Hörstolperstein Naemi Rosenblüth, Erfurt

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Mit Erlass der Nürnberger Rassengesetze 1935 und  den darauffolgenden Diskriminierungen durch die Behörden und große Teile der deutschen Bevölkerung kam es verstärkt zu Auswanderungswellen deutscher Juden in die umliegenden Länder. Mit Verschärfung ihrer Einwanderungsgesetze versuchten die Staaten die Flüchtlingsströme einzudämmen oder ganz zu unterbinden. Die polnische Gesetzgebung sah vor, allen Staatsbürgen, die länger als 5 Jahre im Ausland gelebt hatten, ihre Staatsbürgerschaft zu entziehen. Deutschland kam diesen neuen polnischen Gesetzen zuvor und veranlasste eine Abschiebung aller polnischen Juden, die zu dieser Zeit in Deutschland lebten.[i] Am 28. und 29. Oktober 1938 sind im Rahmen der reichsweiten „Polenaktion“ etwa 17.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit über Nacht aus dem Dritten Reich ausgewiesen worden – ein bisheriger Höhepunkt der Diskriminierungsmaßnahmen des NS-Regimes gegenüber den Juden.[ii] Die Ausweisung erfolgte gewaltsam und kam für die Betroffenen völlig überraschend. Die Polenaktion ist bisher kaum im geschichtlichen Bewusstsein Deutschlands verankert.

Unter den Deportierten befanden sich auch Sara, Edith, Ruth und Naemi Rosenblüth.

Denknadel Naemi Rosenblueth

TAGEBUCHEINTRAG VON NAEMI ROSENBLÜTH

„Donnerstag, 22.Dezember 1938, 16.50 Uhr

Ich habe heute ein Mädchen kennengelernt, als ich mit Tante Rahel Milch holen war. Sie heißt Sara, wie meine Mutter und ist erst 11. Sie ist auch erst seit kurzer Zeit in Otwock. Sara sagt, sie mag meinen Namen nicht. Deshalb will sie mich nur noch Normi nennen. Komisch. Genauso haben mich meine Schulkameraden in meiner alten Schule in Erfurt genannt, als wir noch dort lebten. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, seit wir weg mussten. Eine Ewigkeit, die wir mit dem Zug unterwegs waren. Eine Ewigkeit die wir schon hier bei Tante Rahel sind.

Mama ist schon wieder krank. Denn seit wir weg mussten, hat sie keine Arbeit mehr und sieht immer so traurig aus. Ich glaube, sie mochte ihren kleinen Laden in der Gotthardtstraße sehr. Ich mochte ihn nicht, dort hat es  immer so nach Tabak gestunken und komische Menschen haben da eingekauft.

Meine Klassenkameraden durften mich nie besuchen, weil die Mütter es ihnen  verboten. Und sie sagten, ich würde stinken wie Mamas Laden, deshalb durfte ich auch nie zu Geburtstagsfeiern. Hier in Polen scheint nie jemand Geburtstag zu feiern. Dabei liebe ich Geburtstage. Meine große Schwester Ruth hat morgen Geburtstag. Tante Rahel und meine älteste Schwester Edith wollen einen Kuchen backen.

Ich habe für Ruth ein Bild gemalt, von unserem Haus in der Gotthardtstraße mit unserem Onkel  Jakob  davor. Ich kann besonders gut Häuser malen. Das fand auch meine Lehrerin aus Erfurt, deshalb mochte sie mich auch so gerne. Nur Herr Richter war gemein und hat mit den Anderen über mich gelacht.

 Die Männer mit der Uniform haben mir meine schönsten Stifte weggenommen. Darüber bin ich immer noch sehr traurig. Aber Tante Rahel hat mir ihre gegeben.

Ich schreibe später weiter, Tante Rahel braucht Hilfe beim Kochen.

Naemi“                                                              

(FiktiverTagebucheintrag von Naemi Rosenblüth 11 Jahre) 

Nachdem die Rosenblüths im Rahmen der deutschlandweiten Polenaktion nach Polen abgeschoben wurden, wohnten sie eine Weile im polnischen   Otwock bei einer Verwandten. Ab 1939 lebten sie in Warschau, wobei nicht ersichtlich ist, ob sie im Warschauer Ghetto interniert waren.

Genauere Umstände des Verbleibs der Familie Rosenblüth sind unbekannt. Naemis Onkel Jakob Auchhiesiger meldete am 02. Februar 1956 Sara, Edith, Ruth und Naemi Rosenblüth in der Gedenkstätte Yad Vashem als – verstorben – 1942 – an einem unbekannten Ort.

Hörstolperstein Naemi Rosenblüth, Erfurt

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