Nationalfeiertage wollen Einheit schaffen, das Radioballett schaffte Zerstreuung: am 26. Oktober 2004, 14-16 Uhr auf Orange 94.0. Oder vielmehr am Heldenplatz in Wien.
Auf Orange 94.0 wurde ein Programm ausgestrahlt, in dem Vorschläge für Übungen in abweichendem Verhalten gemacht wurden.
Jedes Jahr am 26. Oktober soll österreichische nationale Identität geschaffen und bekräftigt werden. Die Konstruktion einer nationalen Identität dient dazu, Unterschiede zwischen den Menschen, gegensätzliche Interessen und reale Konflikte mit dem Kitt des nationalen WIR zuzudecken. Wenn Nationen sich feiern, sind Waffen und Uniformen immer dabei.Zehntausende PatriotInnen versammeln sich heute unter anderem auf dem Heldenplatz, um sich bei Bier und Panzern so richtig österreichisch zu fühlen – Donauwalzer, Lodenjanker, Eurofighter und das Bewusstsein «jemand zu sein», das aus dem Ausschluss des und der «Anderen» entsteht.
RADIOBALLETT AM 26. OKTOBER 2004 14.00 – 16.00 ZERSTREUT ÖSTERREICH!
Ein Radioballett ist keine Versammlung, sondern eine Zerstreuung. Es tanzt nicht als Massenornament. Es ist nicht gereiht, es bildet keine Figur, sondern existiert in der simultanen, aber zerstreuten Geste. Jede und jeder handelt als Individuum, der Assoziationseffekt entsteht durch die Gleichzeitigkeit. Das Radioballett behindert die PassantInnen nicht, es irritiert. Die Radiowellen infiltrieren den Raum, die Gesten machen diese Infiltration sichtbar. Die nationale Einheitlichkeit, die Logik des Volksfestes, die Grenze zwischen geordneten und ungeordneten, erlaubten und verpönten Gesten wird in Frage gestellt. Dadurch wird die Situationverändert, die Ordnung des nationalen Festes gestört. Statt in Reih und Glied zu marschieren, tanzen Individuen. Die Zerstreuung ist unkontrollierbar.
Das Radioballett als Aktionsform wurde von der Hamburger Radiogruppe LIGNA entwickelt und das erste Mal im Mai 2002 in Hamburg am Hauptbahnhof durchgeführt. Seither hat es in verschiedenen Städten in Deutschland, der Schweiz und Österreich solche Aktionen gegeben; an verschiedenen Orten (Bahnhöfe und FußgängerInnenzonen) und aus verschiedenen Anlässen (Privatisierung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes, Überwachung, Tag der deutschen Einheit, WEF-Tagung …)
Das Radioballett dient zur individuellen Zurückgewinnung des Öffentlichen Raumes. Beispiele bei denen der öffentliche Raum zunehmend privatisiert und kontrolliert wird gibt es zur Genüge: Videokameras überwachen Straßen und Plätze um «unliebsame Verhaltensweisen» zu verhindern, Bahnhöfe werden zu Konsumtempeln umgebaut, nicht kommerzorientierte Orte wie besetzte Häuser und alternative Kultur wird mit Repression überzogen, wobei der öffentliche Raum mehr und mehr zur zugangsbegrenzten Erlebnis- und Einkaufswelt wird und auf Kosten der Öffentlichkeit kapitalisiert wird.
LIGNA: «Die Radiowellen infiltrieren den Raum», sie können Situationen verändern. Die Möglichkeiten der Assoziationen sind längst nicht ausgeschöpft. Wir müssen nur lernen zu genießen, dass das Unkontrollierbare der Zerstreuung, der Konstellation auch in der Assoziation nicht beherrschbar ist. Es geht darum, die Assoziation in einer Situation freizusetzen und eine ungeheure Produktion zu ermöglichen.»
ZERSTREUT ÖSTERREICH!