Prof. Emberger im Interview zu Verkehrsfragen in Wien. Und: Demoreden gegen Einschüchterungsklagen der Stadt Wien

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Prof. Emberger von der TU Wien im Interview zu Verkehrsproblemen in Wien und wie sie gelöst werden sollte.

Im Zweiten Teil der Sendung bringen wir die Reden der Kundgebung vor dem Rathaus in Wien gegen die Einschüchterungsklagen der Stadt Wien. Sie hören VertreterInnen von Fridays for Future, Greenpeace, #Aufstehen, Jugendrat Wien und Ulrich Leth Verkehrswissenschafter der TU Wien.

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Hier eine Transkription Interviews mit Prof Emberger:
Wir sprechen heute mit Prof. Emberger von der TU Wien und haben einige Fragen zu den Themen Verkehrskonzepte in der Donaustadt, Sinnhaftigkeit des Baus höherrangiger Straßen und konkret auch zum Projekt der Stadtautobahn, das seit Monaten in den Medien ist und von großem Protest begleitet wird.

Prof. Emberger, Sie leiten den Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Wien, sind also Experte für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung – wie beurteilen Sie denn die derzeitige Verkehrslage in der Donaustadt?

Man muss hier ein bisschen ausholen. Es geht ja nicht nur um die Donaustadt, sondern es geht um die ganze Stadt Wien, um das ganze Verkehrsgeschehen in Österreich. Man muss hier von oben anfangen, die Klimakrise kommt auf uns zu, und um ihr Herr zu werden, ist die Gestaltung des Verkehrs eine wichtige Aufgabe. Wir wissen, dass in den meisten Sektoren mittlerweile CO2-Einsparungen stattfinden, außer im Verkehrssektor, hier haben wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer noch Zuwächse gesehen. Ein gegenteiliger Trend ist notwendig, das heißt, wir müssen im Verkehr ökologischer werden, wir müssen hier COeinsparen. Um das machen zu können, müssen wir auf Bundesebene, aber auch auf Landesebene und auf Stadtebene das Verkehrssystem in Ordnung bringen. Das heißt, wir müssen schauen, dass die Menschen die Möglichkeit haben, sich ökologisch sinnvoller zu verhalten, und dazu gehört beim Verkehr, dass der Umstieg vom Autoverkehr hin zum öffentlichen Verkehr, hin zum Radfahren, hin zum Zufußgehen gefördert wird.

Nun plant die Stadt Wien für die kommenden Jahre einige Infrastrukturprojekte, sowohl was den Straßenbau betrifft, als auch, was den Öffi-Ausbau betrifft. Wie schätzen Sie das ein: Genügen diese Maßnahmen, um das zu erreichen, was Sie gerade beschrieben haben?

Am Institut haben Kollegen von mir schon 2017 Studien dazu gemacht, die Donaustadt-Problematik und auch die Verkehrsproblematik in Wien sind mir nicht ganz unbekannt. Festzuhalten ist, dass die Stadt sich selbst das Modal Split-Ziel gesetzt hat, dass bis 2030 85% der Wege mit dem Umweltverbund und 15% mit dem Auto zurückgelegt werden sollen. Unter Umweltverbund verstehen wir in der Verkehrsplanung das Zufußgehen, das Radfahren und den öffentlichen Verkehr. Die Stadt Wien hat sich also das Ziel gesetzt, dass sie den motorisierten Individualverkehr von heute rund 27% bis 2030 auf 15% bringen will.

Die Maßnahmen, die derzeit geplant sind, werden die genügen, um das zu erreichen?

Wir haben uns 2017 für die Donaustadt angesehen, wie die Maßnahmen, die im Stadtentwicklungsplan vorgeschlagen sind, wirken würden. Und wir haben festgestellt, dass mit diesen Maßnahmen der Umweltverbund-Anteil von 85% nicht erreicht werden kann. Das heißt, die Maßnahmen, die von der Stadt Wien bis jetzt vorgeschlagen worden sind, reichen nicht, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Hier muss nachgeschärft werden. Und wenn man das ernst nimmt und man merkt, dass nachgeschärft werden muss, sind Straßenbauten natürlich nicht der richtige Weg. Straßenbau führt immer zu mehr Verkehr und hindert uns daran, das Modal Split-Ziel zu erreichen. Weiters muss man festhalten, dass Geld eine beschränkte Ressource ist. Sie können das Geld, das sie haben, und das gilt natürlich auch für Steuergeld, nur einmal ausgeben: Für Straßenbau – dann ist es weg und das ist nicht zielkonform. Oder Sie können das Geld für Maßnahmen, die zielkonform sind, sprich für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie die Förderung des Zufußgehens und des Radfahrens, ausgeben.

Sie sprechen von Förderung des Zufußgehens und des Radfahrens. Wie kann man das sinnvoll machen? Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass es sehr schwer ist, Menschen, die mit dem Auto fahren, zu motivieren, regelmäßig ein anderes Verkehrsmittel zu nutzen. Nicht einmal kostenlose Öffis reichen, um Autofahrende zum Umstieg auf Öffis zu bewegen. Da steigen dann eher die Fußgängerinnen und die Radfahrenden um.

