Auf der einen Seite steht das Streben, durch Kulturarbeit zu einem besseren, freieren Miteinander beizutragen. Auf der anderen Seite steht die harte Realität von Doppel- und Mehrfachrollen in prekären Arbeitsverhältnissen, die belasten und zermürben. Es ist Zeit, das „Karottenprinzip“ in der Kulturarbeit, das permanente Nachhecheln nach dem Unerreichbaren, zu beenden – so die Forderung von Michael Hirsch.
Ein Gespräch mit Michael Hirsch, Philosoph, Politologie, Kunsttheoretiker und Autor von „Kulturarbeit. Progressive Desillusionierung und professionelle Amateure“.
Moderation: Daniel Gönitzer
Eine Kooperation von IG Kultur Österreich und IG KiKK – Interessensgemeinschaft der Kulturinitiativen in Kärnten/Koroška
In den letzten Jahr(zehnten) haben sich die Arbeitsbedingungen im Kulturbereich stark verändert. Wachsender Projektdruck, schlechte Bezahlung und asymmetrische Machtverhältnisse sind prägend geworden. Und dennoch streben viele in die Kulturarbeit danach, zu einem besseren, freieren Leben beizutragen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben wird jedoch angetrieben von falschen Versprechungen des Kulturbetriebs, die für die meisten – trotz aller Anstrengungen unter immer größer werdendem Produktivitäts- und Leistungsdruck – unerfüllt bleiben.
Es ist Zeit, diese „falsche Professionalisierung“ zu beenden, so Michael Hirsch, und durch eine „progressive Desillusionierung“ ins Handeln zu kommen. Als bildliche Metapher wirft er das „Karottenprinzip“ in den Raum und ruft die „Eseln des Kulturbetriebs“, die Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen, zum Innehalten, zur Reflexion und zur Aktion auf, bevor sie weiter der unerreichbaren „Karotte am Gestell des Betriebes“ hinterher hecheln. „Wir, die Esel des Kulturbetriebs“, müssten endlich zu zögern beginnen.“ Die Coronapandemie hat zu einem kurzen Innehalten geführt, jedoch zu keinem selbst gewählten. Jetzt brauche es eine erneute selbständige Pause, mit Elementen des Streiks und einer aktiven Verweigerung.
Im WebTalk diskutieren wir mit Michael Hirsch seine Thesen und wie diese in ein konkretes Handeln übersetzbar sind. Wie sollen oder können Kulturarbeiter*innen sich gegen die Produktionsbedingungen stellen? Ist ein selbstgewähltes Innehalten im Sinne von „Slow Down Kulturarbeit“ realistisch oder nur ein Programm für Privilegierte? Braucht es mehr „professionelle Amateure“ oder läuft dies dem Anspruch von fairer Bezahlung für Kulturarbeit zuwider? Inwiefern kann Kulturarbeit eine Vorbildfunktion für eine alternative, gesellschaftliche Entwicklung haben, wenn sie selbst immer mehr zum Rädchen im Getriebe der Verwertungslogik wird? Welche Möglichkeiten und Schwierigkeiten gibt es für eine gemeinsame politische Organisation des Kulturbereichs mit anderen prekären Arbeitsfeldern, beispielsweise dem Sozial- und Pflegebereich?
Die Gesprächsreihe „Wissen schafft Kultur“… …stellt aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft vor und beleuchtet, inwiefern diese für die Kulturarbeit nutzbar sind. Der moderierte Talk lädt dazu ein, in den offenen Austausch zwischen Wissenschaftler*innen und Kulturakteur*innen zu treten, Fragen zu stellen, Input zu geben und so Lücken zwischen Forschung und Praxis zu schließen. Offen für alle in der Kunst und Kultur Tätigen und Interessierten. |