In den Alpen ist der Klimawandel längst spürbar: Übermäßiger Temperaturanstieg, extreme Wetterereignisse, tauender Permafrost, Gletscherschmelze und Felsstürze sind nur einige der sichtbaren Hotspots. Wo sonst Eis und Schnee glitzerte, liegt nun Schutt und Geröll. Bröckeln die Alpen ab? Welche Folgen ergeben sich für den Lebensraum der Tiere und Pflanzen in den alpinen Regionen? Auch für Bergsteiger und Wanderer ist besondere Vorsicht geboten, denn Steinschlag und Hangrutschungen stellen akute Gefahren dar.
Podnebne spremembe so v Alpah že dolgo opazne: prekomerna rast temperatur, ekstremni vremenski pojavi, taljenje permafrosta, taljenje ledenikov in skalni podori so le nekatere od perečih sprememb. Tam, kjer sta se nekoč bleščala led in sneg, so zdaj grušč in melišča. Ali Alpe propadajo? Kakšne so posledice za življenjski prostor živali in rastlin?
Die Natur wird sich zwar regenerieren, doch welche Konsequenzen ergeben sich für die Menschen? Es ist von entscheidender Bedeutung, das empfindliche Ökosystem der Alpen zu schützen und als einzigartiges Refugium zu bewahren!
Narava se bo obnovila, kakšne pa so posledice za ljudi? O izzivih in priložnostih za potrebne zaščitne ukrepe bosta govorila gorski klimatolog dr. Marc Olefs iz zvezne agencije Geosphere Austria in Barbara Pucker, direktorica narodnega parka Hohe Tauern — Visoke Ture.
Im heutigen Beitrag berichten der Gebirgsklimatologe Dr. Marc Olefs von Geosphere Austria und Mag. Barbara Pucker, Direktorin des Nationalparks Hohe Tauern, über die Herausforderungen und Chancen, die sich für notwendige Schutzmaßnahmen ergeben.
Herr Dr. Olefs, in unterschiedlichen Berichten ist zu hören und auch zu lesen, dass als Folge des Klimawandels „die Alpen abbröckeln“. Wie ist dazu Ihr Befund?
Ja, damit ist vor allem gemeint, dass im Zuge der langfristigen Klimaerwärmung, also des menschengemachten Klimawandels, die sogenannte Kryosphäre, also Schnee, Eis und Permafrost aufgrund der Temperaturerhöhung langfristig gesehen auftauen. Und das mitunter eben auch die Stabilität des Gesteins selber der Alpen beeinträchtigt.
Frau Mag. Pucker, bröckeln die Alpen wirklich ab?
Die Alpen bröckeln, das ist ganz sicher ein Faktum. Aber wir brauchen uns nicht zu fürchten, dass unsere Berge kleiner werden. Und das ist ein sehr spannender Zusammenhang. Das Abbröckeln ist eine erhebliche Gefahrenquelle, aber eben nicht für die Höhe der Berge. Für uns ist es eine Gefahrenquelle, für uns Menschen, auch für manche Tiere. Und für uns Menschen ist es, vor allem für uns Menschen, die wir die Berge begehen wollen und das ja schon seit ungefähr 200 Jahren tun, ist es natürlich eine große Gefahrenquelle, weil der Permafrost aufgegangen ist. Deshalb bröckeln sie ja.
Frau Pucker hat nun das Stichwort Permafrost genannt. Diese eisige Masse wird als „Klebstoff“ im Gebirge bezeichnet. Welche Wirkungen hat ein kontinuierliches Auftauen dieses Klebstoffs?
Also man kann sich so vorstellen, dass im Bereich des Permafrosts praktisch jede Felsritze, jede Falschfaltspalte kein flüssiges Wasser enthält, sondern eben gefrorenes Wasser, also Eis. Eis hat im Gegensatz zu Wasser einerseits eine viel höhere Schwerkraft, die es aushalten kann. Andererseits hat es aber auch eine geringere, 10% geringere Dichte als Wasser. Das heißt, es braucht mehr Platz, mehr Volumen. Wenn jetzt dieses Eis schmilzt, dann nimmt das Wasser deutlich weniger Platz weg und es bilden sich dann eben auch in diesen Rippen Hohlräume. Und diese beiden Tatsachen, also geringere Schwerkräfte, die ausgehalten werden und Hohlräume führen dann dazu, dass es eben zu einer geringeren Stabilität dieser Struktur der Alpen kommt und dass wir es eben einerseits mit vermehrtem Steinschlag zu tun haben, das kennen wir aus vielen Berichten von Alpinisten auch, wo andererseits eben auch größere Bereiche bis hin zu Bergstürzen, also große Felsmassen dann in Bewegung kommen können, weil eben hier die Stabilität jetzt infolge der Erwärmung geringer wird.
Welche Messmethoden werden eigentlich eingesetzt, damit man voraussehen kann, ob es beispielsweise Steinschlag oder größere Felsabstürze gibt?