Sie haben vollkommen recht. Da müssen wir in die Geschichte zurückschauen. Seit den 1960er-, 1970er-Jahren hatten wir eine Verkehrsplanung, die stark autoorientiert war. Die Gestaltung der Straßenräume wurde für das Auto gemacht, es sind viele Parkplätze gebaut worden, der Fußgänger wurde auf den Gehsteig zurückgedrängt. Anders als für Fahrbahnen gibt es keine durchgehende Mindestbreite für Fußwege. Wenn Sie zum Beispiel mit einem Kinderwagen auf dem Fußweg unterwegs sind und es kommt Ihnen eine Person entgegen, dann sind die Verkehrsschilder, die Hydranten und die Papierkörbe im Weg und Sie müssen stehenbleiben. Wir haben hier sehr unattraktive Barrieren eingebaut, sodass das Zufußgehen nicht mehr angenehm ist. Das nächste ist, dass die Fahrbahnen sehr breit geworden sind, diese Fahrbahnen ermöglichen eine Geschwindigkeit von 50, 60, 70 km/h in den Städten und mit diesen Geschwindigkeiten hat man als Fußgeher ein ungutes Gefühl. Man fühlt sich nicht wohl, Sie werden belärmt, mit Regenwasser bespritzt und so weiter. Wir haben es in den letzten 40, 50 Jahren geschafft, den Straßenraum so zu gestalten, dass es nicht mehr attraktiv ist, zu Fuß zu gehen, dass es nicht mehr attraktiv ist, mit dem Rad zu fahren, dass es nicht mehr sicher ist, dass Sie Umwege machen müssen. Sie müssen zum Beispiel bei Kreuzungen stehen bleiben und 90 Sekunden warten, bis Sie eine Grünphase haben, damit Sie die Straße überqueren können. Alle diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass das Autofahren sehr attraktiv geworden ist. Jetzt gilt es, dieses Planungsparadigma umzukrempeln und den Platz, vor allem in Städten und dichten Siedlungen, wieder den Menschen zurückzugeben. Wir sollten für die Fußgänger und Radfahrer attraktive Flächen schaffen, sodass es wieder Spaß macht, zu Fuß zu gehen und mit dem Rad zu fahren. Und Sie wissen es ja selbst, Sie brauchen ja nur in sich hineinzuhorchen und wenn Sie spazieren gehen merken Sie, wo es angenehm ist, zu Fuß zu gehen, wo Sie flanieren können. Das sind in den Innenstadtbereichen zum Beispiel der Graben im ersten Bezirk oder auch die Mariahilfer Straße. Das sind Flächen und Räume, wo Sie gemütlich flanieren können, wo Sie ausreichend Platz haben, wo Sie ausweichen können, wo Sie stehenbleiben können, wo Sie Sitzmöbel finden, die beschattet sind, möglichst durch Bäume, wo Sie Sitzmöglichkeiten finden, die gratis sind, wo Sie sich sicher fühlen, wo Sie keinen Konsumzwang haben. All das sind Möglichkeiten, den Straßenraum als einen Ort zu attraktivieren, wo Menschen gerne zu Fuß gehen und natürlich auch Rad fahren. Wenn wir unsere Straßenräume in diese Richtung gestalten, kommen natürlich wieder mehr Radverkehr und mehr Fußverkehr auf. Schauen Sie sich an, was in Wien in diesen umgebauten Gebieten los ist. Mit solchen Maßnahmen können wir den Menschen helfen, vom Auto auf andere Verkehrsmittel umzusteigen. Es gibt auch keine Parkplätze in diesen Straßenräumen, also müssen Sie das Auto in einiger Entfernung abstellen, oder Sie kommen überhaupt mit dem öffentlichen Verkehr.

Der Mensch nimmt mit seinen Sinnen seine Umgebung war und verhält sich aufgrund der Informationen, die er bekommt, nach seinen Maßstäben rational. Wenn ich eine Struktur schaffe, in der Sie das Haus oder die Wohnung verlassen und in den Keller fahren oder vor die Türe gehen und Ihr PKW steht dort und die nächste Haltestelle ist dreihundert oder fünfhundert Meter weit weg, dann ist es natürlich sehr wahrscheinlich, dass Sie das Auto verwenden. Und wenn am Zielort, zum Beispiel der Shopping City, ein Gratisparkplatz zur Verfügung steht, dann werden Sie diese Shopping City eher als Ziel wählen. Das heißt, Sie haben zwei komplett autoaffine Strukturen mit einer Straße verbunden. Und dann ist es klar, dass man mit dem Auto fährt. Wenn wir es schaffen, die Zugänglichkeit zum Auto ein wenig zu verringern oder zumindest so anzupassen, dass das Auto gleich weit weg ist wie die Haltestelle des öffentlichen Verkehrs, haben wir Möglichkeiten geschaffen, dass sich die Person richtig verhalten kann. Sie muss ein-, zwei-, dreihundert Meter weit gehen und kann dann ins Auto oder in den öffentlichen Verkehr steigen. Aber in der Zeit, in der sie die ein-, zwei-, dreihundert Meter zurücklegt, kann sie schon einige Bedürfnisse befriedigen. Sie kann zum Beispiel flanieren, andere Menschen treffen, einen Einkauf in einem kleinen Geschäft tätigen. Hier kann man sehr viel machen, damit sich die Menschen wieder anders verhalten können.

