Zur Kriegsmeinungsbildung im Heiligen Land: Erklären oder Rechtfertigen?

Podcast
Kein Kommentar
  • Kriegsmeinungsbildung: Erklären oder Verstehen?
    23:57
audio
23:49 min
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 1)
audio
24:29 min
Linker Nationalismus heute – so bescheuert wie damals
audio
24:57 min
Antworten auf die FPÖ (Teil II)
audio
22:57 min
Linke und andere Antworten auf die FPÖ
audio
23:07 min
Zum prognostizierten Erfolg der FPÖ
audio
22:56 min
Nationale Identität im richtigen Leben
audio
23:19 min
Nationale Identität im Zeitalter der Globalisierung
audio
22:36 min
Die Ansprüche eines Volkskanzlers an sein geliebtes Volk
audio
23:58 min
Zum Vorwurf des Völkermords an Israel
audio
22:05 min
Die Wahl – und warum gerade Populisten so scharf drauf sind

Zur aktuellen Kriegsmeinungsbildung:
Krieg im Heiligen Land: Erklären /statt / und / oder Rechtfertigen?

Im „Standard“ vom 17. Oktober 2023 ist ein für die aktuelle Meinungslandschaft doch bemerkenswerter Text erschienen, auf den ich mich nun beziehe. Die Überschrift erinnert an einen trivialen Unterschied: Israel und die Palästinenser: Erklären ist nicht rechtfertigen“. Stimmt, denn etwas zu erklären, heißt, den Grund einer Sache, eines Phänomens zu ermitteln. Wenn das gelingt, dann weiß man, womit man es zu tun hat. „Im allgemeinen Sprachgebrauch und in den Wissenschaften ist eine Erklärung der Versuch, die Ursachen eines beobachteten Sachverhaltes oder Phänomens durch die sprachliche Darlegung seiner logischen und kausalen Zusammenhänge verständlich zu machen.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Erkl%C3%A4rung)

Eine Rechtfertigung hat ein ganz anderes Anliegen: Eine Rechtfertigung befasst sich mit der Frage, ob ein Sachverhalt, ein Phänomen mit moralischen Maßstäben oder mit rechtlichen Setzungen übereinstimmt oder nicht. Dabei sind also zwei Momente zu unterscheiden – einmal die Sache selbst, und die unabhängig davon existierenden Gesetze oder Moralismen, die innerstaatlichen oder völkerrechtlichen Vorschriften bzw. die „Werte“, auf die sich jeweils berufen wird. Das ist der Unterschied zwischen „verstehen“, im Sinn von Bescheid wissen, sich auskennen – und „Verständnis haben“, im Sinn von etwas billigen oder zumindest moralisch „verständlich“ finden. Bemerkenswert ist die Betonung dieser Trivialität höchstens, weil alle Welt, wenn es um Krieg geht, an Erklärungen ziemlich desinteressiert ist, und sich stattdessen um Rechtfertigungen bzw. Verurteilungen bemüht. Jeder Inhaber eines durchschnittlichen Gedächtnisses kann sich womöglich daran erinnern, dass mit moralischen und völkerrechtlichen Setzungen sehr interessengeleitet, daher selektiv und situationselastisch umgegangen wird, von den Profis der staatlichen Gewaltausübung ebenso wie von den machtlosen Dilettanten an der Seitenlinie, wenn auch die sich ans Rechtfertigen oder Verurteilen machen.

[Der Autor des Standard-Textes, Jérôme Segal, hält es übrigens für sinnvoll, sich zu deklarieren, nämlich als „französisch-österreichischer Jude“, warum auch immer. Erwähne das hier der Vollständigkeit halber, ebenso wie die Trivialität, dass diese Selbstdeklaration seine Ausführungen inhaltlich nicht tangiert, sie weder besser noch schlechter macht.]
https://www.derstandard.at/story/3000000191369/erkl228ren-ist-nicht-rechtfertigen

