Sternenschlange

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Inhalt:

Ein gefangener Aztekenkrieger tanzt, bis er an die Reihe kommt, geopfert zu werden. Dabei erinnert er sich an die Geschichte des Aufstiegs der Azteken zur beherrschenden Macht von Mexiko.

Playlist:

Martin Auer — Sternenschlange — BY-NC-SA
Takanakuy — Dolor patriarcal — BY-NC-SA
Takanakuy — Beber — BY-NC-SA
Takanakuy — El Wayno de Bordeaux — BY-NC-SA
Takanakuy — Una copla me han cantando — BY-NC-SA
Takanakuy — El camino — BY-NC-SA
Kevin McLeod — Signation — BY

Text:
Sternenschlange
Hier bin ich. Ich tanze. In langer Reihe tanzen wir, geschmückt zu Ehren des Gottes. Bald werden wir bei Huitzilopochtli sein, bald werden wir die Sonne am Himmel begleiten. Wir waren Krieger, jetzt sind wir Gefangene. In langer Reihe tanzen wir, und vorne stehen die Opferpriester. In langer Reihe tanzen wir, und einer nach dem anderen sinkt dahin, als Opfer für die Götter. Bald werden sie auch mir das Messer aus schwarzem Stein in die Brust stoßen, mein Blut wird über den Opferstein fließen, und sie werden mein Herz herausschneiden. Mein Blut ist Nahrung für die Götter. Mein Blut ist Nahrung für Huitzilopochtli, die Sonne.

Ich tanze. Sie haben mir Pulque zu trinken gegeben, jetzt bin ich leicht und tanze. Erst war ich traurig, dass nicht ich es war, der einen Feind zum Gefangenen machte. Aber jetzt bin ich leicht: Durch mich wird die Erde gerettet werden, mein Opfer wird die Götter versöhnen, dass sie die Erde nicht vernichten. Ich werde aufsteigen zu Huitzilopochtli, ich werde ihn am Himmel begleiten. Und dann werde ich zu einem Kolibri werden, wie alle tapferen Krieger, die im Kampf gefallen sind, die im Kampf geopfert wurden, und werde von Blume zu Blume fliegen und immer fröhlich sein, solange die Erde besteht.

So war es immer, und so muss es sein.

Ich tanze, und immer näher komm ich zum Opferstein. Ich tanze, und während ich tanze, erinnere ich mich:

Ich wurde am Tag 1 des Ozelotmonats geboren, und so hat mir das Schicksal den Tod als Kriegsgefangener bestimmt. Als ich zur Welt kam, sagte die Hebamme zu mir: «Geliebter Sohn, wisse, dass dein Haus nicht dein Geburtshaus ist, denn du bist ein Krieger, du bist ein Quecholli-Vogel, und das Haus, in dem du zur Welt kamst, ist bloß ein Nest. Du bist dazu bestimmt, die Sonne mit dem Blut deiner Feinde zu laben und die Erde mit ihrem Leib zu ernähren.» So werden alle Knaben begrüßt. Wäre ich ein Mädchen gewesen, so hätte sie gesagt: «Du musst im Haus sein, wie das Herz im Leib. Du darfst das Haus nicht verlassen, du musst sein wie die Asche im Herd». Viele Reden wurden gehalten bei meiner Geburt, Verwandte und Freunde kamen, und der Wahrsager wurde nach meinem Schicksal befragt. Er legte den Tag meiner Taufe fest, und an diesem Tag wurde ich vielmal mit Wasser besprengt, und die Hebamme sagte die Worte: «Nimm und empfange, denn vom Wasser wirst du auf dieser Erde leben, vom Wasser wächst und grünst du; das Wasser schenkt uns, was uns not tut zum Leben.» Dann wählten sie den Namen Citlalcoatl für mich, das heißt Sternenschlange.

Acht Jahre lebte ich im Haus meines Vaters. Sobald ich laufen und sprechen konnte, musste ich schon Wasser und Holz holen und meinen Vater zum Markt begleiten. Später lernte ich fischen und segeln, meine Schwestern aber lernten spinnen und weben, fegten das Haus und mahlten den Mais auf dem Reibstein.