Wenn man dem zuhört, was Sie sagen, bekommt man den Eindruck, dass wirklich umfassende Infrastrukturmaßnahmen nötig sind, um auch das nicht-Autofahren so attraktiv zu machen, wie es das Autofahren für viele zu sein scheint.

Wir müssen hier wirklich schauen, was in der Geschichte passiert ist. Wir haben jetzt 30, 40, 50 Jahre lang autoaffine Strukturen gebaut. Natürlich haben sich die Menschen daran gewöhnt, und wir sind natürlich auch abhängig. Viele Bedürfnisse können wir zur Zeit ohne Auto gar nicht befriedigen. Reden wir zum Beispiel vom Land. Hier hat es ja sehr viele Standortkonzentrationen gegeben, die Greißler in den Ortschaften haben zugesperrt, die Postämter sind zugemacht worden, es hat also am Land „Strukturbereinigungen“ gegeben. Und viele der Bedürfnisse werden nun anderswo erfüllt. Geschäfte und Dienstleister sind auf die grüne Wiese vor die Ortsgrenzen gewandert. Und diese Supermärkte und Outlet-Center auf der grünen Wiese saugen dort wie Parasiten die Kaufkraft ab. Das Ganze passiert noch dazu mit einem extremen Flächenfraß. Sie wissen wahrscheinlich, dass Österreich mehr oder weniger Weltmeister in der Bodenversiegelung ist. Viele Shoppingcenter werden eingeschossig auf die grüne Wiese hingepflanzt. Die Parkplatzflächen werden asphaltiert. Wir versiegeln ca. zwölf, dreizehn Hektar Boden pro Tag und dürften eigentlich nur zwei bis zweieinhalb Hektar pro Tag versiegeln. Hier sind wir zur Zeit mit dem Faktor fünf über unserem Kontingent. All diese Faktoren führen natürlich zu einer Autoabhängigkeit.

Nun ist eines der Argumente, das die Stadt Wien im Zusammenhang mit dem Bau der Stadtautobahn immer wieder wiederholt und das auch oft aufgegriffen wird, dass der Bau von 60.000 Wohnungen, die Stadterweiterung im Nordosten Wiens, von der Stadtautobahn abhänge und dass das auch im UVP-Verfahren festgeschrieben sei. Können Sie Licht in die Angelegenheit bringen? Weil nach allem, was Sie jetzt beschrieben haben, scheint das ja nicht so notwendig zu sein, wie immer behauptet wird.

Ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass in einem UVP-Verfahren eine Stadtstraße mit einem vierspurigen Querschnitt vorgeschrieben werden kann. Man muss vielmehr sagen: Diese Siedlungen sind irgendwie zu erschließen. Was mir in diesem Bescheid aufgefallen ist, ist, dass die Stadtstraße explizit erwähnt worden ist, und die Ausführung soll eine vierspurige Straße sein, kreuzungsfrei, mit 50 km/h, obwohl sie ausschaut wie eine Autobahn. Das ist interessant. Kein Wort in diesem Bescheid erwähnt, welche zusätzlichen öffentlichen Verkehrserschließungen oder Raderschließungen diese Siedlungen brauchen. Hier, denke ich, könnte und sollte man nachschärfen und sich flexibel zeigen, sodass man zu einer sinnvollen Lösung kommt, die vielleicht nicht als einzige Option eine vierspurige Stadtstraße vorsieht, sondern vielleicht mit einer zweispurigen Erschließungsstraße plus ergänzenden Maßnahmen für den öffentlichen Verkehr das Auslangen findet. Hier gibt es sicher einige Möglichkeiten. Und jetzt kommen wir wieder darauf zurück: Die Stadt Wien hat sich ja verpflichtet, ihre Modal Split-Ziele, CO2-Ziele und Klimaziele zu erreichen, und da passt das eine mit dem anderen nicht zusammen. Da müssen wir was tun. Es gehört hier die Hand ausgestreckt und es muss geschaut werden, wie man das Ganze so machen kann, dass es für alle eine sinnvolle Lösung ist. Wir müssen schauen, wie wir diese Wohnungen bauen und gleichzeitig die Lebensqualität in der Region erhöhen können. Die Bewohner sollten in einer Weise mobil sein können, dass sie nur diese 15% Autoverkehr generieren und 85% der Wege mit dem Umweltverbund zurücklegen. Hier muss es einen Kompromiss geben. Und ich bin mir sicher, die Stadt Wien, in Zusammenarbeit mit Experten, kann hier eine sinnvolle Lösung finden.

Ich würde gerne andersrum fragen: Wenn jetzt die Stadt Wien und der Bund wirklich eine Stadtstraße, eine S1-Spange und eine Lobauautobahn bauen – und dafür setzt sich ja die Stadt Wien gemeinsam mit dem Land Niederösterreich ein –, und womöglich dann auch noch eine Marchfeldschnellstraße, was würde dann rauskommen? Wie, glauben Sie, würde sich das auf diese Region auswirken?

