akin-Glosse: Antifaschismus nach Bildungsbürgerart

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Ist es wirklich eine so tolle Idee, auf der in der FPÖ so häufig vorkommenden Rechtschreibschwäche herumzureiten? Gedanken von Bernhard Redl.

*

Manuskript (mit ganz vielen Rechtschreib-, Grammatik und Tippfehlern):

“Deutsche Sprache, schwere Sprache! Sind Sie gnädig mit den Zuwanderinnen und Zuwnderern, sie haben mehr als genug eigene Probleme – dieser schlußsatz von harald walser ist ein bwenig untergegangen nach seiner deutschstunde für fpöler. dabei war das aber der wichtigste satz seiner rede.
walser hatte ja in einer kurzen debatte zum thema ausländeritegration – und damit auch deren deutschkenntnissen, den fpölern eine ganze reihe an zitaten von wahlplakaten und sonstigen schrifttums der fpö vorgehalten, die vor rechtschreib-, grammatik- und tippfehlern nur so strotzten. und nur mit diesem letzten satz erklärte er, warum er das den fpölern vorwirft.
doch der rest der rede läßt mich ein wenig mit ungutem gefühl zurück. walser hat diese gesammelten zitate ja nicht selbst zusammengetragen, sondern in einschlägigen social-media-kreisen waren die ja alle schon lang bekannt. kaum ein tag vergeht, wo nicht irgendein fehler in FPÖ-texten gepostet wird. und natürlich gebührt das der FPÖ in deren Nationalratsklub ja wirklich genug Akademiker sitzen, die sich für etwas besseres halten.
nur: hat sich jemand schon mal die frage gestellt, wie das bei potentiellen fpö-wählern ankommt — bei jenen nämlich, die so sind wie in den “sozialpornos” bspw. auf ATV (“wir leben im gemeindebau”)?
Grüne, Netz-Antifa und Privatfernsehen bewegen sich da nämlich auf einem schmalen Grat. Denn was hier passiert, ist sehr wohl auch so erfahrbar, daß die klassische Gleichstellung: Rechtschreibschwäche ist gleich allgemein mangelnde Bildung ist gleich Dummheit ist gleich Minderwertigkeit aufgestellt wird. Bobos finden das natürlich lustig, aber wie finden das Menschen, die nicht mehr als einen Hauptschulabschluß haben und wegen ihrer Lebenssituation irgendwann zu sekundären Analphabeten wurden? Was sagt man denen damit? Man will mit solchen Hoppatatschis die FPÖ treffen, aber man trifft jene Teile des Proletariats, die aus Gründen jahrzehtelanger demütigung FPÖ wählen.
Das ist so wie mit peinlichen Auftritten Straches — die sind ja auch so lustig. Was will denn der überhaupt, dieser Zahntechniker? Denn Strache wird viel mehr durch den Kakao gezogen als der Akademiker Haider. Der hatte sich auch viel weniger Blöße gegeben und war in seinen Zitaten nur angreifbar mit seinen Nazi-Andeutungen. Aber hat man sich in jenen besseren Kreisen, die sich so fürchterlich sozialengagiert und antifaschistisch vorkommen, schon einmal überlegt, daß gerade die Ausrutscher einen Strache sympathisch machen?
Mit dioesen Lächerlichkeiten – im doppelten Wortsinn – kann man vielleicht die Burschenschafter in seiner Partei von Strache abbringen, ja, das sind ja auch distinguierte bessere Leute, und das Verhältnis zwischen ihnen und dem nichtakademischen Führungspersonal der FPÖ ist sowieso äußerst miserabel. Die Grafs in der FPÖ schauen genauso auf den Bundesparteiobmann und den Großteil der FPÖ-Basis herab wie das die Bobos tun. Aber sie wissen, daß der ungebildete Patschachter der Partei die Stimmen bringt — und zwar nicht, obwohl er so ist, sondern im Gegenteil: Weil er so ist! Wenn Strache gegenüber dem “kleinen Mann” ausdrückt: “Ich bin einer von Euch” und “Die FPÖ ist eine Partei der kleinen Leute”, dann wird das so auch geglaubt.
Haider hat mal etwas über seine Widersacher gesagt, das zu denken geben sollte: “Das sind diese Leute, die mit dem Sektglas in der Hand bei den Seitenblicken aus dem Fernseher winken.” Bei ihm war diese Ansage nur bedingt angebracht, weil er auch selbst zu diesen Leuten gehörte. Doch Strache signalisiert das Gleiche – und da wirkt es sehr glaubwürdig. Hingegen, wenn grüne oder sozialdemokratische Akademiker über soziale “Reformen” reden, fällt es einem durchschnittlichen Proletarier nur schwer, Vertrauen zu fassen.
Allein wegen des politischen Kalküls wäre es also dem sich so fortschrittlich gebenden Teil der politischen Klasse — und auch ebenso den gleichgesinnten Medien — sehr anzuraten, weniger den Bildungsbürger raushängen zu lassen.
Doch es ist auch eine Frage des Anstands. Wenn man vollkommen richtig sagt, daß es kein Verdienst ist, in Österreich geboren zu sein und man nicht auf die — nicht mit der österreichishen Staatsbürgerschaft gesegneten — Migranten herabblicken dürfe, dann darf man das aber auch nicht auf jenen Teil des Proletariats, das einen hiesigen Paß sein eigen nennt.
Es war nicht Walsers Absicht, sich über Menschen, die nicht rechtschreiben können lustig zu machen — das hat er mit diesem seinen letzten Satz klargemacht. Aber gilt das auch für diejenigen, die Strache oder die kleinen lokalen Funktionäre, die solche Hoppatatschis produziert haben, einfach nur als peinlich und dumm hinstellen? Sind sie selbst einfach nur etwas präpotent oder besser: Sind wir uns fortschrittlich und modern und gebildet dünkenden Menschen nicht präpotent und halten uns für etwas Besseres? Oder sollten wir uns alle nicht bei der Nase nehmen und einbekennen, daß die Kenntnis der Rechtschreibung uns nicht das Recht gibt, auf andere hinunterzuschauen?

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