Mit acht Jahren brachte mein Vater mich in den Calmecac, in die Tempelschule, und nicht in die gewöhnliche Kriegerschule. «Höre mein Sohn», sagte er zu mir, «du wirst weder Ehre noch Achtung ernten. Du wirst vernachlässigt, verachtet und erniedrigt werden, Jeden Tag wirst du Agavendornen schneiden, um Buße zu tun. Du wirst dich mit den Dornen stechen müssen und dein Blut als Opfer geben, und Nachts wird man dich wecken, damit du im kalten Wasser badest. Stähle deinen Körper in der Kälte, und wenn die Fastenzeit kommt, so brich sie nicht und lasse dir beim Fasten und bei Bußübungen nichts anmerken.»

In der Tempelschule lernte ich ein Mann zu sein. Opfer und Selbstverleugnung wurde von uns verlangt. In der Nacht mussten wir im Gebirge den Göttern Weihrauch und unser Blut opfern. Bei Tag mussten wir auf den Feldern des Tempels hart arbeiten. Das kleinste Vergehen wurde streng bestraft. Manchmal weinte ich, und dachte, wie schwer es ist, ein Krieger zu sein und ein Mann. Doch mit der Zeit wurde ich stärker. Und ich verachtete die Knaben, die die gewöhnliche Kriegerschule besuchten. Die mussten Holz schlagen und die Wassergräben und Kanäle reinigen und auf dem Gemeindeland ackern. Aber bei Sonnenuntergang gingen sie alle ins Cuicacalco, das Haus des Gesangs und tanzten und sangen da bis Mitternacht und schliefen bei Mädchen, mit denen sie nicht verheiratet waren. Sie verkehrten nur mit Kriegern, deren Taten sie bewunderten und nachahmen wollten. Von den höheren Dingen, von Wissenschaft, Künsten und Götterverehrung hatten sie keine Ahnung.

Wir Schüler des Calmecac waren zu höheren Aufgaben bestimmt, wir konnten Priester oder Beamte werden. Selbstbeherrschung und Härte lernte ich in der Tempelschule. Aber auch mit Anstand reden und grüßen lernte ich, die Sitten, die am Hof des Kaisers herrschen, den richtigen Umgang mit Beamten und Richtern. Ich lernte auch die Sternenkunde und Traumdeutung, die Berechnung der Jahre und den Wahrsagekalender. Ich lernte, die Zeichen und Bilder für Zahlen und Namen zu malen, und die Schriften unserer Vorfahren zu entziffern. Und ich lernte die heiligen Gesänge unseres Volkes, die Lieder, mit denen die Götter geehrt werden, und die Lieder, die die Geschichte der Azteken erzählen. Denn ein großes und mächtiges Volk sind wir, und werden gefürchtet von allen Völkern der Erde.

Einst zogen wir aus von Aztlan, unserer ersten Heimat, nach der wir Azteken benannt sind. Die Sagen berichten, dass Aztlan vom Wasser umgeben war, und wir dort als Fischer gelebt hatten. Zu Anfang waren wir arm, wir kleideten uns in Felle und hatten nichts als Pfeile und Bogen und Wurfbretter für unsere Speere. Wir waren nicht besser als die Waldmenschen, die nördlich unseres Reiches leben.

Vier Priester waren unsere Anführer, die einen Schrein aus Schilf trugen. Darin war unser Gott, Huitzilopochtli, der zu ihnen sprach und ihnen sagte, was wir tun sollten. Nachdem wir Aztlan verlassen hatten, befahl uns unser Gott, wir sollten uns von nun an die «Mondleute» nennen, die Mexica.

Wenn wir einen günstigen Ort fanden, blieben wir vielleicht ein paar Jahre. Wir säten Mais, aber nicht immer blieben wir lange genug, um ihn auch zu ernten. Meistens nährten wir uns von der Jagd, von Hirschen und Rehen, Kaninchen Vögeln und Schlangen, und von dem, was auf der Erde wuchs.

Unser Gott aber versprach uns: «Wir werden uns niederlassen und sesshaft werden, und wir werden alle Völker der Welt erobern; und wahrhaftig, ich sage euch, ich will Euch zu Herren und Königen machen über alles auf dieser Welt; und ihr werdet herrschen und unzählige Lehensleute haben, die euch Tribut entrichten und euch zahllose und sehr kostbare Steine darbringen werden, dazu Gold, die Federn des Quetzalvogels, Smaragde, Korallen, Amethyste, und Ihr werden Euch damit schmücken. Ihr sollt auch vielerlei Federn haben und Kakao und Baumwolle in vielen Farben. Das alles werdet ihr erleben!»

