Chris Lohner blickt zurück auf 80 Lebensjahre

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„Vordergründig – Hintergründig“ – die Porträtreihe abseits des Mainstreams
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Auch mit 80 ist die ehemalige Fernsehansagerin noch äußerst gespannt, was das Leben so bringen wird. Schauspiel und Schreiben sind seit Langem wichtige Bestandteile ihres Lebens. 1997 gelingt Lohner mit ihrem Buch „Keiner liebt mich so wie ich“ ein Bestseller. Darin verrät sie Strategien, das Leben zu meistern und mit Sinn zu erfüllen. Man müsse sich eben mit sich selbst beschäftigen, um zu lernen, was man kann, ist die Künstlerin überzeugt. Viele ihrer Bücher hat die Wienerin bereits als Kabarett-Programm auf die Bühne gebracht. Zur Routine seien ihre Premieren aber bis heute nicht geworden.

Lohner konfrontiert ihr Publikum mit allgemeinen Themen des Alltags, die sie lustig verpackt. Mitunter steckt darin aber ein ernster Kern. Die Kabarettistin möchte Menschen eben zum Nachdenken anregen. So auch im Programm „Bazooka oder die Vier im Jeep“ aus dem Jahr 2023. Darin beschreibt sie Kindheitserlebnisse, wie die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges.

Lohners Kindheit ist geprägt von Armut. Allerdings gelingt es Chris Vater in einer Zeit voll Not, Bildung zu vermitteln. Der Vater ist gelernter Bibliothekar und wird später zum jüngsten Volkshochschuldirektor in Wien. Zudem erlebt Lohner persönliche Einschränkungen aufgrund der Besatzungsmächte.

Chris Lohner maturiert 1961 und geht danach für ein Jahr als Austauschstudentin nach Amerika. Dort beginnt sie ihre Schauspielausbildung und vollendet diese in Wien.

Bereits vor ihrem USA-Aufenthalt kommt die angehende Schauspielerin in Kontakt mit einem Fotografen, der sie auf der Straße anspricht. Er schafft es, das damals 18jährige Mädchen zu einem Shooting zu überreden. Ins Studio wird Chris von ihrer Mutter begleitet.

Chris Lohner gelingt es, sieben Jahre lang im internationalen Modelgeschäft zu bestehen. Erinnerungen aus jenen Jahren veröffentlicht sie im Roman „Der Krokodilmann“. Damals wie heute sind Models großem Druck und Stress ausgesetzt. Der Missbrauch von Alkohol oder anderen Suchtmitteln sind oftmals die Folgen. „Zu unserer Zeit seien Drogen aber eher noch eine Randerscheinung gewesen“, erinnert sich Lohner.

Ab den 1960er Jahren beginnen Jugendliche und Studenten in vielen Staaten Europas, aber vor allem den USA, althergebrachte Lebensformen der Elterngeneration, Einstellungen und Werte zu hinterfragen. Die 68er Bewegung entsteht. Revoltierende Jugendliche zeigen ihren Protest mittels Musikgeschmack, Körperhaltung und Mode. Selbst bezeichnet sich Lohner auch als 68erin.

Hautnah erlebt Chris Lohner die Jugendrevolte in Paris mit, wo sie bereits seit einiger Zeit lebt. Steine werden aus dem Pflaster gerissen und Autos angezündet. In Österreich ist von der Jugendrevolte allerdings kaum etwas bemerkbar. Reaktionär sei es in Wien zugegangen, erinnert sich Lohner an damals.

Heute seien manche Werte und Einstellungen der ´68er Generation in der Gesellschaft angekommen, meint die Autorin. Auch wenn viele Mitstreiter von damals, nun andere Wege gehen würden.  Zufriedenheit, Müdigkeit oder keine Lust weiterzukämpfen … Was ist mit den Revoluzzern von damals geschehen?

Die 68er – Bewegung kommt erst mit einigen Jahren Verspätung nach Österreich. Medien, vor allem der österreichische Rundfunk, fördert junge Autoren, Künstler und Musiker. Sie beschreiben die österreichische Seele und leiten bei vielen Menschen einen Nachdenkprozess ein.

1979 ist Chris Lohner dann selbst als Interpretin tätig. Sie veröffentlicht das Album „Wer Bin Ich Wirklich“. Im Lied „Grüne Witwe“ karikiert sie das Selbstverständnis vieler Frauen jener Jahre. „Grüne Witwe“: Darin propagiert Lohner die weibliche Selbstbestimmung. Ebenso ein wichtiges „68“er Thema. „Emanzipation müsse durch Taten und Gesetze gelebt werden“, meint die Kabarettistin. Chris Lohner hat diesbezüglich keine Scheu vor der Aufdeckung von Tabus. In ihrer Arbeit weist sie permanent auf besondere Missstände in Punkto Gleichstellung zwischen Mann und Frau hin.

