Die „Lobauer Erklärung“ – Pressekonferenz

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Brauchen wir einen Klimagenerationenvertrag?
  • Wirksame Klimapolitik muss alle Lebensbereiche umfassen
  • Keine Verkehrsentlastung durch S1 – Lobautunnel
  • Ohne Verkehrswende werden sämtliche Klimaziele verfehlt
  • Die Zeit für fossile Großprojekte ist abgelaufen

Wien, am 05.10.2021. In einer von den Umwelt- und Klimaorganisationen VIRUS,
System Change not Climate Change und Fridays For Future veranstalteten
Pressekonferenz präsentierten ein generationenübergreifend zusammengesetztes Podium
aus umweltbezogenen Wissenschaften und Vertreter*innen der Klima- und
Umweltbewegung eine „Lobauer Erklärung“ als Manifest für verantwortungsvolle Klima- und
Umweltpolitik und gegen die Lobau-Autobahn stellvertretend für ein System „fossiler
Großprojekte“.

Die Klimawissenschafterin Helga Kromp-Kolb (BOKU-Wien) wies eingangs auf das immer
dringender werdende Erfordernis einer wirksamen Klimapolitik hin: „Die vergangenen Jahre
haben vielen gezeigt, dass die Dynamik des menschengemachten Klimawandels
unterschätzt wurde und dass diese Entwicklung lebensbedrohlich ist. Gleichzeitig war es
insbesondere in Österreich nicht möglich, Treibhausgasreduktionen zu bewirken. Eine
wirksame Klimapolitik muss dabei alle Lebensbereiche umfassen und darf auch den
Straßenverkehr und seine Infrastruktur als Haupttreiber der bisherigen negativen
Entwicklung nicht ausnehmen“, so Kromp-Kolb.

In diesem Zusammenhang verwies Verkehrswissenschafter Hermann Knoflacher (TU-
Wien) darauf, dass für ein Szenario der Errichtung des Systems Lobau-Autobahn und seinen
Satellitenprojekten ein Anstieg der Verkehrsbelastung auf der Straße insgesamt zu erwarten
ist und damit die Grundlage für Emissionssteigerungen legt. „ Dies haben auch unsere
Untersuchungen im Auftrag der Stadt Wien 2017 gezeigt. Aufgrund des induzierten Verkehrs
kommt es nicht zur heftig beworbenen Verkehrsentlastung und wird eine ungünstige
räumliche Entwicklung befördert, die gerade nicht zum Vorteil von Wien und insbesondere
des Projekt Seestadt ist“.

Ins gleiche Horn stieß TU-Kollegin Barbara Laa: „Auch die Verkehrsuntersuchung der
Asfinag zur S1 zeigt, dass es insbesondere auf der Südost-Tangente zu keiner
Verkehrsentlastung kommt. Die Donaustadt hinkt hinsichtlich der Angebotsqualität im
Öffentlichen Verkehr dem Rest Wiens weit hinterher und auch bei den Stadt-Umland-
Verbindungen ist viel Luft nach oben. Um Alternativen zu schaffen und die Klimaziele im
Verkehrsbereich zu erreichen, braucht es hier weitaus größere Anstrengungen, wie auch bei
der Förderung von Rad- und Fußverkehr.

Auf soziale Ungerechtigkeit des des Verkehrssystem verwies Lucia Steinwender von
System Change not Climate Change: „Statt günstige öffentliche Mobilität für alle
bereitzustellen, wird schädlicher Autoverkehr für wenige gefördert. An den Folgen von Lärm
und Verschmutzung leiden vor allem finanziell Benachteiligte, während Auto- und
Baukonzerne Profite einstreifen.“

Auf die heikle Situation in der Lobau machte Umweltwissenschafter und Hainburg-Aktivist
Bernd Lötsch aufmerksam: „Wir konnten in den Donauauen einem einzigartigen Naturraum
mit höchster Artenvielfalt einen Nationalpark schaffen. Da ein Auen- also
Feuchtgebietsnationalpark sich wesentlich durch intakte Grundwasserverältnisse definiert,
droht die Aberkennung des Nationalparkstatus für die Lobau durch die IUCN im Falle eines
Groß-Tiefbauprojekts im heiklen und geschützten Aquifer. Negative Eingriffe in den
Wasserhaushalt der Lobau und des Umlandes sind ebenso abzulehnen, wie der weitere
Verlust wertvollen Ackerbodens.

