https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180109_OTS0075/virus-zu-deregulierung-juristischer-hau-ruck-kahlschlag-kontraproduktivRecht/Justiz/Politik/Umwelt/Parlament
VIRUS zu Deregulierung: Juristischer „Hau-Ruck-Kahlschlag“
kontraproduktiv
Utl.: Gesetzgeber bleibt im vorprogrammierten Chaos wieder nur
Statistenrolle
Kritisch äußert sich die vielfältig mit Rechtsfragen befasste
Umweltorganisation VIRUS zu den Deregulierungsplänen von
Justizminister Moser. „Der normale Gesetzgebungsprozess zeigt bereits
jede Menge Fehlerquellen und Überforderung, wenn jetzt alle Gesetze
und Verordnungen, die vor dem Jahr 2000 erlassen wurden, binnen
weniger Monate aufgehoben werden sollen oder die zu erwartenden
zahllosen Ausnahmen Massenbearbeitung erfordern, sind Chaos und
Rechtsunsicherheit vorprogrammiert“, so Sprecher Wolfgang Rehm.
Die Ankündigungen seien schwammig formuliert und so werde nicht klar,
ob etwa das Wasserrechtsgesetz von 1958, die Straßenverkehrsordnung
von 1960 oder das Reichsgesetzblatt #49 von 1868 über den Austritt
aus der römisch-katholischen Kirche oder das Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch von 1811 davon betroffen sein sollen. Erst alle
Bestimmungen in Frage zu stellen aber dann erwartbar Ausnahmelisten
„epischen Ausmaßes“ auszulösen sei insbesondere dann ineffizient,
wenn sich ohnehin die meisten Rechtsmaterien unverzichtbar erweisen
würden. Es handle sich beim System von schichtweise aufgebauten und
novellierten und vielfach miteinander vernetzten Rechtsvorschriften
um ein sehr komplexes System. „In krassem Missverhältnis dazu stehen
die in österreichischen Ministerien, bei gleichzeitiger Fortsetzung
des sonstigen Betriebes vorhandenen Bearbeitungskapazitäten. Der
zwangsläufig fehlende Durchblick wird sich auf die Treffsicherheit
der Folgenabschätzung ebenso auswirken, wie er Polit-Missbrauch durch
in diesem Schwarm an Rechtsvorschriften verborgene trojanische Pferde
begünstigen wird“, kritisiert Rehm. VIRUS gibt weiters zu bedenken,
dass der Rechtsprechung der Höchstgerichte, die sich nicht nur auf
einzelne Rechtsvorschriften sondern auf den systematischen
Zusammenhang vieler Normen beziehe, auf diese Weise in noch
ungewissem Ausmaß der Boden entzogen werden könnte. „Muss sich erst
neue Rechtsprechung etablieren, dauert dies Jahre und ist
zwangsläufig von Rechtsunsicherheit begleitet,“ warnt Rehm.
Bedenklich sei weiters, dass der Legislative trotz weit reichender
Eingriffe ins Rechtssystem keine zentrale, sondern lediglich eine
Statistenrolle zugedacht sei, und das Parlament offenbar nur dafür
vorgesehen sei, die vom Justizressort koordinierten Ergebnisse am
Ende durchzuwinken. „Soll es nicht nur um Kosmetik gehen, dann
braucht es statt einer Hau-Ruck-Aktion einen – was Kollateralschäden
betrifft – risikoarmen aber nachhaltig wirksamen Diskussionsprozess
unter Einbeziehung des verfassungsgemäßen Gesetzgebers und eine
effiziente Vorgangsweise bei der Identifizierung zu novellierender
oder nicht mehr benötigter Rechtsnormen,“ fordert Rehm abschließend.
Rückfragehinweis:
Wolfgang Rehm, 0699/12419913, virus.umweltbureau@wuk.at
Verein Projektwerkstatt für Umwelt und Soziales
c/o WUK-Umweltbureau
Währingerstr. 59
1090 Wien