Dazu gibt es auch Studien. Wenn man das Ganze so macht, wie Sie sagen, wenn man den Vollausbau macht, dann ist sehr, sehr, sehr viel Geld für die nächsten Jahre und Jahrzehnte gebunden und damit wird ein eindeutiger Trend hin zum Autoverkehr fortgeschrieben. Das Geld ist dann weg für alternative, sinnvolle Maßnahmen, wir sprechen hier von Summen in der Größenordnung von zwei Milliarden Euro. Das nächste ist, dass wir, wenn wir diese Straßennetze ausbauen, natürlich Verkehr anziehen. Das heißt, wir generieren Verkehr, weil aufgrund der guten Erreichbarkeit die Siedlungsentwicklung weiter im Nordosten von Wien stattfinden wird. Diese Gebiete werden aufgewertet, weiter draußen ist der Grund billig und so werden außerhalb der Wiener Stadtgrenzen Siedlungsentwicklungen stattfinden. Es werden sich da Betriebe und auch Pendler ansiedeln, und damit haben wir einen Regelkreis geschlossen. Das heißt, dieses Projekt würde zu einer Bautätigkeit in der Fläche führen, wir hätten die alten Probleme fortgeschrieben. Wir machen also nichts Neues, wir schreiben diese Trends, die wir jetzt haben, also den Flächenversiegelungstrend und den Trend hin zu mehr Autoverkehr, fort, und das widerspricht den Notwendigkeiten, die wir haben, um zukünftig CO2-neutrale Siedlungs- und Verkehrsstrukturen zu erzeugen.

Ich würde es gern noch zuspitzen auf das Thema Güterverkehr. Die Stadt Wien behauptet, dass sie die Stadtstraße und die S1-Spange braucht, um jetzt ihre Neubaugebiete, wo sie auch Industrie und Betriebe ansiedeln will, für den Güterverkehr zu erschließen. Halten Sie das auch für notwendig, bzw. wie kann man das Problem mit dem Güterverkehr lösen?

Beim Thema Güterverkehr gibt es verschiedene Fragestellungen, die man betrachten muss. Auf der einen Seite ist einmal der internationale Güterverkehr, der Transitverkehr, der durch Österreich durchgeht, zu beachten. Hier ist es eindeutig von der EU vorgegeben, dass wir einen Großteil des Güterverkehrs in Zukunft auf die Schiene verlagern müssen und sollen. Das heißt, der internationale Transitverkehr muss auf die Schiene verlagert werden und auch hier wird der Ausbau und die Bereitstellung der Kapazitäten viel Geld kosten. Das ist einmal das erste.

Wir haben uns das auf der Tangente mal angesehen, hier fallen nur 7% des Verkehrsaufkommens in die Kategorie Güterverkehr, also der Großteil des Verkehrsaufkommens auf der Tangente ist eigentlich der hausgemachte Autoverkehr. Das heißt, wenn wir hier schon diese Infrastruktur haben – und Infrastrukturen wie die Tangente sind ja auch für den Güterverkehr vorgesehen –, dann könnte man hier, zusätzlich zum Ausbau der Schiene, auch Maßnahmen setzen, die vielleicht nicht ganz populär und vielleicht auch in Österreich bis jetzt nicht gut bekannt sind, um Kapazitäten zu schaffen, sodass man über diese vier Spuren noch mehr Güterverkehr bekommen könnte. Wenn man die Tangente für mehr Güterverkehr verwenden will, muss man schauen, dass man Kapazitäten schafft, indem man den PKW-Verkehr von der Tangente runterbringt. Da gibt es gewisse Ansätze wie das machbar wäre, Sie kennen das vielleicht aus der Literatur und auch aus anderen Ländern, es gibt sogenannte high occupancy lanes. Das heißt, man könnte auf der Tangente Fahrstreifen zulassen, auf denen nur Autos mit zwei oder mehr Insassen fahren dürfen. Sie wissen ja, dass in den meisten Autos in Wien nur ein bis zwei Personen drinsitzen, es fährt fast jeder alleine. Und dann regt man sich auf, dass man im Stau steht, weil sich eben jedes Auto mehr oder weniger mit einer Person durch die Gegend bewegt. Hier gäbe es also andere Wege, dass man dem Güterverkehr mehr Kapazitäten gibt, indem man diese high occupancy lanes einführt und den Personenverkehr rausnimmt.

Zu Ihrem Beispiel: Es ist immer sehr interessant, auf der einen Seite wird behauptet, man kann diese 60 000 Wohnungen nur bauen, wenn man eine Stadtstraße baut, weil da das lokale Güterverkehrsproblem dazukomme. Also ich kann nur sagen, in der Donaustadt, wie sie zurzeit ist, kann jeder Punkt mit dem Auto erreicht und auch mit dem LKW versorgt werden, sonst würde es den Stadtteil ja nicht geben. Ich gehe nicht davon aus, dass der Güterverkehr, wenn man diese Wohnungen baut, hier so stark ansteigen wird, dass auf einmal nichts mehr geht. Vor allem dann, wenn einem bewusst ist, dass man in Wien bis 2030 ein Verkehrssystem schaffen will, in dem nur mehr 15% der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden. Wenn man dieses Ziel ernst nimmt, das heißt, wenn Sie diese 15% Autoverkehr oder 85% Umweltverbund ernst nehmen, bedeutet das, dass der Autoverkehr fast halbiert werden muss. Über 40% des Autoverkehrs, den Sie heute auf den Straßen sehen, würde es dann nicht mehr geben. Ein umgekehrter Schluss ist, dass dies freie Kapazitäten für den lokalen Güterverkehr zur Verfügung stellen würde. Wobei ich ja schon vorher gesagt habe, dass auch der Güterverkehr nicht weiterwachsen sollte. Wenn Sie sich den Mobilitätsmasterplan und die darin formulierten Ziele anschauen, steht drinnen, dass der Straßengüterverkehr nicht mehr steigen darf. Das heißt, die Stadt Wien sagt, es wird mehr Güterverkehr geben, und der Bund sagt, es darf aber nicht mehr LKW-Verkehr geben. Hier passt auch wieder was nicht zusammen, auch hier müssen wir schauen, dass wir diese Ziele und vor allem auch die Maßnahmen miteinander harmonisieren, sodass das zusammenpasst und ein konsistentes Verkehrsverhalten erzeugt. Und dann, denke ich, hat man die Güterverkehrsproblematik gelöst.

