Kein anderer religiöser Führer wird im Westen so popstargleich gefeiert wie der Dalai Lama. Seine Realpolitik sei aber keineswegs von Harmonie geprägt,sondern auch von Repression gegenüber seinen Kritikern. Das sagt der Journalist und Autor Gerald Lehner im Radiofabrik-Interview.
Lehner beschreibt in seinem Buch „Zwischen Hitler und Himalaya“ die Verstrickungen des österreichischen Bergsteigers und Abenteurers Heinrich Harrer in das Nationalsozialistische System. Harrer war sieben Jahre lang in Tibet und wurde zum Freund und Berater des jungen Dalai Lama. Ein Kapitel in dem Buch ist der Krise der tibetischen Politik gewidmet. Und darin wird insbesondere der Umgang seiner Heiligkeit mit seinen Kritikern beleuchtet. Die „Politik der tibetischen Exilregierung hat mit dem Verständnis von Demokratie so viel zu tun wie der chinesische Kommunismus”, schreibt Lehner. Im Radiofabrik-Interview stellt er seinen Standpunkt ausführlich dar.
Gönderi
Vielen Dank für das Interview. Mir ist das Sträuben gegen die kritiklose Anbetung und Verehrung des Dalai Lama sympathisch. Ich kann es verstehen und ich finde es gut, ihn und seine Ansichten zu hinterfragen. Was mir aber bei dem Interview aufstößt ist, dass Gerald Lehner, der ja recherchieren kann wie er bewies, sich (wie andere Medien auch) zu sehr von der Sicht der Shugden Leute hat vereinnahmen lassen. Shugden ist kein Heiliger und war es nie. Er wurde dazu hochstilisiert von Fanatikern, denen die “Reinheit” so wichtig ist, dass sie Shugden-Praktizierenden erklärten: wer auch nur die Schriften anderer Traditionen wie der Nyingma anfasse, wird von Shugden bestraft (mit dem Tod oder schweren Krankheiten). Das Dilemma des Dalai Lama, bringt Prof Paul Williams wie folgt auf den Punkt: »Der Dalai Lama versucht die politische Vision der Tibeter zu modernisieren und die Querelen zwischen den tibetischen Gruppen beizulegen. Er hat das Dilemma der Liberalen: Kann man die Intoleranten tolerieren?« Lehner übersieht völlig den engstirnigen, sektiererischen Hintergrund der Praxis und er übernimmt die falsche Propaganda der Shugden Leute, die Dalai Lamas seien in erster Linie Politiker. Das stimmt vorne und hinten nicht. Selbst der fünfte Dalai Lama hat eine Fälle einflussreicher spiritueller Abhandlungen hinterlassen. Was mich auch wundert, dass er keine Antwort zu Shugden von der Exilregierung erhalten haben will. Diese hat umfangreiches Material zur Verfügung gestellt – auch online. Aber selbst wenn es stimmt, es gibt mittlerweile ausreichend akademische Forschungen zu dem Thema und ich kann nicht verstehen, wieso hier die Recherche-Fähigkeiten von Gerlad Lehner blockiert sind. Die Treffen mit Nazis, wie Bruno Beger, stellen sich bei näherer Prüfung weniger spektakulär da, als man anfänglich annhemmen möchte. Was mir auch schwer verständlich ist, dass Lehner als Politikwissenschaftler die innertibetischen Macht-Kämpfe nicht sieht (die ja sehr heftig incl. Mord sein können) und dass dabei der Dalai Lama durchaus ein ausgleichendes Element ist–was ihn nicht von Fehlern frei sprechen soll. Mir ist das zu sehr ein Tunnelblick, was ich aus dem Interview heraushöre. Ich finde es aber bereichernd als eine freie Meinungsäußerung. Dass Gerald Lehner Morddrohungen erhielt tut mir sehr leid. Das ist völlig inakzeptabel.