Glosserl von Mario Czerny, geschrieben für die akin, gelesen von Bernhard Redl
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Manuscript:
Wir sind alle anders
Irgendwie sind heutzutage alle «anders». Wenn man sich zum Beispiel
die Homepages der diversen kleinen Listen, die da zu AK- und OeH-Wahlen
antreten, ansieht, so ist das Lieblingsargument fast aller,
dass sie eben «anders» seien. Was das heisst, erfaehrt man nicht
wirklich. Ist ja auch wurscht, «anders» reicht voellig. Ist euch das
auch schon aufgefallen? Dieses «anders» liegt irgendwie jetzt sehr im
Trend. Frueher gab es das ja auch schon, aber heutzutage sind sie alle
«anders» — egal ob es sich jetzt wahlkaempfende Gruppierungen, «Die
Andere Zeitung», «das andere Magazin», den «anderen blog» eine
moegliche «andere Welt» oder um die «Gruenen
andersrum» handelt. Okay, bei den «Gruenen andersrum» ist klar, was
sie meinen, aber heutzutage erklaeren einem sogar schon irgendwelche
Spiessbuerger oder Nazis, sie seien «anders»! Zugegeben, ich bin ja
ganz froh, dass Letztere anders als ich sind — aber da gibt es immer
noch diese diversen Linken, die sagen, sie seien «anders». Und
glauben, das waere schon ein Inhalt. Warum sagen sie das? Weil sie
Angst haben, zu sagen, sie seien Linke, Kommunisten, Sozialisten,
Anarchisten?
Vor 30 Jahren kam das Wort «alternativ» auf — was auch nichts Anderes
als «anders» heisst. Damit war aber noch ein klarer Inhalt verbunden,
eine Kampfansage — meistens zumindest. Auch die Buchreihe «Anders
reisen» beispielsweise war etwas Anderes als der klassische Baedeker.
Aber heute, in der postmodernen Beliebigkeit, wo alle «anders» sind,
ist dieses «anders» fast schon ein Ausdruck von Konformitaet.
Nein, ich mag nicht «anders» sein. Ich bin lieber genau so, wie ich bin.