Sie haben schon gesagt, nur um das noch einmal zusammenzufassen, der motorisierte Individualverkehr muss in den nächsten Jahren deutlich gesenkt werden, und die Maßnahmen, die die Stadt derzeit setzt, scheinen da nicht auszureichen. Dann ist die Frage, wenn man das ernst nimmt und wirklich versuchen möchte, den motorisierten Individualverkehr so weit zu senken, warum baut man denn dann überhaupt neue hochrangige Straßen? Wie erklären Sie sich das, was ist da der Gedanke dahinter? Die Stadtregierung wird ja diese Zahlen kennen.

Auf der einen Seite haben Sie natürlich recht, die Stadtregierung kennt diese Zahlen, da bin ich mir sicher. Auf der anderen Seite muss man das auch wieder ein wenig aus der Geschichte betrachten. Früher war es so, wenn irgendwo ein Verkehrsproblem, sprich ein Stauproblem, aufgetreten ist, war die Lösung, durch eine Kapazitätsausweitung das Problem einfach „wegzubauen“. Sie sind selbst ein Autofahrer, Sie ärgern sich, Sie stehen im Stau, und Sie haben gelernt, wenn irgendwo Stau ist, dann gibt’s drei Möglichkeiten: Entweder ich fahre woanders hin oder ich fahre zu einer anderen Tageszeit, oder ich meckere herum und sage, es müsste eine neue Spur gebaut werden, es brauche also Kapazitätserweiterung. Und wenn dann Kapazität dazukommt, also eine vierte Spur oder eine fünfte Spur, was in letzter Zeit rund um Wien auch passiert ist, dann sind die Leute zufrieden, das Problem ist zehn Jahre lang beseitigt, weil einfach so viel Kapazität dazugekommen ist. Das haben wir natürlich gelernt. Und in der Verkehrsplanung haben wir gelernt, wenn irgendwo ein Stau ist, dann können wir dieses Problem wegbauen. Leider sehen wir die Folgewirkung, dass durch den Kapazitätsausbau nach zehn, fünfzehn Jahren noch mehr Stau erzeugt wird, zu spät. Da haben die meisten Menschen, die für diesen Ausbau verantwortlich waren, schon wieder eine andere Funktion und sind nicht mehr Politiker oder Verkehrsplaner, sie sind schon in Pension gegangen. Infrastrukturplanung ist einfach ein träges, langsames System. Jetzt haben wir herausgefunden, dass man durch Kapazitätserweiterungen keine Probleme löst, weil man dadurch immer mehr und mehr Verkehr erzeugt. Der Satz «wer Straßen baut, wird Autoverkehr ernten», hat durchaus Sinn, weil man ja durch den Straßenbau auch Flächenzersiedelung auslöst.

Jetzt, wo wir wissen, dass Straßenausbau mehr Verkehr erzeugt, haben wir natürlich die Möglichkeit, nachzudenken, was man anders machen kann, wenn es ein Stauproblem gibt. Man kann zum Beispiel den öffentlichen Verkehr ausbauen oder andere Alternativen anbieten, einen Radweg errichten und so weiter. Hier hat ein Umdenken stattgefunden, das sich bei vielen Verkehrsplanern mittlerweile durchgesetzt hat. Das neue Denken, dieser Paradigmenwechsel, ist aber leider Gottes noch nicht in allen Verwaltungen, nicht bei allen in der Politik und nicht überall in der Wirtschaft angekommen. Sie können sich ja vorstellen, dass Straßenbauten und teure Infrastrukturbauten wie Tunnel und Brücken, gut für die Bauindustrie sind. Und natürlich sagt die Bauindustrie, wir brauchen diesen oder jenen Tunnel, weil so hat es in den letzten 50 Jahren immer funktioniert. Da haben wir die Stauprobleme einfach weggebaut.

