FROzine 11. Juni 2014 – Betteldebatte in OÖ

Podcast
FROzine
  • FROzine11062014
    51:19
audio
23:15 min.
Maßnahmen für ein gewaltfreies Leben
audio
26:35 min.
Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen
audio
15:22 min.
Trans Day of Remembrance in Linz
audio
50:00 min.
Weltempfänger: Hochwasser in Spanien
audio
32:31 min.
Rundgang zu Arbeitslosigkeit in Linz
audio
57:12 min.
Wo bleibt die Solidarität in der Klimakrise?
audio
50:00 min.
Kindergesundheit in Österreich
audio
57:59 min.
Caritas feiert Inklusion
audio
50:00 min.
Probleme der Lichtverschmutzung
audio
43:14 min.
Ausblicke für Frauen in Haft

Betteldebatte in OÖ

Betteln polarisiert. Und wenn richtig Stimmung gemacht wird, dann rückt die tatsächliche Relevanz einer Sache schon mal in den Hintergrund. So herrscht in Stellungnahmen und Aussendungen von Organisationen beispielsweise Einigkeit darüber, dass es sich bei dieser heiß-geführten Debatte um eine Hetzkampagne eines kleinformatigen Boulevardblattes – so mitunter die Formulierung, handelt.
Die Sendung versucht einen Überblick zu verschaffen.

Mehr Punks – weniger Business – fordert Sarah Praschak in ihrem Kommentar zur Debatte um das “Bettelverbot” und kritisiert das Verkommen der Linzer Landstrasse zur Linzer Einkaufstrasse.

 

Soziales Phänomen Betteln’ – Hintergründe zur Situation der ‘Betroffenen’ und zur momentanen Gesetzeslage

‚Soziales Phänomen Betteln‘ – Hintergründe zur Situation der ‚Betroffenen‘ und zur momentanen Gesetzeslage

„[Jegliches Betteln] an öffentlichen Orten ausnahmslos zu verbieten, ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig.“ „Von der bloßen Anwesenheit einzelner Menschen an öffentlichen Orten, die um finanzielle Unterstützung werben“, kann keine „Störung der öffentlichen Ordnung“ ausgehen. „Derartige kommunikative Verhaltensweisen“, (selbst wenn sie primär aus finanziellen Antrieben erfolgen), sind grundsätzlich geschützt „durch Artikel 10 der Europäischen Menschenrechts-Konvention (EMRK)“, also durch die Freiheit der Meinungsäußerung. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn „derartige Mitteilungen als belästigend, ja unter Umständen auch als störend oder schockierend empfunden werden“. ( Zitate aus Urteilstext, vgl z.B.: www.vfgh.gv.at )

In diesem Sinne urteilte der (österreichischen) Verfassungs-Gerichtshofs im Juni 2012, womit die Verfassungswidrigkeit ausnahmsloser Bettel-Verbote festgestellt wurde.

Für das Erlassen von Bettel-Verboten sind in Österreich die einzelnen Bundesländer zuständig. Infolge des Verfassungsgerichts-Urteils wurden die damals geltenden absolute Bettelverbote in Salzburg und der Steiermark aufgehoben. Die Gesetze in Oberösterreich, Kärnten und Wien wurden hingegen als verfassungskonform angesehen, da es sich um keine absoluten Verbote handelt, das sogenannte ‘stille Betteln’ dort also auch weiterhin erlaubt ist. Einzelne Erscheinungsformen zu verbieten, etwa ‘aggressives Betteln’, ‘organisiertes Betteln’ oder das ‘Betteln mit Kindern’, ist demzufolge verfassungskonform.

Das oberösterreichische Gesetz wurde allerdings vom Verfassungs-Gerichtshof explizit für die „sprachlich durchaus missglückten Formulierungen“ kritisiert. „So hat der VfGH festgestellt, dass die Formulierung “in welcher Form auch immer” wie sie im §1a (2) und §1a (3) OÖ PolStG (Polizei-Strafgesetz) enthalten ist, nur die verschiedenen Varianten von Bettelei im Sinne des §1 (1) OÖ PolStG (aggressiv, etc.) erfasst und nicht sämtliche Formen des Bettelns – wie das der Wortlaut durchaus zulassen würde.” ( Zitat übernommen von: www.ots.at )

Inzwischen haben mit Ausnahme des Burgenlands alle österreichischen Bundesländer das sogenannte ‘aggressive’ oder ‘aufdringliche Betteln’ verboten. Und mancherorts wird bereits daran gearbeitet, eine Ausnahme-Regelung des Verfassungsurteils dahingehend auszulegen, bzw. zu missbrauchen, dass am Ende doch wieder ein absolutes Verbot stehen kann. Hintergrund ist dabei die Regelung, dass in Einzelfällen an bestimmten Orten ein absolutes Bettelverbot gerechtfertigt sein kann, etwa wenn ein hohe Anzahl an Bettlern andere Personen an der Nutzung öffentlicher Orte hindert. Auf diesem Wege wird derzeit beispielsweise in Salzburg und Innsbruck versucht, das zuvor vom Verfassungsgericht aufgehobene absolute Bettelverbot zumindest für die Innenstädte wiederherzustellen.

