“Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa” ist die gesinnungsneutrale Formulierung dessen, was vor genau 75 Jahren ringsumhier passierte. Eigentlich der konsequente Schlusspunkt dessen, was fünfeinhalb Jahre lang von den jeweils Machthabenden ringsumhier passiert wurde. So ähnlich passiert man beispielsweise Tomaten, und die reimen sich schon mal auf Soldaten, von all den sonst noch durch Zwangsarbeit zerquetschten oder von Explosionen zerrissenen Zivilpersonen gar nicht erst zu reden, zwischen 60 und 80 Millionen waren es wohl insgesamt. Das Ende dieses Schlachtens wird von manchen immer noch als “Untergang” betrauert – von vielen anderen aber als “Befreiung” (wenn auch aus verschiedenen Gründen) zelebriert.
Wir erinnern an den abgründigen Film “Der Untergang”, der auf den Erinnerungen von Hitlers Sekretärin Traudl Junge basiert – und in dem der großartige Bruno Ganz einen zu jener Zeit bereits einigermaßen abgedrehten Ex-Gröfaz darbietet. Hagen Rether merkte damals an: “Bruno, ganz Hitler. Ein Schweizer, der einen Deutschen spielt, der eigentlich Österreicher ist.” Dieser Film wurde höchst kontrovers diskutiert, was ja im Grunde genommen ein gutes Zeichen wäre für eine lebendige Auseinandersetzung. Doch weshalb diese moralinsaure Zeigefingerei, die einem vorzuschreiben versucht, wie man denn nun dieses oder jenes Ereignis der Geschichte gefälligst zu verstehen habe? Ein dergestaltiges Gscheitscheißen ist uns von links wie rechts zutiefst zuwider, kommt es doch stets von oben herab.
Es gibt zahlreiche gute Gründe, das Ende des Nazitums in Europa als Befreiung zu begreifen. Aber wenn, dann aus eigenem Empfinden – und nicht aus verordneter Nachmache. Gleiches gilt für das Leiden und die Scham der einst Nazigläubigen in den Trümmern ihrer Träume. Zumeist sind ja beide Wahrnehmungen – Befreiung und Untergang – in ein und derselben Person ambivalent vorhanden, und das ist an sich schon eine Auseinandersetzung mit sich selbst, die weit über Freund oder Feind und überhaupt Krieg hinaus geht. Das ist es, was uns interessiert: Das Mehrdeutige im eigenen Erleben, das Vielschichtige in jedem einzelnen Menschen – und das Fragwürdige im angeblich so Einhelligen des allgemein Anerkannten. Wenn ich Hitler für einen Trottel halte (und das tue ich aber sowas von), dann aus meiner eigenen Untersuchung des großkotzigen Wahnsinns, und nicht, weil ich (von wem auch immer) dazu angeleitet worden wäre. Plötzlich platzt der schöne Schein jeder Heilslehre (sic) auf, und darunter grinst der Totenschädel ihrer eigentlichen Absicht hervor. So lächelt jedes System, das Menschen verbraucht.
Als roter Faden durch unsere etwas österreichische Betrachtungreise des Übergangs vom Untergang zur Befreiung begleiten uns Zarah Leander sowie der Herr Karl. Sind wir also befreit. Eh juhu! Doch was kommt danach, was ist jetzt – und vor allem, was wird sein? Darüber landen wir unweigerlich bei SNOG. “Corporate Slave” verkörpert, was Pier Paolo Pasolini schon in den 70ern als den “totalitären Konsumismus” beschrieben hat, eine Weltwirtschaft, deren Dominanz sich alles Leben auf der Erde “bis zum letzten Atemzug unterwerfen muss.” Hört man da nicht gewisse Parallelen? Hat nicht Joseph Goebbels bei großen Firmen in den USA (wie hieß das damals noch?) Propaganda studiert? Wie glaubwürdig sind Regierungen heute? Und wie glaubwürdig sind die Alternativen für Deutschland?
Wir werden uns jedenfalls aus alledem einen Karl machen. Was auch sonst?