Das Thema der Sendung im Mai ist „Schweigen“.
Im 12-Schritte-Programm der Selbsthilfegruppe für Angehörige und Freunde von AlkoholikerInnen sprechen diesmal Gertrude und Erna über ihre Erfahrungen zum Thema Schweigen.
Es ist nicht so einfach, den Al-Anon Gedanken des Loslassens richtig zu erfassen. Man sagt uns, wir sollen unser Problem, nicht aber den leidenden Alkoholiker loslassen. Wenn jedoch ein Unglück nach dem anderen über uns hereinbricht, dann ist es schwer, zwischen dem Alkoholiker und dem Unglück zu unterscheiden.
Einige versuchen es mit dem grimmigen Entschluss, nicht mehr zu sprechen. Ein solches Schweigen, angefüllt mit Bitterkeit und Zorn, tönt schriller als alle Worte. Es schmerzt uns; es gibt dem Alkoholiker Grund zu Groll und trägt nicht dazu bei, unsere Liebe und unser Mitgefühl auszudrücken.
Andere suchen so stark Ablenkung, dass sie dadurch ihre vordringlichen Pflichten versäumen, Pflichten gegenüber Heim und Familie, den Alkoholiker eingeschlossen.
Wir alle wissen, wie zum Verzweifeln aussichtslos es ist, mit dem Alkoholiker zu reden, wenn er vom Alkohol umnebelt ist. Weder durch Vernunft noch durch Tränen oder Vorwürfe ist er zu erreichen.
Es ist sinnlos, den Alkoholiker, wenn er betrunken und mit schlechtem Gewissen nach Hause kommt, mit einer Flut ärgerlicher Worte zu empfangen. Die Reaktion des Alkoholikers wird zu einem solchen Zeitpunkt nicht vernünftiger als unsere eigene sein. Würde ich in ein fremdes Land fahren und erwarten, dass die Menschen dort meine Sprache verstehen? Genauso wenig Sinn hat unser Verhalten für den Alkoholiker, der betrunken ist. Wir sprechen nicht seine Sprache; er kann uns nicht verstehen.