Aber auch in Linz fordern zahlreiche Stimmen eine Verschärfung der bereits geltenden Bettel-Verbote. So befürwortet z.B. Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) „eine Änderung des oberösterreichischen Polizeistrafgesetzes, um der Polizei mehr Handhabe gegen die ‘organisierte Bettelei’ zu geben. Angestrebt werden soll eine Regelung wie in Wien: Dort darf nur betteln, wer auch seinen Hauptwohnsitz in Wien ha[t]“. Und die Landes-ÖVP OÖ schlägt wiederum vor, „die Kriterien für sogenannte ‘gewerbsmäßige Bettelei’ zu verschärfen: Ein Indiz solle z.B. sein, ob jemand einen längeren Anreiseweg in Kauf nimmt, um zu betteln.“ ( Zitate vgl. http://ooe.orf.at vom 24.05.2014 )

Im Gegensatz zu dieser Tendenz, immer schärfere Gesetze zu fordern, plädiert beispielsweise der Verein ‘Runder Tisch Menschenrechte’ (in Salzburg) dafür, sich statt dessen für mehr Sachlichkeit in der Diskussion und mehr Aufklärung innerhalb der Bevölkerung einzusetzen. Nach einer Studie, die der Sozialforscher Dr. Heinz Schoibl im Auftrag des Vereins durchführte, erweist sich z.B. die verbreitete Vorstellung einer existierenden ‘Bettel-Mafia’ weitgehend als Mythos: „Für die häufig kolportierte und in den Medien vorgestellte Behauptung, dass das erbettelte Geld gar nicht den BettlerInnen zugutekommt, sondern von ‚Hintermännern‘ regelmäßig abkassiert wird, konnten in den Interviews [der Studie] keinerlei Hinweise gefunden werden.“

Zu beobachten seien lediglich gewisse Organisationsformen, etwa Reisegemeinschaften von Familienmitgliedern und deren Bekannten, die aus Kostengründen gemeinsam einen PKW für die Anreise nutzen. Auch wenn derartige Strukturen als ‘organisiert’ bezeichnet werden können, haben sie mit organisierter Kriminalität, Menschenhandel oder ‘mafiaähnlicher Organisation’ offensichtlich nichts zu tun. ( Zitat vgl.: www.hinschauen-statt-verurteilen.at )

Für eine vollständige Abschaffung jeglicher Bettelverbote spricht sich nach wie vor die ‘Bettellobby OÖ’ aus: „Soziale Probleme können nicht durch die Kriminalisierung von armen Menschen gelöst werden. Es gilt die Armut zu bekämpfen und nicht die Armen! Sollte es im Zusammenhang mit dem Betteln zu Nötigung oder Menschenhandel kommen, gibt es dafür [ohnehin] entsprechende Gesetze im Strafrecht.“ (Zitat vgl.: www.bettellobby.at )

Zahlreiche der erwähnten Aspekte sowie weitere Fragen zum Thema ‘Betteln’ wurden zuletzt auch im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Pressezentrum des Alten Rathaus in Linz diskutiert, (veranstaltet von den ‘Grünen Linz’ in Kooperation mit der ‘Bettellobby OÖ’ und den ‘OÖ. Nachrichten’). Auf dem Podium diskutierte Moderator Erhard Gstöttner (von den OÖ-Nachrichten) mit den Gäste: Heinz Schoibl, Sozialforscher und Autor der bereits erwähnten Studie, Alexandra Riegler-Klinger von der ‘Caritas Linz’, Karl Pogutter, Stadtpolizei-Kommandant von Linz, sowie mit Maria Buchmayr, der Landessprecherin der Grünen OÖ. Im folgenden hören Sie ausgewählte Passagen der Veranstaltung – über verschiedene Hintergründe des sozialen Phänomens ‘Betteln’ und die Situation der Betroffenen, sowie über die aktuelle Gesetzgebung und denkbare alternative Maßnahmen.

musik Anitek – ‘Raining Rome‘ (album: Anitek Instrumentals Vol. 8)
Ein Beitrag von Christoph Scruar für das Planetarium auf Freies Radio Freistadt.
Zusätzliche Quellen dieser Sendung:
Die cc-Musik in der Sendung stammt von Anitek – Raining Rome, Fin, A man and his Hound und Blake Teres – Be cool
Durch die Sendung führt Sandra Hochholzer

Lascia un commento