Also eben zum Beispiel Steinschlag oder wenn größere Felsmassen in Bewegung geraten, das kann man jetzt mit verschiedenen Messmethoden erfassen. Einerseits mit Drohnen, wo hochgenaue dreidimensionale Bildaufnahmen gemacht werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten, zum Beispiel einmal vor und einmal nach einem solchen Steinschlag- oder Felssturzereignis.
Andererseits kann man es auch mit sogenannten aufnehmen und diese Methoden ermöglichen es dann nicht nur den genauen Zeitpunkt eben eines solchen Ereignisses zu dokumentieren und festzuhalten, sondern auch tatsächlich das Volumen und die Masse der herunterstützenden Steine und Felsen wirklich zu quantifizieren. Und wenn man so eine Zeitreihe eben über längere Zeit hinweg hat, dann kann man das auch in Verbindung bringen eben zum Beispiel mit der langfristigen Erwärmung.
Messmethoden als Vorsorgemaßnahmen wurden nun angesprochen. Frau Pucker, was meinen Sie, welche Auswirkungen ergeben sich in diesem Zusammenhang betreffend Felsabstürze, Klimawandel, Erwärmung und so weiter, eigentlich für die Fauna, also für die Tiere in den Alpenregionen?
Tiere sind ja viel massiver betroffen als wir, weil wenn wir Menschen in die Berge gehen, in diese Höhen, dann machen wir das meistens als Freizeitgestaltung und nicht, weil wir existenziell davon abhängig sind. Für die Tiere, die dort den Lebensraum hatten, seit vielen Jahrzehnten, wird es mitunter für manche Arten tatsächlich existenzbedrohend, weil viele Arten, die sich in den Alpen gut etabliert haben, keinen Lebensraum mehr finden, weil die Temperatur zu hoch ist.
Beispielsweise die Steinböcke, die wir ja in den Alpen wieder angesiedelt haben, die glücklicherweise in den letzten Jahrzehnten sich wunderbar fortpflanzen und wirklich etabliert haben, im wahrsten Sinn des Wortes, wird es zunehmend zu warm.
Der Rückgang der Gletscher in den Alpen, also die sogenannte Gletscherschmelze, wird immer wieder auch in den Medien als großes Problem genannt. Wie beurteilen Sie diese Situation?
Gletscherschmelze selbst tut uns Menschen weh, vor allem Menschen, die das aufgrund ihres Alters eben erlebt haben, wie schnell die Gletscher sich zurückbilden. Und die Gletscher sind jetzt jahrzehntelang natürlich prägend gewesen für unsere jeweils persönliche und individuelle Alpenwahrnehmung oder Bergwahrnehmung. Und unsere Enkelkinder werden wahrscheinlich keine Gletscher mehr sehen, weil beispielsweise die Pasterze (1) ist voriges Jahr mehr als 200 Meter, hat sie an Länge verloren. Und die aktuelle Messung haben wir natürlich noch nicht. Es ist der Sommer noch nicht ganz vorbei. Es war zwar jetzt ein Wintereinbruch, aber die Messung haben wir noch nicht. Aufgrund meiner persönlichen Wahrnehmung gehe ich davon aus, dass es heuer mindestens wieder 200 Meter sind, die die Pasterze an Länge verloren hat. Und wie wir ja alle, wenn man oben auf der Kaiser Franz Josefs Höhe steht, ganz plastisch sieht, hat die Pasterze in den letzten 40 Jahren, auch hunderte Meter an Mächtigkeit verloren.
Herr Dr. Olefs, ein Blick auf aktuelle Wetterereignisse der letzten Tage mit Starkregen in Österreich, aber nicht nur hier, sondern auch in vielen anderen Regionen in Europa, in Tschechien, Slowakei, Polen, Deutschland und so weiter. Diese Ereignisse haben sicherlich auch ihre Einrichtung Geosphere Austria vor größere Herausforderungen gestellt. Gibt es hier mit diesen Problemen irgendwelche Zusammenhänge, die herzustellen wären mit unserem Thema, nämlich Auswirkungen auf die Alpen?
Wir wissen eben ganz generell, dass im Zuge des menschengemachten Klimawandels extrem Regen intensiver wird. Das gilt sowohl für kleinräumige Unwetter, wie wir es aus dem letzten Sommer kennen, wie zum Beispiel die Teilzerstörung auch von der Arlbergstraße oder in Niederösterreich in Hollabrunn, hat es dort mehrere Tage kleinräumige Überflutung gegeben.
Also diese Kleinräumigen Ereignisse, die stehen in einem sehr, sehr engen Zusammenhang mit der langfristigen Erwärmung und werden eben häufiger und intensiver. Diese großräumigen Niederschlagsereignisse, also mit diesem derzeitigen extremen Niederschlagsereignis, das eben in Österreich jetzt das Bundesland Niederösterreich vor allem getroffen hat mit einer Niederschlagsumme von über 400 Litern pro Quadratmetern im Bereich von St. Pölten und den Türnitzer Alpen.