Es haben sich aber die Rahmenbedingungen geändert. Wir stehen vor einer Klimakatastrophe, bzw. Klimaänderung, um es ein wenig positiver zu formulieren. Um diese Klimaänderung zu verlangsamen, haben wir Ziele festgelegt. Wir haben festgelegt, um dieses zwei Grad-Ziel oder 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, dürfen wir nur eine bestimmte Menge CO2 emittieren, und dies bedeutet für den Verkehr, dass bestimmte Modal Split-Ziele erreicht werden müssen. Deshalb müssen wir schauen, welche Infrastrukturen uns helfen, das Verhalten der Verkehrsteilnehmer so zu beeinflussen, dass ich das Ziel erreichen kann. Das ist ein komplett neuer Ansatz. Ein Paradigmenwechsel in der Verkehrsplanung findet statt. Dass das natürlich nicht ganz konfliktfrei und friktionsfrei ablaufen kann, ist klar. Weil Sie wissen ja, die Geschichte dieser Straßenbauprojekte ist 20, 30, 40 Jahre alt. Und das ist ein Dampfer, der fährt. Das kann man nicht von einem Tag auf den anderen aufhalten. Und vor allem ist es, meiner Meinung nach, leider so, dass sehr viel Arbeit in das Projekt geflossen ist, und man jetzt erkennt, okay, vielleicht passt das nicht mehr ganz in unsere Zeit. Natürlich kämpfen die Projektwerber weiter für das Projekt, weil es nicht einfach ist, sich einzugestehen, dass dieses antiquierte Denken nicht mehr in unsere Zeit passt.

Ich denke, da ist wirklich ein Angebot für eine Zusammenarbeit und ein Handausstrecken notwendig, dass man sagt, okay, wie können wir unsere Ziele erreichen, ohne dass jemand einen Gesichtsverlust erleidet, so, dass wir miteinander arbeiten können, ja, sinnvoll und möglichst schnell arbeiten können. Denn, wie gesagt, 2030 ist ja nicht mehr weit weg, das sind acht Jahre, und da müssen wir schnell sein und da müssen wir gleich das Richtige machen, und das dauert, leider, und hier müssen wir aufpassen, dass sich die Fronten nicht verhärten und dass man wirklich auf Augenhöhe miteinander kommuniziert und sinnvolle Sachen gestaltet.

Die Stadt veranschlagt 460 Mio.€ für diese eine Straße. Wenn Sie dieses Geld für Infrastrukturprojekte zur Verfügung hätten, wo würden Sie anfangen? Wie würden Sie es einsetzen?

Das kann man nicht so einfach beantworten. Natürlich müsste man einmal schauen, was vorrangig zu machen ist. Es gibt ja einige Projekte, wo man schon gesagt hat, das wäre sinnvoll. Zum Beispiel eine Verlängerung der 26er und eine Regio-Tram zu bauen wäre sinnvoll, also hier würde ich wirklich auf die Experten horchen, hier würde ich wirklich alle an einen Tisch bringen. Man muss mit den Wiener Linien sprechen, die kennen sich da sehr gut aus, was in der Donaustadt sinnvoll wäre. Man müsste auch die Bevölkerung einbinden, einen partizipativen Prozess starten und fragen, was wären Möglichkeiten, wo drückt der Schuh, was kann man machen und was kostet das? Und dann müsste das fachlich fundiert ausgearbeitet werden. Es gibt ja auch einige Konzepte, auch wir haben schon Einiges vorgeschlagen, was man in der Donaustadt machen kann. Aber jetzt aus dem Stand eine Prioritätenreihung vorzunehmen, ohne dass man das wissenschaftlich anschaut, ohne dass man sich die Begleitmaßnahmen anschaut, das wäre nicht seriös. Aber ein Ausbau von Infrastrukturen, die den Umweltverbund fördern, ist sicher sinnvoll. Damit erhöht man die Lebensqualität der Menschen und verringert ihre Autoabhängigkeit.

Können Sie vielleicht nur ganz kurz diese Verkehrskonzepte, die es da schon gibt, diese Vorschläge, die da schon ausgearbeitet wurden, skizzieren und ein paar Beispiele nennen?

Es ist schon einiges gelistet worden. Potentielle Maßnahmen im öffentlichen Verkehr könnten sein, zusätzlich den S-Bahn-Ring der S45 zu schließen, die S10, die Laaer Ostbahn zwischen Erzherzog Karl-Straße und Süßenbrunn mit neuen Stationen, wie zum Beispiel Rautenweg, zu reaktivieren und dann eine S80-Taktverdichtung und eine Reaktivierung der Hausfeldstraße anzustreben. Sinnvoll wäre auch ein viergleisiger Ausbau der Ostbahnbrücke, damit man hier mehr Kapazitäten hat. Dann die Verlängerung der Linie 25 als Stadtregio-Tram bis Großenzersdorf und darüber hinaus, mit einer Park and Ride-Anlage vor Großenzersdorf, sodass man die Wienpendler schon hier abfängt und damit die Straße entlastet. Dann, in Zusammenarbeit mit den Wiener Linien, das Busnetz an neue Stadtentwicklungsgebiete anpassen. Dies soll zuerst einmal durch adaptierte Buslinien-Führungen geschehen und später kann man auch über höherrangige Straßenbahnanbindungen nachdenken. Dann gibt es natürlich auch gewisse Engstellen, wo die Straßen verstaut sind, da könnte man andenken, dass man den Busverkehr durch fixe oder temporäre Busspuren beschleunigt, dass man in der Morgenspitze noch eine Fahrspur wegnimmt und für den öffentlichen Verkehr reserviert. Auch das attraktiviert den öffentlichen Verkehr und hilft den Menschen, umzusteigen.

Man muss aber nicht nur immer das Angebot des öffentlichen Verkehrs ausbauen, man kann ja auch sukzessive die Privilegien der Autofahrer zu beschneiden anfangen. Hier sind zum Beispiel eine Anpassung der Ampelsteuerungen und die Parkraumbewirtschaftung zu nennen, es gäbe aber noch vieles mehr. Ich habe bereits die high occupancy lane auf der Tangente angesprochen, wo mehrere Personen in einem Auto sitzen müssen, damit man diese Spur benutzen darf.