Manche sagen, dass Huitzilopochtli nicht von Anfang an unser Gott gewesen ist. Unser Stamm bestand aus sieben Sippen, und jede Sippe beriet ihre Angelegenheiten unter sich und wählte sich ihren eigenen Anführer. Und so sagen sie, jede unserer sieben Sippen hätte ihren eigenen Gott gehabt. Doch Huitzilopochtli war der größte unter ihnen, der Gott der Sonne und des Krieges.

Wir kamen durch viele Länder, manche waren öd und nicht besiedelt, andere waren bewohnt, und wir mussten mit den Einwohnern kämpfen. An manchen Orten blieben wir länger und bauten unserem Gott einen Tempel. Aber immer trieb es uns weiter. Oft mussten wir unsere Alten zurücklassen, wenn wir weiterzogen. Manchmal trennten sich auch Gruppen von unserem Stamm und schlugen eine andere Richtung ein. Dafür stießen andere zu uns, Jäger, die noch nie in Dörfern gelebt hatten.

Endlich kamen wir in das schöne Land zwischen den Bergen, das heute unseren Namen, den Namen der Mexica trägt. Hoch über beiden Meeren liegt es, geschützt und umgeben von Bergen. Ewiger Frühling herrscht hier, nur selten gibt es hier Frost, und wenn es im Sommer heiß ist, so bleiben die Nächte doch kühl. Quellen in den Bergen versorgen das Land mit Wasser, und am Grunde des Tales liegen fünf kühle Seen, umgeben von Dörfern und Städten.

Hier war einst ein mächtiges Reich gewesen, das Reich von Tula, der Stadt des Gottes Quetzalcoatl. Doch Quetzalcoatl, der Gott der Künste und des Kalenders, hatte seine Stadt verlassen und das Reich war zerfallen. Die Dörfer und Städte an den Lagunen waren klein, und sie hatten keinen gemeinsamen Herrscher. Jedes Volk lebte für sich in seiner Stadt, mit eigenen Sitten und eigenen Göttern.

Wir fanden ein Heim an einer Stelle, die Heuschreckenhügel genannt wurde, Chapultepec. Dort wählten wir zum ersten Mal einen einzigen Anführer für den ganzen Stamm. Denn wir mussten zu oft Kriege führen mit unseren Nachbarn, und brauchten einen kriegserfahrenen Häuptling. Unsere Nachbarn sorgten sich, als wir uns niederließen und vermehrten, und sie fielen über uns her. Wir verteidigten uns gut, doch als sie zu stark wurden, vertrieben sie uns. Unser Anführer wurde gefangengenommen und geopfert, und wir mussten uns unseren Nachbarn unterwerfen.

Die Herrscher von Culhuacan wiesen uns einen Ort an zwei Stunden von ihrer Stadt, wo es von Schlangen wimmelte. Dort sollten wir leben, denn sie hatten Angst vor uns, und wollten uns nicht in ihrer Nähe haben. Doch wir fingen die Schlangen und brieten sie, denn wir waren von unserer langen Wanderschaft gewohnt, mit Widrigkeiten fertig zu werden, und darum nannten sie uns Schlangenfresser. Doch sie hatten Respekt vor uns, weil wir überlebt hatten, wo keiner sonst überleben konnte. So konnten wir bald mit ihnen Handel treiben, sie heirateten unsere Töchter und wir die ihren und wir wurden verwandt miteinander. Als sie Krieg hatten mit ihren Nachbarn, da riefen sie uns zu Hilfe, und wir machten uns Waffen und retteten sie. Doch als sie sahen, wie gute Krieger wir waren, da bekamen sie Angst vor uns und dankten uns nicht. Da führten wir Krieg mit ihnen.

Wir mussten fliehen, und kamen nach Acatzintlan. Dort machten wir uns Flöße aus unseren Schildern und Speeren und fuhren über das Wasser auf eine kleine Insel im See.

Da erschien Huitzilopochtli einem seiner Priester, und sagte ihm, wir sollten einen Feigenkaktus suchen, auf dem ein Adler sitzen würde. Dieser Platz sollte «Ort der Kaktusfrucht» heißen, Tenochtitlan, und dort sollten wir eine Stadt gründen. Wir suchten, und fanden den Adler auf dem Kaktus sitzen, und er verspeiste eine rote Kaktusfrucht, wie die Sonne die Herzen der Krieger verspeist. Da stachen wir Rasenstücke aus dem Boden, und schichteten sie zu einem Hügel auf dem wir Huitzilopochtli ein Gebetshaus aus Schilf errichteten.