Das ist eines der extremsten Ereignisse bzw. dieser flächigen Ausdehnung, das extremste Ereignis, das wir seit Beginn der Wetteraufzeichnung in Österreich hier kennen, dieser flächigen Ausdehnung auch. Da hängt es schon auch mit dem Klima-wandel zu tun. Allerdings ist so ein großräumiges, stark niederschlagreiches Ereignis nicht direkt zum Klimawandel verursacht, aber der menschengemachte Klimawandel verschärft solche Ereignisse aufgrund der Tatsache, dass eben wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen können.
Das heißt, alle Luftmassen, die hier in dieser Niederschlagstellung beteiligt sind, egal ob es die mit der mediterranen feuchten Luftmassen sind oder die kalten polaren Luftmassen, die sind seit vorindustrieller Zeit allesamt über Europa um zwei bis drei Grad wärmer geworden, können somit um 15 bis 20 Prozent mehr Wasserdampf auf-nehmen.
Dazu haben sich die Meere deutlich aufgeheizt, also insbesondere das Mittelmeer, aber auch das Schwarze Meer ist ja seitdem um zwei bis drei Grad zu warm und auch hier kann es einen potenziell verschärfenden Effekt geben. Eine Detailstudie jetzt im Nachhinein muss dann zeigen, inwieweit diese verschiedenen Zutaten dann tatsächlich zu einer Verschärfung eines solchen flächigen Starkregenereignisses beigetragen haben.
Soweit ein Rückblick und eine Analyse zu den Starkregenereignissen in den letzten Tagen. Frau Mag. Pucker, als Nationalparkdirektorin kennen Sie die Alpenregionen bestens. Wir haben bereits unterschiedliche Auswirkungen, die sich durch die Klimaerwärmung ergeben, besprochen. Vielleicht einen abschließenden Gedanken zu Ihren bisherigen Erläuterungen.
Ich bin wirklich überzeugt davon, dass die Natur sich regenerieren wird, aber die große Frage ist, ob wir als Art, ob wir Menschen diesen extremen Temperaturanstieg, den wir selber in dieser Rasanz, wie er sich heute zeigt, ob wir das überleben werden. Das ist für mich persönlich die große Frage.
Dr. Olefs meni, da se bo ob podnebnih spremembah, ki jih je povzročil človek, dolgoročno odtajala t. i. kriosfera, tj. sneg, led in permafrost. To lahko vpliva tudi na stabilnost kamnin v Alpah.
Permafrost je ledena masa, ki deluje kot nekakšno lepilo v gorah. In kakšne učinke ima odmrzovanje permafrosta? Barbara Pucker razloži, da vsaka razpoka v skali vsebuje led in ne tekoče vode. Ko se ta led tali, voda zavzame veliko manj prostora in v teh rebrih nastanejo prazne votline. Te privedejo do manjše stabilnosti, kar povzroči padanje skal ter veča nevarnost plazov.
Sicer pa so podnebne spremembe bolj prizadele živali kot ljudi. Na primer za kozoroge, ki smo jih ponovno naselili v Alpe in ki so se odlično razmnožili, postaja v Alpah vse bolj pretoplo.
Kaj pa je vzrok za obilne padavine, ki smo jih te dni videli po velikem delu Evrope? Tako obsežnih in močnih padavin ne povzročajo neposredno podnebne spremembe, pravi Olefs. Vendar podnebne spremembe, ki jih povzroča človek, takšne dogodke še poslabšajo, saj lahko toplejši zrak absorbira več vodne pare in povzroči obilnejše padavine.
Barbara Pucker zaključi z mislijo, da se bo narava zagotovo obnovila, vendar je veliko vprašanje, ali bomo kot vrsta, ljudje, preživeli to ekstremno zvišanje temperatur.
(1) Die Pasterze ist mit etwa 8 km Länge der größte Gletscher Österreichs und der längste der Ostalpen.
Kurzbiografien:
Dr. Marc Olefs ist studierter Meteorologe und Geophysiker und seit 2018 Leiter des Departments Klima-Folgen-Forschung an der Geosphere Austria – Bundesanstalt für Geologie, Geophysik, Klimatologie und Meteorologie in Wien. Er ist ausgewiesener Fachexperte im Bereich Gebirgsklimatologie und globaler Klimawandel und Generalsekretär der österr. Gesellschaft für Meteorologie ÖGM.
Mag.a Barbara Pucker absolvierte ihr Jurastudium an der Universität Graz und trat im Jahr 1994 in den Dienst der Kärntner Landesverwaltung und leitete die Umweltbehörde. Seit 1. August 2022 führt sie als Nationalparkdirektorin den Nationalpark Hohe Tauern Kärnten und ist seit 2012 als Dozentin an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt engagiert.