Zum Krieg der Hamas gegen Israel

Der Kommentar von Jérôme Segal enthält u.a. auch den positiven Grund des Krieges der Hamas, der besteht nämlich im Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und echte politische Souveränität“. Segal meint es allerdings ganz anders, dieses „Recht“ sei ein Weg zum „Frieden“, wenn der Krieg vorbei sei – bloß ist dann und damit ohnehin alles entschieden. Jeder anders gemeinte Hinweis auf das Recht der Palästinenser auf einen Staat stellt sich heute natürlich ins Abseits, denn die „Grund-, Sinn- und Zwecklosigkeit“ des Terrors der Hamas gehört zu den normativ gehandelten Sprachregelungen, da wird mit dem Verbot von „Rechtfertigungen“ alles erschlagen, was nicht nach drei Sekunden als Rechtfertigung Israels kenntlich ist: Weil der palästinensische Terror durch nichts zu rechtfertigen ist, ist alles an israelischen Antworten gerechtfertigt, präventiv. Aha. Die Entmenschlichung des Feindes als „Tiere“ gehört da auf beiden Seiten allemal dazu, ebenso wie jede Menge passender Stilblüten: Für einen Sieg über die Hamas muss Israel eigene moralische Standards brechen“ (Standard 13.10.2023) Aha. Praktisch, solche „Standards“, die genau dann nicht gelten, wenn es darauf ankäme. Das ist ohnehin die übliche, die erwähnte normale Stellung zur Moral, zu dem, „was sich gehört“: Moralische Grundsätze sind super, alle (gemeint ist: alle anderen) sollten sich daran halten, für sich selber erteilt dann jeder – ob Individuum oder Staat – eine Ausnahmegenehmigung. So geht Moral, als die übliche, die normale Heuchelei. Nun zur Sache:

Das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser
auf einen „eigenen“ Staat …

Handelt es sich bei den Palästinensern denn überhaupt um ein „Volk“, das dieses Recht hat? Das wird bekanntlich öfter angezweifelt oder gleich bestritten. Die Antwort ist eindeutig ja, und wie jedes anständige Volk ist auch das palästinensische ein Resultat der Gewalt; allerdings nicht einer Gewalt über sich – da wollen sie ja erst hin. Dieses Volk ist ein Ergebnis der Koproduktion von fremden – israelischer und arabischen – Gewalten über die Palästinenser; diese sind die „Schicksalsgemeinschaft“ derer, die niemand haben will. Es ist daran zu erinnern, dass einige der schlimmsten Massaker an Palästinensern außerhalb Israels zu verorten sind, in Jordanien und im Libanon: Da wäre einmal der regelrechte Bürgerkrieg oder Machtkampf der jordanischen Armee gegen die damalige PLO der Jahre 1970/71, die dadurch aus Jordanien vertrieben wurde; die Terrororganisation „Schwarzer September“ hat sich danach benannt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Jordanischer_B%C3%BCrgerkrieg)
Seinerzeit sehr spektakulär auch das Massaker in den libanesischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila von 1982, verübt von christlichen Milizen im Libanon unter Patronanz der israelischen Armee. Dem damaligen Verteidigungsminister Scharon hat das einen kleinen Karriereknick beschert, er wurde als Minister abgelöst, Premierminister immerhin konnte er nachher noch werden. Oder: „Im Zuge der Lager-Kriege verübte die schiitische Amal-Miliz im Mai 1985 ein von libanesischen und syrischen Armeeverbänden geduldetes Massaker an Zivilisten in denselben palästinensischen Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila.“
(https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Sabra_und_Schatila#Hintergrund)

Die Vorstellung, angesichts der arabischen Staaten in der Umgebung müsste es doch dort auch ein Plätzchen für Palästinenser geben, die formuliert ein rassistisches Ideal: Nämlich, dass es sich bei „den Arabern“ um einen eigenen, völkisch homogenen und daher gleichgestrickten Menschenschlag handle, der deswegen auch Palästinenser mit offenen Armen aufnehmen müsste, praktisch auch so „solidarisch“ also, wie in den üblichen Lippenbekenntnissen. Nun, auch die real existierenden arabischen Staaten sind Staaten, die national kalkulieren, sich innen- und außenpolitisch nach ihren Kriterien positionieren, und dementsprechend die palästinensischen Flüchtlinge je nach Bedarf als anti-israelische Manövriermasse benutzen, oder auch nicht bzw. immer weniger; nicht nur Israel riegelt den Gaza-Streifen ab, auch Ägypten tut das nach seinen Kriterien. In den „Hintergrundinformationen“ über den Angriff der Hamas gerade jetzt fehlt selten der Hinweis auf die anstehende – und nun verzögerte – Aussöhnung Israels mit Saudi-Arabien, womit wohl auch der verlogene Umgang der arabischen Staaten mit den „Rechten des palästinensischen Volkes“ an ein Ende kommt. Anders denn als völlig substanzloser diplomatischer Titel hat die sog. „Zweistaatenlösung“ schon länger nicht mehr existiert, und mit der Regierungsbeteiligung der – nach israelischen Kriterien – anti-palästinensischen Rassisten nimmt die Siedlerexpansion in den „besetzten Gebieten“ ordentlich Fahrt auf, die längst praktisch betriebene Kein-Staaten-Lösung für Palästinenser wird immer offizieller. Jérôme Segal dazu:

Erinnern wir uns an die Frage ‘Wo sind unsere Soldaten?’… Drei Viertel der Einheiten waren im Westjordanland stationiert, um die 500.000 Siedler zu schützen, die das Land der Palästinenser unter Missachtung des Völkerrechts besetzt halten, und um die gewalttätigen Übergriffe einzudämmen, die dieselben Siedler in palästinensischen Dörfern verüben … “ Ähnlich Slavoj Žižek: „Israel, das sich lange rühmte, die einzige Demokratie im Nahen Osten zu sein, verwandelt sich unter der derzeitigen Regierung Netanjahu in einen Gottesstaat. In ihren ‘Grundprinzipien’ heißt es: ‘Das jüdische Volk hat ein ausschließliches und unveräußerliches Recht auf alle Teile des Landes Israel. Die Regierung wird die Besiedlung aller Teile des Landes Israel – in Galiläa, im Negev, auf dem Golan und in Judäa und Samaria – fördern und vorantreiben.’ Es ist unschwer zu erkennen, dass beide Seiten – Hamas und Israels ultranationalistische Regierung – gegen jede Friedensoption sind. … Israel, das die Kontrolle über dieses Territorium innehat, behandelt die Palästinenser jedoch wie zeitweilige Siedler, als Hindernis für die Errichtung eines ‘normalen’ Staates, in dem die Juden als einzig wahre Einheimische gelten. Die Palästinenser werden grundsätzlich als Problem betrachtet.“
(https://www.derstandard.at/story/3000000191525/die-wahre-trennlinie-zwischen-israel-und-pal228stina)

… als Kampf zweier Linien

Hamas in Gaza und die Fatah im Westjordanland unterscheiden sich in der Strategie, mit der sie für die Rechte der Palästinenser eintreten. Aus der totalen Unterlegenheit gegenüber dem wohl ausgestatteten und nach allen Regeln bürgerlicher Politik funktionierenden Staat Israel hat die PLO-Führung vor Jahren den praktischen Schluss gezogen, dass eine palästinensische Staatsgründung gegen Israel unmöglich ist. Die als aussichtslos verworfene Gewalt zur Etablierung eines Subjekts palästinensischer Hoheit versucht die Abbas-Fraktion dadurch zu kompensieren, dass sie sich mit dem Verzicht auf Gewalt gegen Israel die israelische Anerkennung als Verhandlungspartner, legitimer Vertreter der Palästinenser und als Nukleus des Staates Palästina erkauft.

Wie weit sie es damit gebracht hat, ist – nicht nur der Hamas – bekannt: Abgesehen von einem seinerzeitigen Friedensnobelpreis für Arafat hat die Fatah faktisch und auch formell immer größere Teile der früheren Kernelemente eines Staates Palästina aufgegeben. Weil sie ihr Eintreten für einen eigenen Staates an den „politischen Prozess“ mit Israel geknüpft hat, hat die Fatah faktisch alles anerkannt, was Israel zwischenzeitlich an Fakten geschaffen und an Ansprüchen radikalisiert hat. Die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge seit der israelischen Staatsgründung hat sie ebenso aus dem Verkehr gezogen wie ihren Anspruch auf das vollständige Territorium in den Grenzen von 1967 etc. usw. Als Führung der „Palästinensischen Autonomiebehörde“ spielt die Fatah obendrein und wohldosiert, die Rolle des aktiven Aufpassers und damit des Erfüllungsgehilfen der israelischen Besatzungsmacht, die sich auf diese Weise eines Teils des Verwaltungsaufwands entledigt, und sich ansonsten von nichts abhalten lässt.

Für die Hamas sind Verhandlungen mit Israel nicht nur durch ihr Ergebnis blamiert, sie kommen von vornherein einem Aufgeben der nationalen Sache gleich: Für diese Mannschaft ist die Gewalt nicht nur eine Methode, sondern die Sache selbst: „Eigenstaatlichkeit“ ist ja nichts anderes als die fraglos gültige Zuordnung von Leuten zu „ihrer“ obrigkeitlichen Gewalt, welche damit alle anderen Obrigkeiten von diesem Verhältnis und aus diesem Territorium ausschließt, und ihnen die Anerkennung der eigenen exklusiven Einheit von Staat und Volk abverlangt. Das im Kontext naheliegende Beispiel ist die israelische Staatswerdung. Ein Gewaltmonopol herstellen heißt nichts anderes, als alle konkurrierenden Ansprüche und Subjekte niederzumachen und sich so durchzusetzen – Gewaltfreiheit ist in dem Sinn nicht bloß die unzulängliche Methode, sondern von vornherein die Kapitulation.

