Den Staat verweigern

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Menschen, die den eigenen Staat nicht mehr anerkennen möchten, sogenannte Staatsverweigerer*innen, untersucht Marlon Possard. Er ist Rechtsphilosoph und lehrt und forscht an der FH Campus Wien. Aylin Yilmaz sprach mit ihm über die Gründe, die Menschen dazu bewegt, komplett das Vertrauen in den Staat zu verlieren.

Staatsverweigerer*innen berufen sich darauf, dass es den bestehenden Rechtsstaat gar nicht gebe, und rufen dann selbst einen eigenen Staat aus. Reichsbürger*innen wollen zum Beispiel das deutsche Reich weiterführen. Rechtsextreme Tendenzen sind in der Staatsverweigung oft zu beobachten, genauso wie antisemitische Äußerungen. In Österreich ist dieses Phänomen vor allem seit 2014 mit dem „Staatenbund Österreich“ prominenter in Erscheinung getreten. Vertreter*innen wurden wegen Hochverrats angeklagt und verurteilt.

Possard nennt verschiedene Gründe, warum sich Menschen für dieses Thema begeistern lassen. Viele hätten Schulden und möchten so den staatlichen Organen entgehen, damit sie nicht mehr Strafen zahlen müssen. Es sind teilweise gescheiterte Lebensexistenzen, die dazu führen, dass Menschen nicht mehr Teil des Staates sein wollen. Einige würden auch nicht mit der Schnelllebigkeit der heutigen Zeit zurecht kommen. Auch gibt es die Meinung, dass man als Bürger*in kein Mitspracherecht mehr hätte in unserer Demokratie.

Staatenverweigerer*innen wollen teils selbst einen eigenen Staat neu formen. Possard wählt dafür den Begriff „staatlicher Plagiarismus“. Sie nehmen bestehende Strukturen des Staates und verwenden diese für die eigenen Zwecke. Personen beschäftigen sich mit bestehendem Recht und setzen neue Verfassungen auf. Sie hätten ein gutes Verständis und Wissen über Gesetze, so Possard. Diese Leute koppeln sich vom Rechtsstaat, der Demokratie ab und unterwerfen sich im Endeffekt einem viel autoritäreren System, das von zum Beispiel einer Präsidentin geführt wird. Dort hat dann sonst niemand ein Mitspracherecht.

Er ist der Meinung, dass der Staat sich mehr mit diesen Personen beschäftigen muss. Um diese Menschen zu erreichen und zu deradikalisieren bräuchte es ein gutes Ausstiegsprogramm. Dies fehle aber noch großteils in Österreich. Es gab schon tätliche Angriffe auf die Polizei und gerade mit den Corona-Maßnahmengegner*innen-Demos wurden sie noch auffälliger.Bei diesen Demonstrationen wurde mit rechtsextremen Personen gemeinsam protestiert.

Allgemein gibt es bei Gruppen, die den Staat verweigern, wie die Reichsbürger*innen zum Beispiel, oft antisemitische Überzeugungen. Sie glauben an Verschwörungsmythen, wie das es den deutschen Staat gar nicht gebe. Er wäre eine Firma, die BRD Gmbh, da er ja auch „Personal“ausweise ausstelle. Das wäre ein Indiz dafür, dass Personen nur Personal des Staates wären. Die deutsche Regierung würde von anderen „Mächten“ gelenkt werden. Es werden Behauptungen aufgestellt, dass im Hintergrund die jüdische Familie Rothschild ihre „Fäden zieht“. Menschen suchen in den digitalen Medien, auf YouTube Kanälen oder Blogs nach Antworten für globale Probleme, anstatt sich bei etablierten, seriösen Medien zu informieren. Dort finden sich dann diese großteils antisemitischen Verschwörungstheorien wieder.

Ein Umdenken von diesen Staatenverweigerer*innen entstehe oft dann erst, wenn sie im Gefängnis landen. Aber gerade dort kann man sich mit Gleichgesinnten wieder radikalisieren. Menschen müsse geholfen werden und auch medizinisch begleitet werden so Possard.

Da geht es um viele Elemente, auch der Psychologie. Die brauchen Hilfe. Da geht’s viel um verhaltenstherapeutische Ansätze. Weil wenn wirklich ein Mensch sagt: „Ich erkenne den Staat nicht an.“ Was tut man denn? Da muss man intensiv helfen und eingreifen. Oft geht es um eine Sinnsuche. Um die Suche nach Antworten in einer Zeit der Unsicherheit.

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