Weder selten, noch Erden

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Zwischen alten Begriffen und neuen ökologischen Dystopien: Die Studie von Südwind deckt die Hintergründe des Abbaus «Seltener Erden» im Naturparadies Madagaskar auf. Andreas Müller gibt Einblick in die Bergbauaktivitäten auf der Halbinsel und erzählt von den Erfolgen Öko-feministischer Initiativen.

Der gebräuchliche Name „Seltene Erden“ ist gleich in zweifacher Hinsicht irreführend. Der Begriff „Erden“ ist ein alter chemischer Name für Sauerstoff-Verbindungen (Oxide). Die Seltenerdmetalle kommen in der Erdkruste nie in reiner Form vor, sondern immer in chemischen Verbindungen, oft auch als Oxide – daher der Name Erden, selbst wenn die reinen Metalle gemeint sind. Ebenfalls auf die Zeit ihrer Entdeckung im 18. Jahrhundert geht die Bezeichnung „selten“ zurück: sie waren damals neu und somit wurde schlicht angenommen, sie seien selten.
So selten sind sie aber gar nicht. In der Erdkruste sind die Seltenerdmetalle ähnlich häufig wie Kupfer anzutreffen. Nur das instabile, radioaktive Promethium ist wirklich selten. Selbst von Thulium, das seltenste der stabilen Seltenen Erden, gibt es auf der Erde größere Vorkommen als von Gold oder Platin.

Durch ihre besonderen magnetischen, elektrischen und optischen Eigenschaften
sind die Seltenen Erden heute zentrale Bestandteilen zahlreicher Technologien.

„Die Nachfrage nach seltenen Erden, die in Permanentmagneten, etwa für Elektrofahrzeuge, digitale Technologien oder Windgeneratoren zum Einsatz kommen, könnte sich bis 2050 verzehnfachen. [Die] Europäische Rohstoffallianz [wird] die Widerstandsfähigkeit der EU in der Wertschöpfungskette der seltenen Erden […] stärken, da dies für die […] EU (u.a. erneuerbare Energien, Verteidigung und Raum-
fahrt) von entscheidender Bedeutung ist.“
Mitteilung der EU-Kommission 2020 zu „kritischen“ Rohstoffen

„Der Abbau strategischer Mineralien wie Seltener Erden hat wiederum schwerwiegende soziale und ökologische Folgen […]. Die viel zitierten positiven Beiträge von Bergbauprojekten für den Umstieg von fossiler auf „grüne“ Energie, indem sie strategische Rohstoffe für die Energiewende liefern, entpuppen sich angesichts der enormen damit verbundenen Kosten, die zum Großteil auf Frauen und die Natur
ausgelagert werden, als Illusion.“
Zo Randriamaro (CRAAD-OI), Soziologin und Autorin der Fallstudie zu Madagaskar

In den Jahren 2011 bis 2014 grub die Firma TREM 6.460 Löcher mit 1 m² Durchmesser und 10 m Tiefe. Die Probebohrungen bestätigten Funde von Seltenen Erden, unter anderem der Elemente Praseodym, Neodym, Terbium und Dysprosium. Die Schächte wurden oft ohne Zustimmung der Landwirt:innen gegraben und teils nicht angemessen geschlossen, was zu Verletzungen und Notschlachtungen von Haustieren wie den wertvollen Zebu-Rindern führte. Das war Anlass für erste Widerstands-Bewegungen innerhalb der lokalen Bevölkerung. Langfristig fürchten sie, durch den Seltene Erden-Bergbau ihre Ländereien und damit ihre Einkommens- und Lebensgrundlage zu verlieren.

Der Widerstand der Menschen auf der Halbinsel Ampasindava hat bisher verhindern können, dass die Mine in Vollbetrieb geht. Eine vollständige Abbau-Lizenz, um die sich die Betreiber beworben haben, wurde bis dato noch nicht erteilt. Aus Sicht der Öko-feministischen Vereinigung CRAAD-OI hat eine Mischung verschiedener Wege zu diesem Zwischenerfolg geführt: einerseits waren vor Ort mehr und mehr Menschen über das Thema informiert und haben in Diskussionen, Medien und öffentlichen Protesten Stellung bezogen. Andererseits haben internationale Aktionen, wie beispielsweise Briefe an die dahinterstehenden Investor:innen, dazu geführt, dass das Projekt an finanzieller Rückendeckung verlor. Dennoch hat CRAAD-OI im Dezember 2022 wieder ein Schreiben erhalten, dass ein Treffen zwischen drei Bergbau-Unternehmen und Regierungsbehörden stattfinden soll. Noch sind die Pläne, weiter zu graben, nicht begraben.

 

Andreas Müller von Südwind im Interview.

Wordrap: René Schuster, Andreas Müller (beide Studienleitung Südwind)

Voiceover: Sarah Praschak.

Sendungsgestaltung: Pamela Neuwirth

Südwind-Studie zu Arbeitsbedingungen in der Elektronikproduktion

Südwind-Studie Zusammenfassung

 

Eine Sendung von Südwind, RepaNet – Re-Use- und Reparaturnetzwerk Österreich und weltumspannend arbeiten – Der entwicklungspolitische Verein im ÖGB. Gefördert aus Mitteln des Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der AK Wien.

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