Die Hamas wird folgerichtig nicht daran irre, dass bei jeder gewaltsamen Auseinandersetzung mit ihrem Gegner immer schon feststeht, dass sie praktisch-militärisch keine nur annähernd gleichwertigen Mittel entgegensetzen kann. Sie ist der Militärmaschinerie Israels hoffnungslos unterlegen und diese Ohnmacht wird gern moralisch gegen sie verwendet; wer kämpft, obwohl er keine Chance hat, ist dann wohl irre, von religiöser Todessehnsucht oder dem Bedürfnis nach Jungfrauen im Paradies getrieben. Vom Standpunkt der Palästinenser, die für ihre nationale Freiheit kämpfend leben und sterben, hat das alles aber sehr viel Sinn.

Denn sie machen auf ihre Weise ernst mit dem sehr modernen, allseits anerkannten Standpunkt, dass der Mensch nichts ist ohne seinen Staat, der ihm seine Rechte sichert, und er daher gar nicht anders kann, als dafür zu kämpfen – alternativlos. Die Toten beweisen dann auch nicht die Rücksichtslosigkeit so eines Staatsgründungsprogramms, sondern sie belegen die Größe und Erhabenheit der Sache für die sie gestorben sind – sie wurden nicht benutzt und verheizt, sie haben sich geopfert für den höchsten Wert, für die Nation, und beweisen so deren Absolutheit. Die Opfer sind Märtyrer, sie sterben für den Rechtsanspruch auf eine eigene palästinensische Herrschaft, der sich nur im Kampf erfüllt. Ein Kampf, der sich inzwischen auf die Demonstration des Rechts und des Willens zum Kampf auf einen Staat zusammenkürzt, ohne Bezug auf ein Ergebnis wie ein „befreites Territorium“. Deswegen erklärt die Hamas angesichts der Toten, Verletzten und Obdachlosen, dass das Stattfinden des Kampfes schon der Erfolg ist, weil er belegt, dass das Recht auf einen Staat nicht totzukriegen ist, sondern unausrottbar existiert, solange noch ein Palästinenser lebt. Die Erfolgskriterien der Hamas enthalten schon die totale Ohnmacht: Sie nehmen die israelischen Sprachregelungen von der existentiellen Bedrohung auf, und die Zerstörungen in Gaza als Beleg, wie bedroht Israel sein muss, um so zu reagieren. Der makabere Erfolg besteht darin, dass sich die Hamas als Kriegspartei betätigt hat und Israel zum Krieg zwingen konnte. Wo sich Israel mit der gefährdeten Existenz des Staates rechtfertigt, um die Notwendigkeit der Vernichtung seiner Feinde zu bekunden, da zieht Hamas daraus die Sicherheit, dass Israel nicht umhin kommt, sich mit ihr auseinanderzusetzen: Offenbar kann Israel sich nicht anders behaupten als durch Massaker an der palästinensischen Bevölkerung. Dazu passt es dann auch, wenn die Hamas und ansässige und auswärtige Anhänger palästinensischer Freiheit die Schönheit des Opfers zelebrieren. Dieser Wahn zeugt von der nationalen Reife der Beteiligten: Der Staatsgründungswille, der Anspruch auf die eigene Herrschaft ist ihre Recht, das sich im Tod durch Kampf manifestiert. Staatsmänner und solche, die es werden wollen, sind bekanntlich bereit, alles für ihr geliebtes Volk zu opfern; und wenn es denn sein muss, das Volk auch. Die Kriege um Gaza haben dann jeweils mit indirekten Verhandlungen und auf diese Weise mit einem Stück Anerkennung geendet. Wenn es nach der israelischen Regierung geht, ist das aktuelle allerdings das letzte Gefecht.

Der Staat ist das Menschenrecht!