Dann natürlich das Radverkehrskonzept, da gibt es auch einige Pläne, wie man in der Donaustadt ein geschlossenes Netz ausbauen könnte, damit die Menschen sehr bequem und sicher ihre Alltagswege mit dem Fahrrad zurücklegen können. Da gibt es Einiges, was man noch machen kann, dass man da zum Beispiel baulich getrennte Infrastruktur anbietet, sodass es einfach sicher ist und auch Kinder und Familien miteinander fahren können. So können zum Beispiel Schulwege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.

In Hinblick auf den Fußverkehr ist es ganz wichtig, dass man eine Mindestgehwegbreite hat. Sie wissen ja, in ganz Wien ist es möglich, dass sich zwei PKW miteinander im Gegenverkehr begegnen können, ohne dass sie abbremsen müssen. Das heißt, die Fahrbahnbreite ist immer so breit, dass jeder mit 50 km/h bei einem anderen vorbeifahren kann. Anders ist das bei einem Gehsteig, da müssen Sie oft einem Verkehrsschild ausweichen. Da müssen wir die Regeln ändern, dass wir zumindest gleiche Qualitäten, die es für Autofahrer gibt, auch für Fußgänger anbieten. Was ganz wichtig ist, ist flächendeckend Tempo 30 festzulegen. Auch das trägt dazu bei, dass das Zufußgehen attraktiver wird, weil Sie weniger Lärm ausgesetzt sind. Sie können die Straße fast überall überqueren, denn wenn ein Auto mit 30 km/h daherkommt, können Sie über die Straße gehen und der Autofahrer kann noch anhalten. Wenn der Autoverkehr mit 50 km/h fährt, müssen die Fußgänger immer bis zur nächsten Kreuzung gehen, dort auf eine Ampel warten und können dann erst über die Straße gehen. Das sind ganz wichtige Maßnahmen, um die Fußwege zu akttraktivieren. Der Fußgänger muss einen Zeitvorteil bekommen. Dann sollte die Aufenthaltsqualität durch Beschattung noch weiter gesteigert werden. Das wird ein heißes Thema, der Klimawandel wird in unseren Breiten zu einer Klimaerwärmung führen, das heißt, Beschattung wird ganz wichtig, und dazu brauchen wir Bäume, denn Bäume sind die besten Klimaanlagen, die wir haben. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Bäume mit Hilfe des Schwammstadtprinzips ein bisschen größer werden, nicht so wie es in manchen Bezirken ist, dass zwar Bäume gepflanzt werden, wir aber wissen, dass die nach 20 Jahren ausgetauscht werden müssen, weil für den Wurzelraum kein Platz gelassen wird. Da gibt es auch schon neue Konzepte, wie wir uns an den Klimawandel anpassen müssen und was wir brauchen, um Aufenthaltsqualität an Orten, wo kein Konsumzwang ist, zu schaffen. Die Leute müssen draußen sein können, im Schatten sitzen, miteinander interagieren, das hebt die Lebensqualität. Wenn Sie Fußgängern und Radfahrern Raum geben, dann gibt es mehr Gräzlfeeling und soziale Kontrolle. Das ist ganz wichtig, weil dann die Menschen ihre Umgebung wieder wahrnehmen. Fahren Sie einmal mit dem Auto und Sie werden sehen, dass viele Menschen Ihre Zigarettenstummel auf die Straße werfen. Und was auch sehr interessant ist, ist, dass es gewisse Abstände rund um McDonalds-Filialen gibt, ungefähr nach 15 Minuten Fahrzeit, wo Kartons und Plastikbecher neben der Straße liegen, weil es keine soziale Kontrolle gibt. Das heißt, die Menschen essen ihren Burger im Auto und schmeißen dann die Verpackungsreste zum Fenster raus. Das würde aber nicht passieren, wenn die Personen zu Fuß ginge, weil es dann zum Glück einige andere gäbe, die Zivilcourage haben und sagen, pass auf, mach das bitte nicht. Und das ist gut, vor allem, wenn man den Verursacher oder die Eltern kennt. Das sind alles Qualitäten, da bekommen wir ins Gräzl wieder ein bisschen Gemeinschaftsleben, wie am Land, das brauchen wir einfach, um das Zusammenleben ein wenig zu kontrollieren.

Ich habe noch zwei Fragen. Wien hat ja ein Pendlerproblem, also gerade in der Donaustadt, heißt es, dass 17.500 Parkplätze nur von Pendlern zugestellt sind. Was kann man da machen, um die Situation zu verbessern? Und die zweite Frage ist, wie wird sich Corona auswirken, weil es ja doch so wirkt, als würde uns das länger begleiten, was ist da zu erwarten?

