Glosse von Rosalia Krenn über eine Betriebsrät_innenkonferenz zum BAGS-KV (Gesundheits- und Sozialbereich) – und wie wenig die Gewerkschaft sich um ihrer „Basis“ und die realen Bedingungen in diesem Bereich schert. Ein Beitrag pars pro toto über das Elend des ÖGB.
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Inhaltlich geht es um dasselbe wie in nachstehenden Text aus der Duckausgabe der akin, Nr.27/2013
Am 4. Dezember lud die GPAdjp die Betriebsrät_innen des Sozial- und Gesundheitsbereichs bundesweit zu einer sogenannten Konferenz ins Haus der Begegnung Wien XV ein. Bundesweit wurden Busse organisiert, die Gewerkschaft hatte massiv mobilisiert, schließlich haben sich über 600 Betriebsrät_innen an der Veranstaltung beteiligt. Die Gewerkschaftsspitzen und Kollektivvertragsverhandler_innen präsentierten ihre Forderungen für den neuen Jahresabschluß des BAGS-Kollektivvertrages, im Rahmenrecht soll unter anderem die volle Anrechnung der Elternkarenzzeit gefordert werden. In Bezug auf die Gehaltserhöhung wollte man sich noch nicht auf konkrete Zahlen festlegen. Etwa drei Stunden lang wurden wir Betriebsrät_innen von der Bühne herab mit Informationen und einer Diskussionsrunde konfrontiert, zwischendurch hörten wir immer wieder ein paar Lieder von einer Live-Band. Wir Betriebsrät_innen kamen nicht zu Wort, es wurde nicht mit uns diskutiert! Statt eine Debatte zuzulassen, wurde die Zeit lieber mit Musik gefüllt, Platz für Kritik oder inhaltliche Fragen war nicht vorgesehen.
Statt mit uns anwesenden Betriebsrät_innen über unsere Bedürfnisse und Sichtweisen zu diskutieren, wurden uns Ergebnisse einer Umfrage unter Betriebsrät_innen des Sozial- und Gesundheitswesens vorgetragen, anhand dieser Umfrage wurde uns Betriebsrät_innen erklärt, was uns wichtig ist. Darüber, was uns nach dieser Umfrage so wichtig sein soll, wurde aber kein direktes Gespräch mit uns gesucht. Wir waren Gäste einer knapp dreistündigen Bühnenshow mit Musikeinlagen.
Die Vortragenden machten uns darauf aufmerksam, dass es erforderlich werden könnte, begleitend zu den KV-Verhandlungen Protestmaßnahmen im öffentlichen Raum und in den Betrieben zu planen und durchzuführen. Genau dazu wären wir als Betriebsrät_innen gefragt. Die KV-Verhandler_innen erklärten uns ihre Forderungen, die mit uns nicht abgestimmt wurden, ließen sich dafür applaudieren, nannten Aktionsbeispiele der Vergangenheit und appellierten an uns aktiv zu werden, sollten sie es für sinnvoll erachten, die Verhandlungsrunden durch öffentliche und innerbetriebliche Aktivitäten zu unterstützen.
Für mich bedeutet das, dass mir die Gewerkschaftsfunktionär_innen ev. einen Zeitplan und Aktionsvorschläge unterbreiten werden und ich in dem Betrieb, in dem ich beschäftigt bin, meine Kolleg_innen motivieren soll, sich aktiv an Aktionen zu beteiligen, Über die Inhalte entscheide ich aber nicht mit und über Details der Verhandlungsrunden werde ich wohl auch nicht informiert werden. Die Gewerkschaftsspitze hat uns versammelt um uns darauf einzustimmen, wann und zu welchen Bedingungen wir Basisarbeit zu leisten hätten. Meine persönliche Vermutung ist, dass sich die Gewerkschafter_innen auf der Bühne keinen kritischen Auseinandersetzungen stellen wollten.
Wie die öffentliche Hand zwingen?
Als Betriebsrätin der Lebenshilfe Salzburg weiß ich aber auch nicht genau, warum ich für einen hervorragenden KV-Abschluß kämpfen soll, wenn der Kollektivvertrag vom Land Salzburg als Finanzierungsbasis nicht anerkannt wird. Private Sozialeinrichtungen, die von der öffentlichen Hand finanziert werden, müssen zwar laut Kollektivvertrag Gehälter und Löhne bezahlen, bekommen aber oft genug nicht die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt. In Salzburg argumentiert das Land damit, dass es den KV-Abschluß nicht mitverhandelt hat, dieser damit auch nicht als Finanzierungsbasis heranzuziehen ist.
Wenn die Kosten der Gehaltserhöhung von der öffentlichen Hand nicht gedeckt werden, hat dies schleichenden Personalabbau sowie geringe Einstiegsgehälter, die auch nicht rasend wachsen, zur Folge. Alleine in der Lebenshilfe Salzburg sind über 700 Mitarbeiter_innen betroffen, die zu miserablen Gehaltsbedingungen angestellt sind und werden, dazu kommt, dass ein großer Teil der Angestellten teilzeitbeschäftigt ist.
Die Gewerkschaft gibt mir keine Antwort auf die Frage, was sie zu tun gedenkt, um den Kollektivvertrag politisch bei den Entscheidungsträger_innen der Länder durchzusetzen. Diese Frage hätte nicht nur ich gerne auf dieser sogenannten Konferenz gestellt, die Gewerkschaftsspitzen aber haben sich lediglich von uns feiern lassen. Ich orte hier schon einen Zusammenhang mit einem grundsätzlichen Rollenkonflikt, wenn Gewerkschafter_innen in zweiter Funktion auch noch politische Ämter bekleiden.
Die Gewerkschaft kann die Betriebe dazu zwingen, nach Kollektivvertrag zu bezahlen, die Geschäftsführer_innen der Betriebe können aber die Länder nicht dazu zwingen, die finanziellen Mittel bereit zu stellen. Schlechte Arbeitsbedingungen, die geringstmögliche Bezahlung und Personalknappheit sind unter anderem auch die Folgen einer Gewerkschaftspolitik, die sich für KV-Verhandlungen und -Abschlüsse gerne feiern lässt, aber nicht bereit oder in der Lage ist, diese der öffentlichen Hand gegenüber durchzusetzen.
Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich an einer Betriebsrät_innenkonferenz teilgenommen, in der mit uns Betriebsrät_innen nicht geredet wird, jene Kolleg_innen, mit denen ich im Anschluß diskutiert habe, waren über die präsentierte Bühnenshow genauso enttäuscht und frustriert wie ich.
Rosalia Krenn