenbahn oder Bus zu sekkieren, haben die Autobesitzenden und ihre Mitreisenden anscheinend Narrenfreiheit.

Nicht nur hinsichtlich eines anscheinend noch immer weitgehend großzügig ausgelegten Bewegungsspielraumes, sondern auch in Bezug auf die generöse Regelung, dass in den großen Städten von der Einhebung der Parkgebühren Abstand genommen wird.

Auch in Linz war da man schnell mit von der Partie, mit dem Argument, man könne, überspitzt formuliert, den „kriegswichtige Dienste leistenden Personen“ doch nicht zumuten, weiterhin öffentliche Verkehrsmittel zu benützen oder gar fürs Parken zu bezahlen. Dabei hätte man doch berücksichtigen können oder müssen, dass viele der im Gesundheitsdienst arbeitenden Menschen in Einrichtungen arbeiten, wo Parkplätze für das Personal vorhanden sind bzw. dass es doch auch möglich sein müsste, unbürokratisch Ausnahmegenehmigungen für jene auszustellen, die das Auto deshalb jetzt benützen, weil sie das Risiko einer Ansteckung in öffentlichen Verkehrsmitteln meiden wollen, weil eine Ansteckung auch infolge Personalknappheit fatal wäre.

Wenn man also so generös auf sämtliche Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung verzichtet, müsste man im Grunde genommen auch jene, die noch immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, selbstbestimmt, also aus freien Stücken oder mangels Alternative, ebenso unterstützen, in dem man Freifahrt auf öffentlichen Verkehrsmitteln einführt.

Und, um das Risiko einer Ansteckung in öffentlichen Verkehrsmitteln zu minimieren, dort, wo trotz einer gewissen Aushungerung des Öffentlichen Verkehrs noch immer zu viele Menschen unterwegs sind, um den erforderlichen Abstand vor allem in den Fahrzeugen zu gewährleisten, wiederum das Angebot aufstocken, konkret auf Linz bezogen hieße das: wenigstens nach dem Ferienfahrplan zu fahren, anstatt nach dem Sonntagsfahrplan.

Bei der S-Bahn in Wien hat man letzte Woche begonnen, wiederum Doppelgarnituren einzusetzen, um die Berührungspunkte für Ansteckungen zu reduzieren.

Überhaupt werden wir, die Interesse daran haben, dass „nach Corona“ auch der Öffentliche Verkehr wieder mehr, und auch mehr als „vorher“ benützt wird, darauf achten müssen, dass erstens auch die Leistungen, die von Bediensteten der Verkehrsunternehmen erbracht werden, wertgeschätzt werden und dass der Öffentliche Verkehr eine deutliche Aufwertung, vor allem auch im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Mittel, erfährt.

Weiters halte ich fest, dass die Spielregeln zur langsameren Verbreitung des Corona-Virus abgesehen von meiner Lieblingskundschaft, den Autofahrenden zugehörigen Menschen, auch bei manchen Angehörigen einer anderen Spezies noch nicht angekommen sind, man muss nicht hysterisch sein, um als Angehöriger einer Risikogruppe (über 60) ein ungutes Gefühl zu haben, wenn in der Straßenbahn unmittelbar hinter einem jemand telefoniert und fröhlich kommuniziert.

Den Vogel abgeschossen hat aber wiederum ein Autofahrer, der um seiner Gattin den gefahrvollen Weg von einem Parkplatz in der Nähe zur Apotheke zu ersparen, halb auf dem Gehsteig und mitten auf dem Zebrastreifen vor der Apotheke stehengeblieben ist.

 

Abschließend jedoch eine erfreuliche Botschaft, zumindest für jene, die noch zu hören und sich ohne automobilen Untersatz zu bewegen imstande sind:

Unsere Städte sind durch die derzeitigen Beschränkungen menschenfreundlicher geworden, der Komponist und Musiker Peter Androsch hat unlängst darauf hingewiesen, dass wir diesen Ausnahmezustand geringerer Lärmbelastung auch dazu nützen sollen, unsere Sinne zu schärfen und wahrzunehmen, wie auch in einer Stadt Leben möglich wäre, mit offenen Ohren und Augen, die Schönes aufnehmen können, das sonst unter dem Lärmteppich verborgen bleibt bzw. der verstärkt nötigen Aufmerksamkeit, nicht unter die Räder zu kommen, zum Opfer fällt.

Was allerdings fehlt, ist das gemeinsame Lachen und die persönlichen Begegnungen, die das Menschsein eigentlich ausmachen.

Ich möchte beides: menschen- und nicht autofreundliche Städte und das Lachen.

Liebe Grüße

Erich

Nachsätze:

1) Gute ‚Dienste leisten mir auch in diesen Zeiten meine beiden Drahtesel, Paul II. aus dem Nachlass des Vaters meiner Freundin, nachdem der 2010 erstandene Simbacher Paul im letzten Sommer endgültig abstellreif wurde, und der vor etwa zwei Monaten erstandene Paul III., als ebenfalls gebrauchter „Luxus-Liner“ aus Vorarlberger Produktion.

2) Einen Überblick dazu, was wir dürfen/sollen/können, bietet beispielsweise folgender Artikel: https://orf.at/stories/3159618/

3) Und bemerkenswert fand ich den Vorschlag der Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, den Autoverkehr in kleineren Straßenzügen stillzulegen, um FußgängerInnen ein Ausweichen mit dem gebotenen Mindestabstand zu ermöglichen.

Und schaut euch doch einmal den Platz an, den die Autos einnehmen und was dann noch übrig bleibt. Auch für die Zeit nach Corona.

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