Zum Pendlerproblem ist zu sagen, dass es durch die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung ein bisschen zurückgedrängt wird. Hier wird es durchaus Verlagerungseffekte geben, sodass die Pendler weiter draußen mittels Park and Ride umsteigen werden. Also ich denke, das Problem hat man damit in den Begriff bekommen. Wobei man beim Parkpickerl nachjustieren muss. Es ist schon fast dreißig Jahre her, dass es eingeführt worden ist, zuerst in den Innenstadtbezirken, wo die Bezirke relativ klein sind. Wenn Sie im achten Bezirk wohnen, hat es keinen Sinn, vor die Tür zu gehen, mit dem Auto zu fahren und dann drei Straßen weiter wieder zu parken. Hier hat das Parkpickerl eine sehr gute Wirkung, weil die Zonen des Parkpickerls relativ klein sind. Mittlerweile sind wir mit dem Parkpickerl in den Außenbezirken angekommen. Wenn man sich zum Beispiel Favoriten hernimmt: Wäre Favoriten eine eigene Stadt, wäre es die zweitgrößte Österreichs. Wenn Sie ein Parkpickerl haben, können Sie in ganz Favoriten parken. Wenn, wie hier, die Zonengröße zu groß wird, ermögliche ich sehr viel Binnenverkehr. Da müssen wir beim Parkpickerl nachjustieren, sodass die Zonen wieder kleiner werden, ungefähr so groß wie der achte Bezirk. Einen Kilometer Durchmesser müssten diese Zonen haben, damit wir den Binnenverkehr vermeiden. Das ist ein Problem, das wir in der Stadt mittlerweile haben. Aber dass wir den Pendlerverkehr damit in den Griff bekommen, ist klar. Da gab es auch einen Schneeballeffekt. Als das Parkpickerl in den Bezirken eins bis neun eingeführt worden ist, sind die Pendler in die Außenbezirke abgedrängt worden. Dann sind in diesen Außenbezirken die Parkplätze knapp geworden und die Wohnbevölkerung hat gesagt, wir wollen auch ein Parkpickerl. Der Schneeballeffekt hat sich auf ganz Wien ausgebreitet, und jetzt müsste man das Parkpickerl mithilfe einer sinnvollen Zonengröße adaptieren. Aber das Pendlerproblem lässt sich damit lösen. Hier müssen wir den Menschen aber auch durch gute öffentliche Anbindungen helfen, sodass sie leichter umsteigen können, aber ich denke, das ist machbar, weil es berechenbar ist. Das Gute am Berufspendelverkehr ist, dass ich weiß, wo und wann er fährt, das heißt, ich kann entsprechend öffentlichen Verkehr anbieten.

Kommen wir zu Corona. Das Thema Home-Office haben wir uns schon vor Jahren angeschaut, als die Technologiewelle gekommen ist. Wir haben Modellberechnungen, verkehrliche Untersuchungen und empirische Studien erstellt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass durch das Home-Office kein Verkehr eingespart wird. Wenn jemand im Home-Office arbeitet, kann es passieren, dass das Auto nun zu Hause steht und von einer anderen Person m Haushalt benutzt wird. Wir wissen, dass die durchschnittliche tägliche Mobilitätszeit konstant bleibt, unabhängig davon, wo jemand wohnt und arbeitet, das heißt, es werden keine Wege eingespart, sondern es werden vielleicht planbare Öffi-Arbeitswege in unplanbare Freizeitwege umgewandelt, was nicht optimal ist. Man kann noch nicht genau sagen, was hier der Effekt ist. Meiner Meinung nach könnte es sein, dass das Home-Office einen negativen Effekt auf die Gesamt-CO2-Emissionen hat. Es könnte aber auch zum Beispiel die Spitzenstundenstaus verringern. Das Einzige, was man sagen kann, ist: Wenn wir die Strukturen nicht umbauen, die Verkehrsstrukturen, die legistischen und monetären Strukturen, dann wird sich keine Verhaltensänderung einstellen. Das geht nur sehr kurzfristig, wenn es Verbote gibt – zum Beispiel, als es den ersten Lockdown gegeben hat, da waren sehr starke Einsparungen in der Mobilität festzustellen. Mittlerweile sind die nicht mehr erkennbar, mittlerweile hat es sogar Verlagerungen hin zum Autoverkehr gegeben, weil die Leute im öffentlichen Verkehr Angst haben und weil es unangenehm ist, Masken zu tragen. Corona kann also sogar den Seiteneffekt haben, dass mehr Menschen mit dem Auto fahren. Aber langfristig betrachtet: Wenn sich bei den Strukturen nicht viel ändert, wird sich das alte Verhalten sehr, sehr schnell wieder einstellen. Ohne eine Strukturveränderung wird es keine Verhaltensänderung geben.

Gibt es noch irgendwas, das Sie uns mitgeben wollen, das Ihnen wichtig ist?

Mir ist wichtig, dass man anfängt, zielorientiert Gespräche zu führen. Dass man möglichst alle Menschen und Interessenvertreter einbindet, sich nicht auf eine Stadtstraße versteift, sondern schaut, was man machen muss, um die Ziele zu erreichen. Man soll konstruktiv miteinander arbeiteten und schauen, dass es für keine Gruppe einen Gesichtsverlust gibt, es geht hier um die Sache. Es geht um unsere Zukunft, es geht um unsere Lebensqualität und wir haben es jetzt in der Hand, das sinnvoll zu gestalten. Wir sollten uns nicht auf eine Stadtstraße versteifen, sondern sagen, reden wir darüber, gestalten wir was Gescheites.

Wäre das auch Ihr Wunsch an die Stadt Wien, wenn Sie sich was wünschen könnten?

Ja.

Vielen Dank!

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