«Hier», so sagte Huitzilopochtli zu uns, «hier werden wir uns zu Herren über alle Völker machen, über ihren Besitz, über ihre Söhne und Töchter. Hier werden sie uns dienen und Tribut zahlen; an diesem Ort wird die berühmte Stadt aufgebaut, die bestimmt ist, Königin und Herrin über alle anderen zu werden — wo wir eines Tages alle Könige und Fürsten empfangen werden, die kommen müssen, um der mächtigsten Stadt zu huldigen.

So waren wir wieder an einem Ort, der von Wasser umgeben war, wie unsere alte Heimat Aztlan.

Wie wir es von alters her gewohnt waren, teilten wir die Stadt in die heilige Zahl vier. Vier Viertel hatte die Stadt, und jedes Viertel war in Unterbezirke geteilt, die Calpulli hießen. Jeder Calpulli gehörte einer Sippe und hatte seinen eigenen Tempel für den Sippengott. Das Land gehörte der ganzen Sippe, und den einzelnen Familien wurde es nur geliehen.

Vögel und Fische gab es hier im Überfluss. Doch da das Land beschränkt war, legten wir Gärten im Wasser an. Wir flochten Wände aus Schilf, und schichteten zwischen diesen Wänden Wasserpflanzen und Schlamm auf, bis sie aus dem Wasser ragten. Dann konnten wir Bohnen und Mais darauf pflanzen.

Nach einigen Jahren kam es zum Streit, und ein Teil des Stammes zog aus, und gründete Tlatelolco auf einer nahen Insel.

So lebten wir zwischen Schilf und Binsen auf unserer Insel, und hatten weder Holz noch Steine. Seit unserem Auszug aus Aztlan waren zweihundert Jahre vergangen.

Wir unterwarfen uns niemand, denn unsere Stadt lag an der Grenze dreier Gebiete, der Tepaneken, der Acolhua und der Leute von Culhuacan, die alle rund um den See siedelten. Wir gingen auf ihre Märkte und handelten mit ihnen. Wir brachten ihnen Fische, Frösche und andere Wassertiere, und sie gaben uns Holz und Steine für unsere Häuser und Tempel.

Als unser Anführer und Oberpriester Tenoch starb, baten wir den Herrscher von Culhuacan, uns einen Herrn zu geben. Denn die Mexica waren verachtet und unbedeutend, und wir dachten, es würde unser Ansehen heben, den Sohn eines großen Fürsten zum Herrn zu haben. Wir baten ihn, uns Acamapichtli zum Herrn zu geben, der der Sohn eines Mexikaners und einer Culhua-Prinzessin war. Er war aber auch mit den Acolhua verwandt. Tlatelolco aber wählte sich einen Sohn des Tepanekenhäuptlings zum Herrn, sodass wir mit allen Staaten rund um den See verwandtschaftliche Beziehungen hatten. Acamapichtli regierte friedlich, er ließ Häuser, Wassergärten und Kanäle bauen.

Von allen Völkern rund um den See waren die Tepaneken die mächtigsten. Sie führten Krieg gegen andere Städte, und wenn sie sie besiegt hatten, verlangten sie Tribut von ihnen. Als sie immer mächtiger wurden, mussten auch wir ihnen Tribut zahlen und mit ihnen in den Krieg ziehen, wenn sie es verlangten.

Als unser Herrscher Acamapichtli starb, wählten unsere Führer seinen Sohn Huitzilihuitl, Kolibrifeder, zum Nachfolger, und der heiratete eine Enkelin des Tepanekenherrschers. So wurde unsere Lage besser, und die Tepaneken mussten uns achten. Huitzilihuitl führte Krieg mit den südlichen Ländern, wo es Baumwolle im Überfluss gab. So bekamen die Mexica die ersten Baumwollkleider, denn bisher hatten sie nur grobe Stoffe aus den Fasern der Agave gekannt. Dann eroberte er Cuauhtinchan, Chalco, Otumba, Tulancingo und noch andere Städte. Er begann den Krieg gegen Texcoco.

Sein Sohn war Chimalpopoca, der nach ihm zum Herrscher gewählt wurde. Er beendete den Krieg gegen Texcoco und eroberte die Stadt. Der Tepanekenherrscher übergab die Stadt den Mexica und sie mussten uns Tribut zahlen. Aber noch immer mussten auch wir Tribut an die Tepaneken bezahlen.

