Karl Hinteregger im Gespräch mit dem früheren Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg zum Thema „Psychotherapie und psychische Gesundheit im Land Tirol“. Im 2. Teil der Sendung wird eine Aufnahme mit Primar Josef Marksteiner, dem Leiter des Departements für Psychiatrie und Psychotherapie A des Landeskrankenhauses Hall in Tirol vom 4. März 2021 zum Thema „Der ältere Mensch – Corona und andere Beeinträchtigungen“ ausgestrahlt.
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2008 wurde Bernhard Tilg von Landeshauptmann Günther Platter in die Tiroler Landesregierung berufen, der er bis 2013 angehörte. Tilg war für die Bereiche Gesundheit, Pflege und Wissenschaft und weitere Bereiche zuständig. In seine Amtszeit fielen die Anfänge der Coronapandemie.
Bernhard Tilg studierte Medizintechnik an der Technischen Universität Graz, ging dann für zwei Jahre in die USA und spezialisierte sich dort auf kardiovaskuläres Imaging, habilitierte sich in Graz und wurde dann an die Privatuniversität UMIT, der Universität für Gesundheitsberufe, Gesundheitswissenschaften, Medizintechnik und medizinischer Informatik in Hall in Tirol für eine Professur für Medizintechnik und Medizininformatik berufen. So trug er zur Einführung der Medizintechnik in Tirol bei. Tilg faszinierte insbesondere die Verbindung von Ingenieurswissenschaft und Medizin. Er war auch zeitweise in der Funktion des Vizerektors und Rektors der UMIT tätig. Derzeit ist er Vizerektor für Forschung und strategische Entwicklung.
In den Corona-Jahren 2020/21 sei das Gesundheitswesen vor enormen Herausforderungen gestanden. Es sei die größte Krise in den letzten 50-60 Jahren gewesen, die Tirol, Österreich, Europa und die Welt gesehen hätten. Es sei bedauerlich, dass es nicht nur Auswirkungen im Bereich Gesundheit sondern auch im Bereich Arbeitsmarkt und Wirtschaft gebe und diese Auswirkungen große Dimensionen im täglichen Leben der Tiroler und Tirolerinnen hätten.
Das Jahr 2020 und insbesondere der März 2020 habe für ihn und die Landesregierung eine besondere Dramatik gehabt, da man mit dieser Situation nicht gerechnet habe. Diese Dimension habe man sich nicht vorstellen können. Die Pandemie sei in jeder Facette Neuland gewesen. Es sei für alle ein Marathon gewesen, die Bevölkerung, die Berufswelt, die Entscheidungsträger. In den letzten 12 Monaten seien 70 Regierungsanträge gemacht worden. Es habe eine Wahnsinns-Arbeitsbelastung in den Spitälern und den Wohn- und Pflegeheimen und den mobilen Diensten gegeben. Vor allem die psychische Gesundheit habe darunter gelitten. Die Vereinsamung in den Heimen habe zugenommen.
Was die psychische Gesundheit betreffe, brauche es auch ein gutes niedergelassenes extramurales Versorgungssystem mit Psychiatern und Psychotherapeuten. Diesbezüglich brauche es eine entsprechende Bundesgesetzgebungmüsse die Bundespolitik gemeinsam mit den Ländern.
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Josef Marksteiner hat diverse fachärztliche Ausbildungen absolviert: Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin und Additiv-Facharzt für Geriartrie. Habilitiert ist er sowohl im Fach Neuropharmakologie wie auch im Fach Psychiatrie.
Marksteiner weist in seinen Ausführungen darauf hin, dass Menschen auch im höheren Alter individuelle und heterogene Menschen mit einer persönlichen Lebenserfahrung und mit bestimmten Persönlichkeitszügen bleiben. Es können drei Hauptgruppen von Erkrankungen unterschieden werden: Menschen mit Depressionen (leicht, mittelschwer und schwer), Menschen mit Angsterkrankungen (vorwiegend generalisierte Angststörung, weniger häufig Panikstörung) und Menschen mit kognitiven Einschränkungen.
In Gedächtnisambulanz kommen im Jahr etwa 800 Patienten zur diagnostischen Abklärung einer möglichen Demenz. Es gebe 120 Ursachen für Demenz. Die häufigste Ursache sei die Alzheimererkrankung.
Primar Marksteiner sieht auch ältere Menschen aufgeschlossen für Psychotherapie. Wichtig sei, die Psychotherapie den älteren Menschen zugänglich zu machen., das heißt, das Setting möglichst an den älteren Patienten anzupassen. Die modernste Forschung zeige mittels darstellender Verfahren, dass sich die Psychotherapie auf das Gehirn und seine Plastizität und die Nervenverbindungen auswirke.
Essentielle Fragen im psychotherapeutischen Prozess seien die Themen Begrenztheit des (eigenen) Lebens, der Verlust von nahestehenden Personen, Einsamkeit, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, ein qualitativ gutes Leben im Einklang mit (körperlichen) Einschränkungen und geringerer Mobilität, die Ansteckungsangst mit Corona in den Alters- und Pflegeheimen, etc.
Einsamkeit gelte als Risikofaktor für bestimmte Erkrankungen. In Zukunft werde die Frage, wie man den älteren Menschen besser und länger in die Gesellschaft integrieren könne, eine immer zentralere Rolle spielen. Auch die Resilienz, die Widerstandsfähigkeit, sei beim älteren Menschen trainierbar. Ein großer Vorteil des älteren Menschen gegenüber jüngeren sei die erworbene Lebenserfahrung.
Die Gerontopsychiatrie des Landeskrankenhauses Hall in Tirol verfüge über zwei Stationen. Einmal eine Station für Demenzerkrankte und zum Anderen eine (allgemeine) Station für die Psychiatrie des älteren Menschen für die Behandlung von Depression, Angststörungen und psychische Störungen im Zuge körperlicher Erkrankungen, etc.
Zur Psychiatrie A gehören auch zwei Ambulanzen: die allgemeine psychiatrische Ambulanz und die Gedächtnisambulanz.