Zwischendurch: Wenn das mit der Grund- und Zweck- und Sinnlosigkeit des Terrors denn bloß so wäre! Dann wäre die Sache schnell erledigt oder gar nicht in Gang gekommen, denn wer lässt sich denn schon umbringen beim Vorhaben, andere grundlos umzubringen? Es ist viel schlimmer, sogar der Terror und die Bestialitäten und die Gräueltaten der Hamas haben einen Zweck, und für diesen Zweck existiert ein militärisch-psychologischer Fachausdruck: „Shock and Awe!“, auf deutsch „Schrecken und Furcht“; in dem Fall für militärisch hoffnungslos Unterlegene. Falls das mit dem durchschnittlichen Gedächtnis nicht so hinhaut, ein Suchbefehl oder ein Besuch auf Wikipedia sollte genügen: „Shock and Awe!“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Shock_and_Awe)

Die Freiheitsterroristen der Hamas machen jedenfalls, wie erwähnt, auf ihre Weise ernst mit dem sehr modernen, anerkannten Standpunkt, dass der Mensch nichts ist ohne seinen Staat, der ihm seine Rechte sichert, und er daher gar nicht anders kann, als dafür zu kämpfen. Deswegen klingt für die Parteigänger Israels das Erklären dieses Zwecks wie eine Rechtfertigung: Weil es in der Tat eine ist, weil es vor allem die israelische ist, weil die Staatsgründung – in der modernen Welt – die Rechtfertigung schlechthin für die Entfaltung von Gewalt gegen existierende Gewaltmonopole und alle anderen Gegner ist. – Allerdings nur dann, wenn ein zu etablierender Staat den imperialistischen Mächten ins Konzept passt; so einer wird dann mit Geld und Waffen versorgt, wie momentan in der Ukraine zu besichtigen, aber das ist eine ganz andere Frage. Ein Palästinenserstaat passt jedenfalls nicht in die imperialistische Landschaft, genau so wenig wie ein kurdischer. (Die Aufzählung ist nicht vollständig.)

Der „Schrecken“, den Hamas tatsächlich erzeugt hat, der besteht nicht in den zugerichteten Leichen und den Entführten. Der israelische Staat hat seine höchste und letzte Existenzberechtigung nach Eigenauskunft darin, dass nur durch ihn und in ihm Juden in Sicherheit leben können, weil sie überall sonst – im Prinzip zumindest – gefährdet sind. Das stimmt zwar nicht ganz, immerhin wird der israelische Bürger beiderlei Geschlechts in schöner Regelmäßigkeit in den Krieg geschickt, der jetzige ist die fünfte Auflage gegen Gaza. Eines ist Hamas diesmal allerdings gelungen, nämlich die gründliche Demütigung des israelischen Nationalismus. Nein, Juden sind in Israel nicht in Sicherheit, das ist spätestens dann offenkundig, wenn welche aus Israel flüchten: Das ist der vielzitierte „9/11-Moment“ für Israel. Die angesagte Rache ist dementsprechend, der aktuelle Krieg soll der letzte sein, wenn es nach Netanjahu geht: Die endgültige Erledigung von Hamas ist nur durch die Verwandlung eines Großteils des Gazastreifens in einen unbewohnbaren Trümmerhaufen zu haben; die humanen Aufforderungen der israelischen Armee an die Bewohner, zu fliehen, haben nur einen kleinen Schwachpunkt – wohin sollen sie denn? Ins Meer? Vielleicht ist es Zeit für die Flüchtlingsrettungsschiffe, Kurs auf das östliche Mittelmeer zu nehmen.

Noch eine kleine Fußnote zur besonderen, womöglich „bedingungslosen“ Verantwortung von Deutschland bzw. Österreich für Israel wg. des Völkermords im Dritten Reich. Weil „wir“ damals die Juden umgebracht haben, deswegen müssen heute die Palästinenser bluten? Aha. „Wiedergutmachung“ auf Kosten unbeteiligter Dritter? Aha. Kein Wunder, dass Israel in den Nachfolgestaaten populär ist! Dass man das im arabisch-moslemischen Raum nicht „versteht“, im Sinn von billigt, das „versteht“ hierzulande wieder niemand …

Literatur:
https://de.gegenstandpunkt.com/dossier/zu-den-angriffen-auf-israel

Speziell zu den Manipulationsverfahren gewisser Medien:
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/krieg-kriegsmoral-kriegsoeffentlichkeit
(In dem Text geht es um die BILD-Zeitung. Deswegen sollte man nicht vorschnell abwinken, es wird sehr ausführlich den einschlägigen Techniken nachgegangen.)

Vgl. etwa auch:
https://www.republik.ch/2023/10/13/islamismus-experte-olivier-roy-ueber-den-hamas-angriff-auf-israel?utm_source=pocket-newtab-de-de

0 Kommentare

Deja un comentario