bei der pegidademo in wien wurde der rütlischwur gezeigt – oder wars doch der kühnengruß?
grüssen ist komplizier geworden, meint mario czerny. es liest bernhard redl
akin 10/2015
Schöner grüßen
„Tu schön grüßen!“ hat mir meine Großmutter immer gepredigt. Ich kam mir als schon damals recht mundfauler Mensch ziemlich genötigt vor. Und gefühlte tausend Mal hörte ich dann auch noch die Geschichte meiner Großmutter, daß sie kurz nach dem „Hitler-Einmarsch“ einmal mit „Grüß Gott“ gegrüßt hätte und sich dann dafür gerechtfertigt hätte, dies sei ja „auch ein deutscher Gruß!“ Damit wollte meine Oma verzweifelt belegen, daß sie keine Nazi gewesen sei – allerdings hatte sie das Pech, daß ein Volksschüler der 70er diese Geschichte einfach nicht verstand, weil er noch nicht wußte, was denn „ein deutscher Gruß“ sein soll.
Vom Umgehen des deutschen Grusses berichtete auch Ernst Jünger in seinen Memoiren. Laut seiner Darstellung sollen Leipziger Arbeiter, denen die Hitler-Heilung so gar nicht über die Lippen wollte, „Drei Liter“ gebellt haben, in der berechtigten Hoffnung, daß das im allgemeinen Gebrüll der Zeit richtig mißverstanden werde. Allerdings macht diese Geschichte die Bestellung von „drei Bier“ durch H.C. Strache auch nicht glaubwürdiger.
Überhaupt: Dieser Drei-Finger-Gruß (nein, liebe Nerds, hier ist nicht die letzte Hoffnung gemeint, sich aufgehängt habende Windowse mit Ctrl-Alt-Del retten zu wollen) ist ja sehr beliebt und äußerst mißverständlich. Bei der PEGIDA-Kundgebung am Sonntag konnte man ihn ja zig-fach sehen. Aber das war natürlich nicht der Kühnengruß. Iwo, ein Schweizer Gastredner hatte mit den Worten „Den lassen wir uns nicht nehmen“ das Publikum zum Zeigen der Rütli-Schwurhand aufgefordert. Ob dieses Publikum wohl wußte, daß das nicht nur identisch ist mit dem Kühnen-Gruß sondern auch mit dem Gruß nationalistischer Serben? H.C. Strache hätte damit wohl keine Probleme, aber wie sieht das bei den PEGIDA-Fans aus? Witzigerweise wäre aber ausgerechnet der Serbengruß viel passender zur PEGIDA als der Rütlischwur. Denn während sich dieser gegen die Habsburger richtete, enstand jener – so der Mythos – als christlicher Protest (Dreifaltigkeit und so) gegen die Herrschaft des Osmanischen Reiches. Aber ob diese Info bis zu den Neo-Kreuzrittern durchgedrungen ist?
Die Polizei hingegen ist der Meinung, der Kühnengruß sei „eine Ordnungswidrigkeit“ – quasi eine österreichische Lösung: Als legal wollen wir das nicht sehen, aber das Verbotsgesetz wollen wir auch nicht anwenden. Aber nachdem das ja eben nicht der Kühnengruß, sondern der Rütlischwur war, gabs dann doch keinen Grund zum Einschreiten.
Jetzt warten wir nur noch darauf, daß bei einer Kundgebung der „Grauen Wölfe“ statt deren Wolfsgruß der genauso aussehende, aber bei Pädagogen so beliebte „Leisefuchs“ gezeigt wird…
Bei der PEGIDA-Demo gab es dann aber doch den „Deutschen Gruß“ in seiner unverfälschten Fassung – und siehe da, er wurde von der Polizei geahndet. Allerdings auf Polizistenart – man beschränkte sich auf zwei Nazis mit Armkrampf. Der Rest der Anzeigen liest sich dann bei der Polizei so: „Sechs Personen wurden wegen Verstoß gegen das Verbotsgesetz angezeigt, wobei vier Personen offensichtlich nicht Teil der PEGIDA-Bewegung waren, sondern als Provokateure auftraten.“ Je nu, in Wirklichkeit waren das Leute von der Partei „DIE PARTEI“, deren Jugendgruß – ohne irgendein Gewachel – „Hi Hintner“ lautet und eine PARTEI-typische Persiflage ist. Aber mit derlei hat es halt die Wiener Polizei nicht so.
Früher war alles viel einfacher: Bürgerlich wurden Hände geschüttelt, Nazis streckten die flache Hand aus und Kommunisten ballten die Faust. Aber heute? Heute ist es richtig kompliziert geworden, schön zu grüßen. Da bleibt einem nur mehr der Varoufakis-Gruß. Der ist vielleicht nicht unbedingt schön, aber wenigstens eindeutig und im Fingergebrauch sparsam.
Mario Czerny