Ab 1973 ist Chris Lohner als Programmansagerin auf dem Bildschirm zu sehen. Ihre profunde Schauspiel- und Sprechausbildung sowie ihre Unverwechselbarkeit und ihr selbstbewusstes Auftreten lassen die Wienerin zu einem Star werden. Bald wird Chris innerhalb des ORF auch ehrenvoll „die Lohner“ genannt. Vollkommen unvoreingenommen ist sie damals an ihre Aufgabe herangegangen, erzählt sie. Über ihre plötzliche Berühmtheit und die viele Fanpost ist Chris Lohner zwar erfreut, dennoch etwas verblüfft. Die TV-Ansagen sind live. Für aktuelle Durchsagen, zum Beispiel eine Todesmeldung, müssen sämtliche Fernsehsprecherinnen gerüstet sein. Beim ORF ist Chris Lohner freie Dienstnehmerin. Nebenbei arbeitet sie an einer Karriere als Buchautorin. Im Laufe der Zeit erweitert Chris Lohner das Genre Fernsehansagerin zur Kunstform. Schließlich wird ihre Rolle in der Krimiparodie-Serie „Kottan ermittelt“ zum Glücksfall. In „Kottan“ spielt die Lohner eine Fernsehansagerin, die mit den Zusehern ständig in direkten Kontakt tritt. So kommentiert sie das Programm oder wendet sich mit skurrilen Mitteilungen an das Publikum. Die Ankündigung, dass auf vielfachen Wunsch des Publikums eine zehnminütige Bildstörung wiederholt werde, ist Kult geworden. Die Rolle der Fernsehansagerin in „Kottan ermittelt“ wird ständig weiterentwickelt und es kommt sogar zu einem Gesangsduett mit Lukas Resetarits, der damals den Kottan spielt. Die beiden singen das Duett „Something Stupid“ von Frank und Nancy Sinatra. Die Lohner nutzt ihre Bekanntheit, um karitative Projekte oder Organisationen, wie „Licht für die Welt“ zu unterstützen. Dieser Verein setzt sich dafür ein, dass beeinträchtigte Menschen in der Dritten Welt selbstbestimmt leben können. In Afrika würden sich die Probleme der Westeuropäischen Welt relativieren, meint sie.

Als sozial denkender Mensch gibt Lohner der aktuelle Rechtsruck in der Österreichischen Gesellschaft zu denken. So wehrt sie sich gegen negative Stimmungen, wenn es beispielsweise um Flüchtlingsbewegungen aus dem Nahen Osten geht. Die Bevölkerung Österreichs würde sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges durch eine große „Helfer-Tradition“ auszeichnen, erklärt Chris Lohner.  Egal, ob Ungarnaufstand 1956, Prager Frühling 1968 oder die Jugoslawienkrise in den 90er Jahren. Flüchtlinge seien in Österreich stets willkommen gewesen. Regierungen der ehemaligen Ostblockstaaten Polen, Ungarn und Tschechien, die laut Lohner kaum gewillt seien, Flüchtlingen zu helfen, nehme sie in die Pflicht.

Neben gesellschaftspolitischen Entwicklungen sind Lohner auch zwischenmenschliche Beziehungen ein Anliegen. Im Programm „Woll-Lust“ aus dem Jahr 2016 hat sie daher Verstrickungen des Lebens thematisiert. Mit Humor könnten eben komplizierte Zusammenhänge besser vermittelt werden, ist die Entertainerin überzeugt. Stricken fördere eben die Kommunikation.

Stichwort „Liebes-Psychologie“: Ebenso ein wichtiges Thema in Chris Lohners Programmen: Gibt es bei der Partnerwahl zwischen Mann und Frau gravierende Unterschiede? Die Kabarettistin möchte sich aber von dieser, wohl naturbedingten Partnerwahl, nicht beeinflussen lassen. In ihrem Buch „artige und unartige Liebesbriefe“ setzt sich die Autorin auch mit modernen Kommunikationsformen auseinander. In ihren Büchern und Kabarett-Programmen verrät Chris Lohner viele persönliche Alltagserfahrungen. So macht sie sich in ihrem Buch „Jung war ich lange genug“ auch über das Thema „Älterwerden“ Gedanken. Von Sprüchen wie „40 ist das neue 20“ hält die Autorin nicht viel. Chris Lohner ist neugierig auf das, was noch kommen wird: Die Resett- oder gar Löschtaste drücken zu können, um das eigene Leben immer wieder neu zu starten, käme für sie nicht in Frage.

Termine und weitere Informationen erhalten sie auf Chris Lohners Homepage unter www.chrislohner.com.

(Peter Pohn, Foto: Inge Prader)

Tracklist:

Marlene Dietrich: Sag mir wo die Blumen sind

Nancy Sinatra: This boots are made for walking

The Rolling Stones: Street fighting man

Chris Lohner: Grüne Witwe

Janis Joplin: Another little peace of my heart

Frank und Nancy Sinatra: Something stupid

Rainhard Fendrich: Schwarz oder Weiß

Lance Lumsden: Love is coming my way

 Wolfgang Ambros und Andre Heller: Für immer jung

 

 

 

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