FRAUENZIMMER | If: informativ und feministisch.
Mittwoch, 23. Oktober 1014 ab 18.30 Uhr
Eine Frau klagt über Übelkeit, erbricht vielleicht sogar und hat Rückenschmerzen. Hier wird oft nicht oder zu spät ärztliche Hilfe hinzugezogen. Obwohl genau das Anzeichen für einen Herzinfarkt bei Frauen* sein können. Herzinfarkte sind die Nummer 1 Todesursache bei Frauen* mit 37 Prozent. Bei Männern* sind es 32 Prozent. Es hat also verheerende Auswirkungen, dass wir als Gesellschaft die Anzeichen eines Herzinfarktes bei Frauen*körpern nicht kennen und somit oft nicht ernst nehmen. Das Risiko, an einen Herzinfarkt zu sterben, ist für Frauen* um 20 Prozent höher als bei Männern*.
Das ist nur ein Beispiel dafür, wie hoch die Vernachlässigung von Frauen* in medizinischer Forschung und Versorgung nach wie vor ist. Es braucht also ein Umdenken.
Mit der Etablierung der Gendermedizin in den 1980er Jahren wurde der Faktor Geschlecht als Einflussgröße auf Erkrankungen und medizinische Behandlung, Forschung und Prävention erstmals berücksichtigt. Dabei geht es darum, geschlechtsspezifische Unterschiede wahrzunehmen und die Medizin damit an Frauen*körpern besser anzupassen.
Die Gendermedizin hat ihren Anfang in der Kardiologie. Alles hat mit dem „Yentl-Syndrom“ begonnen. Die US-amerikanische Kardiologin Barbara Healy hat erstmals in den 1980er Jahren das Phänomen beschrieben, dass Frauen* in der Forschung und in der Therapie vernachlässigt werden. Und zwar aufgrund von fehlender wissenschaftlicher Daten.
„Eine Frau muss erst beweisen, so herzkrank zu sein wie ein Mann, um dieselbe Behandlung zu erhalten.“
(Barbara Healy)
Was die Gendermedizin in den letzten Jahrzehnten bewirkt hat und wo sie noch wirken kann – das beantwortet in der Sendung Dr. Edith Huber. Sie ist Internistin und Kardiologin und hat seit einigen Jahren ihre Praxis in Hallwang. Davor war sie u.a. viele Jahre ärztliche Leiterin des Ambulatorium Nord für Herz-Lungen Rehabilitation.
„In der Therapie macht man Fortschritte. Wir bemühen uns – auch dadurch das inzwischen 50 Prozent Frauen in der Medizin sind. Ich glaube, da ist auch der Blickwinkel auf die Frauen (…) und die weibliche Medizin stärker geworden.
Was mich immer noch wundert, ist, dass wieder in Studien festgestellt wurde, dass ältere Frauen weniger häufig z.B. nach einem Herzinfarkt auf Intensivstationen aufgenommen werden. Also da gibt es offensichtlich immer noch Unterschiede, die man sich nicht wirklich erklären kann.“
(Dr. Edith Huber)
Faktencheck: Wie unterscheiden sich Krankheiten bei Männer- und Frauenkörpern?
- Von chronischen Schmerzen sind Frauen* ca. doppelt so oft betroffen wie Männer*.
- Wegen ihres Körperbaus haben Frauen ein höheres Risiko, sich mit sexuell übertragbaren Krankheiten anzustecken (bei Gonorrhoe ein 60-90 prozentiges Ansteckungsrisiko, Männer 20-30 Prozent).
- Frauen* leiden doppelt so häufig unter Depressionen und mentalem Stress wie Männer*.
- Frauen* begehen mehr Suizidversuche, Männer* begehen häufiger tatsächlichen Suizid — daher geht man davon aus, dass die Dunkelziffer an Depressionen bei Männern* deutlich höher ist.
- Frauen bauen Wirkstoffe von Medikamenten langsamer ab als Männer. Eine Tablette braucht ca. doppelt so lang durch den Magen und Darm von Frauen.
- Von genetischen und chromosomalen Erkrankungen sind Frauen seltener betroffen als Männer – Grund dafür ist das zweite X-Chromosom, das einige Defizite ausgleichen kann.
- Während Männer Fett eher um die Organe speichern, wird es bei Frauen unter der Haut gespeichert. Zwar besitzen Frauen einen höheren Körperfettanteil als Männer – allerdings sind Männer fast doppelt so oft von Zucker- und Fettstoffwechselstörungen sowie Bluthochdruck betroffen.
Mehr Infos zum Thema:
- Frauengesundheit in the air: Was hält und macht Frauen und Mädchen gesund? — jeden 1. Mittwoch im Monat um 17:30 Uhr, mit Aline Halhuber-Ahlmann und Marietta Hajek vom Frauengesundheitszentrum Salzburg. Alle Folgen zum Nachhören
- Das Frauengesundheitszentrum Salzburg – Angebot: Veranstaltungen, Vorträge, Workshops und (anonyme) Beratungen.
Alpenstraße 48 / 1. Stock, 5020 Salzburg
Telefon: 0662 44 22 55
E-Mail: office@fgz-salzburg.at
Homepage: frauengesundheitszentrum-salzburg.at
Diagnose: Frau – Neues aus der Gendermedizin — das ist der Titel der aktuellen Ausgabe vom Magazin if – informativ und feministisch. Das Magazin wird vierteljährlich herausgegeben von der Abteilung Kultur, Bildung, Gesellschaft und Sport des Amtes der Salzburger Landesregierung.
- Gestaltung und Moderation: Rafaela Enzenberg und Angela Beyerlein
- Link zum Download der Ausgabe: Diagnose: Frau — Neues aus der Gendermedizin
- Link zum Referat für Frauen, Diversität und Chancengleichheit, Land Salzburg: vergangene Ausgaben des Magazins
- Musiktitel: Barbra Streisand und Donna Summer – No more tears
- Titelbild von madartzgraphics auf Pixabay