Doch als der Herrscher der Tepaneken starb, wollten wir nicht mehr Untertanen sein. Unsere Stadt war größer geworden, und wir lebten nicht länger in Hütten, sondern bauten uns Häuser aus Stein. Wir wollten nicht länger den Tepaneken dienen. Freilich, die kleinen Leute, die Bauern, fürchteten sich vor dem Krieg. Denn sie hatten die Macht der Tepaneken kennengelernt. Da sagten die Oberen — das waren die Verwandten des Herrschers, die Priester und die Anführer der Krieger -: «Wenn wir mit diesem Krieg keinen Erfolg haben, so geben wir uns in euere Hände. Ihr könnt euch dann an uns rächen und uns in schmutzigen Käfigen verkommen lassen.» Darauf antwortete das Volk: «Und wir versprechen, euch zu dienen und für euch zu arbeiten, eure Häuser zu bauen und euch als unsere wahren Herren anzuerkennen, solltet ihr diesen Krieg gewinnen».

So verbündeten wir uns mit denen von Texcoco, mit denen wir früher Krieg geführt hatten, und kämpften gegen die Tepaneken. Hundertvierzehn Tage belagerten wir ihre Stadt. Dann eroberten wir sie. Ihr Herrscher Maxtla wurde geopfert und sein Herz herausgeschnitten. Dann wurde er begraben, wie es einem Herrscher  gebührt.

Nun hatten die Mexica viel Land erbeutet. Dieses Land wurde nun verteilt. Und entsprechend der Abmachung zwischen den Oberen und dem Volk, bekamen der Herrscher und die Oberen den größten Anteil vom Land, die Sippenverbände aber bekamen ganz wenig, nur soviel, dass sie ihre Tempel erhalten konnten. Manche sagen aber, diese Abmachung zwischen dem Volk und den Oberen hätte es nie gegeben, und die Oberen hätten sie nur erfunden.  Das Volk sagte, das sei ungerecht, und früher hätte aller Boden dem ganzen Stamm gehört, und alle hätten das gleiche Recht gehabt. Aber konnten sie sich wehren? Die Krieger hatten den Krieg gewonnen und das Reich vergrößert. Und wer sollte im Lande mächtig sein? Die Bauern, die ein bisschen Mais aus der Erde ziehen? Oder die Krieger, die das Reich vergrößern, und andere Völker tributpflichtig machen, und die dafür sorgen, dass immer Gefangene da sind, um bei den Festen geopfert zu werden, damit die Götter uns nicht zürnen und nicht die Welt vernichten?

Als wir noch herumzogen und arm und verachtet waren, da waren wir alle gleich gewesen, das stimmt. Jeder war Krieger und Bauer und zugleich. Aber wie soll man Kriege führen und Städte erobern, wenn alle durcheinander reden und jeder ein Ratgeber sein will? Und sollen die Priester, die Richter, die Beamten etwa auch den Boden aufhacken? Wie sollen sie da ihr Amt ausüben?

Nein, es ist eine gerechte Ordnung: jeder junge Mann nimmt am Kriegsdienst teil. Wenn der Knabe zehn Jahre alt ist, schneidet man ihm die Haare vom Kopf, und nur hinten am Nacken bleibt ein Schopf stehen. Wer zum ersten mal einen Gefangenen macht, und wenn es auch mit Hilfe von einigen Kameraden ist, der darf den Schopf abschneiden. Er ist ein Iyac. Aber erst, wer allein vier feindliche Krieger gefangengenommen hat, der wird ein Tequia. Und stehen einem Tequia nicht alle Ämter und Ehren offen? Ein Tequia bekommt einen Teil der Steuern, die der Herrscher einhebt, er darf Federn und lederne Armreifen tragen, er kann ein Jaguar-Ritter oder ein Adler-Ritter werden. Ein Tequia kann vom Kaiser für hohe Ämter ausgewählt werden. Aber wer es nicht schafft, nach ein oder zwei Feldzügen ein Tequia zu werden, der muss auf den Acker. Er muss Steuern zahlen und wird für die öffentlichen Arbeiten herangezogen, er muss die Straßen reinigen oder die Dämme reparieren, und muss auf den Äckern der hohen Beamten arbeiten. Er darf keine Baumwollgewänder und keinen Schmuck tragen. Ist das nicht gerecht?

Wer sich aber auszeichnet als Krieger und als Beamter, der wird beschenkt mit Kleidung, Schmuck und Land. Die anderen müssen für ihn arbeiten und seine Speicher mit Mais füllen.

