akin-glosse: kinder, am sonntag wirds was geben! zum wahltag

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Radioglosse von Mario Czerny, gelesen von Bernhard Redl

Text:

kinder, am sonntag wirds was geben!

ich kann mich des gedankens nicht erwehren: wahltage erinnern mich immer ein bisserl an weihnachten.

warum? also erstens: mit wahlergebnissen ist es so wie mit weihnachten (und bonbonnieren): vorher weiß man nie, was man bekommt – da gehts den politikern wie den kindern. deswegen gibt es ja die meinungsforschung – ich hab ja auch schon als kind immer in den kasteln meiner eltern rumgestierlt, weil ich wissen wollte, was mir das christkind bringt.

zweitens: beide w-tage sind tage des brimboriums. plötzlich wird jede lächerlichkeit wichtig. auch der wahltag ist so ein richtiges fest, dieses hochamt der demokratie, manche ältere leute werfen sich ja sogar noch so richtig in den sonntagsstaat, wenn sie zur wahl gehen.

und die nachrichten sind auch an beiden tagen ein bisserl öd (wenn nicht gerade ein staatschef hingerichtet wird wie zu weihnachten 1989, was ja leider nur alle heiligen zeiten, oder üblicherweise eben gerade nicht zu den heiligen zeiten passiert). zu weihnachten werden bittersüsse botschaften vom papst, vom kardinal und vom bundespräsidenten verlesen, am wahltag ist der bundespräserl allein und gemahnt uns, doch wählen zu gehen. würden diese würdigen männer nicht bisweilen ihr amt an andere abgeben, könnte man eigentlich jedesmal dasselbe senden – es würde niemandem auffallen.

ergänzt wird das ganze zu weihnachten dann noch vielleicht um schilderungen, wie prominente das fest feiern. am wahltag hingegen erfahren wir, daß herr kern ganz früh seine stimme abgegeben hat, während herr strache vorher noch mit dem hund gassi gehen mußte.

drittens: es naht der abend und alle warten auf die bescherung. die spannung steigt, seit wochen wird ja von nichts anderem geredet und die ganze zeit war alles voll hektischer betriebsamkeit – die stimmung ist also sehr aufgeladen, seis durch den wahlkampf oder den advent. (schließlich konnte man beides nicht mehr ertragen.)

wenn dann die türme aufsteigen (sozusagen „licht ins dunkel“ bringen), dann erfahren die parteigranden was ihnen das wahlvolk beschert hat. und alle versuchen sie zu lächeln, auch wenn das präsent unterm baum nicht gerade nach ihrem geschmack ist. so wie sie aber früher ihre oma nicht enttäuschen wollten, die doch so auf „strahlende kinderaugen“ gehofft hatten – obwohl das dem beschenkten kind angesichts der selbstgestrickten socken oder des etwas schäbigen und noch dazu hohlen schokoladeweihnachtsmanns doch ein bisserl weltfremd erschien -, so lächeln die nun erwachsenen kleinen kinder brav in die kamera und danken dem wähler für das vertrauen. ein genauso verlogener dank wie damals gegenüber der oma, weil sie ja eh ganz genau wissen, daß ihnen niemand vertraut.

dann kommen weihnachtsferien oder koalitionsverhandlungen und trotz des ganzen traras hat sich überhaupt nichts geändert und es folgt darauf die große verarschung: wir kinder damals mußten wieder in die schule und wurden gefragt: „freust du dich schon wieder auf die schule?“. und wir erwachsenen heute müssen uns erklären lassen, daß der ganze scheiß, der jetzt wieder auf uns hereinprasselt, der unverfälschte wählerwille sei.

vielleicht sollte ich die christen wählen und dem weihnachtsmann eine vorzugsstimme geben.

mario czerny

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