Umweltwissenschafter Peter Weish, der bei Hainburg und davor bereits im Kampf gegen
das Kraftwerk Zwentendorf hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat, führt den Fokus zurück zur
übergeordneten Betrachtungsebene. Das entscheidende Kriterium der Technikbewertung ist
die Frage, ob ein Vorhaben die notwendige zukunftsfähige Etwicklung unterstützt oder
behindert. Aus der Perspektive unserer Verantwortung für die Zukunft wäre das Lobau-
Autobahnprojekt auch dann abzulehnen, wenn es nicht durch den Nationalpark sondern
durch eine Wüste führen würde.”

Schülerin Clara Pories von Fridays for Future brachte die wachsende Ungeduld ihrer
Generation auf den Punkt:”Wir können es uns nicht mehr leisten die Klimakrise zu ignorieren
oder gar klimaschädliche Großprojekte umzusetzen. Die Zeit rennt uns davon und wir
müssen jetzt handeln um uns noch vor den schlimmsten Folgen der Klimakrise zu bewahren.
Wir brauchen eine Zukunft und deshalb werden wir nicht aufhören dafür auf die Straße zu
gehen”.

Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS, der seit Hainburg 1984 im
Umweltschutz tätig ist, fasste zusammen: „Auch nach 10 Jahren Verfahren, aktuell im
Wasserrecht ist die Unbedenklichkeit des Tunnels nicht nachgewiesen, gibt es die
Verkehrsentlastung nicht, spielen Klimaschutz und Bodenverbrauch in der
Umweltverträglichkeitsprüfung keine Rolle und haben bisherigen Ansätze nicht einmal zur
Erreichung sehr bescheidener Reduktionsziele wie jenem von Kyoto geführt. Sogar auf
Kyoto bezogen wurden kumuliert mehr als 280 Millionen Tonnen CO2 Äquivalente zu viel
ausgestoßen. Zwischen den historischen „Parade-Umweltkonflikten“ von Zwentendorf und
Hainburg bestünden ebenso Unterschiede wie zum aktuellen Lobau-Konflikt. „Man soll sich
nicht dieselbe Dramaturgie erwarten aber wir sind hinsichtlich der Bedeutungsschwere in
derselben Größenordnung“, so Rehm.

Das Podium war sich einig: Viel mehr noch als 1978 und 1984 müsse es neben der
wichtigen Einzelprojektebene gelingen, endlich eine echten Energie- Verkehrs- und
Klimawende umzusetzen. Die zu erwartende Streichung der S8-Marchfeldschnellstraße,
deren UVP-Bescheid soeben gerichtlich aufgehoben wurde, könne erst der Anfang einer
umfassenden Neuausrichtung sein. Es gelte, die Emissionen drastisch zu reduzieren, um die
in Paris politisch vereinbarte und wissenschaftlich notwendige 1,5-Grad-Grenze bei der
Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur nicht zu überschreiten. Deshalb sei die
Schaffung jedweder dazu im Widerspruch stehender „klimapolitischer Kipppunkte“, wie das
System der geplanten Lobau-Autobahn und ihrer Satelliten, das für weitere Jahrzehnte
großmaßstäblich zusätzlichen Verkehr erzeugen würden, nicht vertretbar. 41 Organisationen
hätten ihre Unterstützung für die „Lobauer Erklärung“ bereits bekundet.

„Österreich und der Großraum Wien stehen vor einer entscheidenden Weichenstellung.
Ohne eine Verkehrswende werden sämtliche Klimaziele verfehlt und die Zerstörung unserer
Lebensgrundlagen angeheizt. Die Zeit für fossile Megaprojekte wie Lobau-Autobahn & Co ist
abgelaufen,“ so die Vertreter*innen aus Umweltbewegung und Wissenschaft unisono.

Alle Presseunterlagen:
https://virus.wuk.at/LE/

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