Wir sind ein großes und ein reiches Volk geworden. Auf dem Markt gibt es Mais, Gemüse, Geflügel, Frauen kochen auf kleinen Feuern vielerlei Gerichte, die man von ihnen kaufen kann, Händler bieten Stoffe, Schuhwerk, Getränke, Felle, Geschirr, Seile, Pfeifen und allerhand Werkzeuge an. Die Fischer bringen Fische, Schnecken und Krebse vom See in die Stadt. Unsere Kaufleute bringen aus den fernsten Gebieten grüne Jade und Smaragde, Schildkrötenpanzer und Jaguarfelle, Bernstein und Papageienfedern. Die Städte, die wir erobert haben, liefern uns als Tribut jedes Jahr 52.000 Tonnen Lebensmittel, endlos sind die Kolonnen der Träger. 123.000 Baumwollgewänder müssen die Tributpflichtigen liefern, 33.000 Bündel Federn. Die Provinz Yoaltepec schickt uns jährlich vierzig Goldreifen von Fingerdicke, Tlachquiauco muss zwanzig Kürbisflaschen Goldstaub abliefern. Aus Xilotepec kommen jedes Jahr 16.000 Frauenkleider, 16.000 Männerkleider, zwei Kriegertrachten mit Schild und Kopfschmuck und vier lebendige Adler. Aus Tochpan kommt Pfeffer, aus Tochtepec kommt Gummi und Kakao. Die Provinzen liefern uns Mais, Getreide, Kakao, Honig, Salz, Pfeffer, Tabak, Möbel und Geschirr. Sie müssen Gold von der Südküste herbeischleppen, Türkis und Jade von der Ostküste. Huaxtepec liefert Papier, Cihuautlán Muscheln.

Haben wir nicht viele Städte zusammengeschlossen zu einem großen Reich? Unsere Steinschneider, die aus den Edelsteinen den Schmuck machen, stammen sie nicht aus Xochimilco? Und die Federflechter, die den herrlichen Kopfschmuck erzeugen, sind sie nicht aus Amantlan? Haben wir sie nicht besiegt und ihr Haus in Flammen aufgehen lassen? Aus dem fernen Süden aber stammen die Goldschmiede.

Unser Kaiser Moctezuma ist in seinem Palast von 3000 Hofbediensteten umgeben, nicht zu reden von all seinen Adlern, Schlangen und Jaguaren, die jeden Tag 500 Truthähne fressen. Im Monat Uey tecuihuitl, wenn die Armen ihre Vorräte verzehrt haben, öffnet der Kaiser seine Speicher und lässt Speise und Trank unter das Volk verteilen. 700.000 Menschen leben in der Stadt Mexico-Tenochtitlan, wir haben die Inseln befestigt, Dämme ins Wasser gebaut, Brücken über die Kanäle gelegt, Tempel und Paläste haben wir erbaut, einen Aquädukt, der Trinkwasser von Chapultepec in die Hauptstadt bringt. Wenn der Kaiser einen Tempel bauen lässt, liefern die Städte ihm Steine und Kalk. Tausende Arbeiter muss der Kaiser ernähren, die den Göttern den Tempel errichten. Gärten und Bäder haben unsere Kaiser errichten lassen, und Tiere und Pflanzen aus dem ganzen Reich hier versammelt. Wenn der Kaiser ein Fest feiert, lädt er die Herrscher der feindlichen Städte ein, und beschenkt sie mit Schmuck und reichen Kleidern. Wer ist so reich, so mächtig wie wir, die Mexica? Als unser Kaiser Ahuitzotl den Aufstand der Huaxteken niederschlug, da dauerten die Feiern viele Wochen. Allein die Opferung der Gefangenen dauerte vier Tage! Kein Volk ist größer, kein Volk ist stärker als das unsere!

Aber:

Wie sie sagen, wohnen wir hier nicht,
noch sind wir gekommen, um hier zu verweilen.
Oh, ich muss die schönen Blumen lassen,
Ich muss hinunter auf der Suche nach dem Jenseits.
Oh, für einen Augenblick wurde mein Herz müde:
die schönen Lieder
sind uns nur geliehen.

Die Götter brauchen Opfer. wir müssen die Götter mit Opfern ernähren, damit sie die Welt nicht vernichten. Ich tanze. Die Trommeln schlagen, die Flöten klagen, ich tanze. Immer schneller, tanze ich, immer wilder. Bald werde ich bei Huitzilopochtli sein. Nein, ich selbst bin Huitzilopochtli, trage ich nicht sein Gewand, bin ich nicht gekleidet wie er? Hier steht der Priester mit dem Messer aus schwarzem Stein. Nun bin ich an der Reihe.

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