V zadnjih letih nas je doletelo veliko humanitarnih katastrof. Ena izmed večjih v Evropi je izguba življenj migrantov. Če jim uspe prečkati nevarno Sredozemsko morje, nato pogosto obtičijo v centrih za migrante. Tam jih pričaka vse drugo kot človeka vredno življenje. Namesto da bi se družba odzvala s sočutjem in solidarnostjo, je za njihove zgodbe že močno otopela. Govorili bomo s profesorico političnega prava z dunajske univerze, ki nam bo pojasnila novi evropski skupni azilni postopek. Z nami bo tudi študentka politologije, prav tako z dunajske univerze, ki meni, da si lahko povrnemo sočutje.
„Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen“, heißt es in Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Im Jahr 2014 verloren im Mittelmeer 29.984 Menschen ihr Leben oder gelten als vermisst, so die Angaben der Vereinten Nationen. Trotz dieser erschreckenden Zahlen blieb ein massiver öffentlicher Aufschrei aus. Stattdessen wird eine strengere Asylpolitik gefordert, während rechtspopulistische Rhetorik diese Position noch verstärkt. Die Opfer dieser Tragödien bleiben oft unsichtbar, ihre Geschichten ungehört. In diesem Kontext stellt sich die Frage: Wer hat in der Europäischen Union tatsächlich ein Recht auf Schutz?
Im heutigen Schwerpunkt, anlässlich des Internationalen Menschenrechtstages, richtet Emily STEINECKER, Studentin der Politikwissenschaften in Wien, einen eindringlichen Appell für eine menschenwürdige Asylpolitik. Sie vermisst ein kollektives Mitgefühl und appelliert an eine solidarische Gesellschaft.
Dr.in Anuscheh FARAHAT, Professorin für Öffentliches Recht zu europäischen Bezügen an der Universität Wien analysiert das „Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) und verdeutlicht, dass der darin enthaltene europäische „Solidaritätsmechanismus“ zukünftig auch Forstschritte ermöglicht.
Aktuelle Zahlen zu Migranten*innen in der EU finden Sie unter diesem Link: https://non-eu-migration.vercel.app/
Die zentrale Fragestellung, die Emily Steinecker aufwirft: Was sagt es über eine Gesellschaft aus, dass das Sterben auf dem Mittelmeer und die Verbrechen an den EU-Außengrenzen stillschweigend hingenommen werden? Die Antwort auf dieses Stillschweigen interpretiert sie so:
Für mich ist dieses kollektive Schweigen vor allem ein Ausdruck von Überforderung und vielleicht auch eine Art von Hilflosigkeit. Es gab in den letzten Jahren sehr, sehr viele Krisen. Es gibt heute noch sehr, sehr viele Krisen, sei es die Klimakrise, die Corona-Pandemie, Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten. Und das alles führt dazu, dass Menschen sich von diesen negativen Nachrichten überwältigt fühlen. Und ich habe auch das Gefühl, dass das Sterben auf dem Mittelmeer dann nur eine weitere Nachricht ist, die in der Masse der globalen Probleme unterzugehen scheint.
Außerdem kann man auch sehen, dass gerade diese Überforderung und diese Ängste, die ganz viele Menschen verspüren, von politischen Akteur_innen auch bewusst instrumentalisiert werden. Es werden Ressentiments geschürt, zum Beispiel durch die Behauptung, dass Geflüchtete in der EU nichts weiter seien als eine Bedrohung für unsere Sicherheit, oder den sozialen Wohlstand der EU. Und so wird das ganze Thema der Migration keine Frage der Menschlichkeit mehr, sondern es geht immer nur um Abwehr und Abschottung von der EU nach außen.
Das alles führt für mich dazu, dass es eine Abstumpfung zu geben scheint gegenüber menschlichem Leid. Vor allem, wenn es sich außerhalb der eigenen Grenzen abspielt. Und es gibt eine Trennung zwischen uns und den anderen. Und das Leid der anderen – was in dem Fall das Sterben auf dem Mittelmeer vor allem ist – führt zu weniger Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Ich hoffe aber trotzdem, dass das nicht bedeutet, dass es den Menschen in unserer Gesellschaft gleichgültig ist, sondern dass diese Überforderung auch wieder umgekehrt werden kann und die Verunsicherung überwunden werden kann: Indem wir Menschen aufklären, sie effektiv fördern und die Stimme der Betroffenen sichtbar machen.
Dieses kollektive Schweigen hat seine Ursachen darin, dass diese vielen Krisenerscheinungen, die es in unserer Gesellschaft derzeit gibt, dazu führen, dass also dieses Problemfeld Mittelmeer untergeht, und vielleicht dadurch auch entsprechend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet. Vielleicht können Sie dazu noch einige Gedanken liefern?
Ja, es gab in den letzten Jahren immer wieder ganz viele Berichte dazu, wie viele Menschen auf dem Mittelmeer gestorben sind und vor allem sehr viele journalistische Aufarbeitungen. Also „Pro Asyl“[1] schreibt zum Beispiel zu den Menschenrechtsverletzungen, die vor allem an der griechischen Außenküste passieren. Und ohne diese journalistische Aufarbeitung würden viele der Verbrechen gar nicht herauskommen. Also die Politik scheint dort zu versagen, denn es scheint überhaupt gar keinen Sinn zu geben, diese Verbrechen – die es bewiesenermaßen gibt – aufzuklären und dafür zu sorgen, dass sowas in Zukunft nicht mehr passiert.
Und obwohl es diese Berichte gibt, obwohl viele ganz tolle Journalist_innen immer wieder darüber berichten, gibt es keine Welle der Empörung, keine Welle des Mitgefühls, da unsere Gesellschaft so stark damit beschäftigt ist, mit den eigenen Problemen, mit den vielen Nachrichten von Kriegen und Krisen, wie ich schon gesagt hatte. Und das führt dazu, dass es einfach keinen Raum gibt für dieses Leiden (in) unserer Gesellschaft.
Wie kann eine Gemeinschaft, die auf den Grundsätzen von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität aufbaut, so schnell ihre moralische Verpflichtung gegenüber Schutzbedürftigen vergessen? Diese Frage werfen Sie in einem bemerkenswerten Artikel in der Zeitschrift „Progress 3/24“ auf. Wie würde Ihre Antwort auf diese von Ihnen aufgeworfene Fragestellung lauten?
Vielleicht erst mal: Was ich damit meine, ist, dass es ein ganz großes Spannungsverhältnis gibt zwischen den Grundwerten, die wir in der Europäischen Union leben – also Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – und realpolitischen Zwängen. Also es ist total leicht, unsere westlichen Werte in einer Sonntagsrede zu beschwören, aber sie in einer Krisensituation konsequent umzusetzen, das gestaltet sich natürlich viel, viel schwieriger. Und das sieht man eben an der ganzen Migrations- und Asyldebatte.
Unsere Gesellschaft wendet diese Prinzipien von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sehr selektiv an. Das bedeutet, gerade Solidarität wird oft nur innerhalb der eigenen Gruppe, oder der eigenen Nation, oder EU praktiziert. Und an der Außengrenze scheint es an dieser Solidarität zu fehlen. Was man ganz stark daran sieht, wie rassistisch und populistisch die Asyldebatte in der EU aufgeheizt ist.
Es fehlt völlig ein kollektives Mitgefühl. Es geht immer nur darum, Geflüchtete mit Terror, mit Kriminalität und sonstigen schlechten Eigenschaften gleichzusetzen. Und wie genau das passieren kann. Ich glaube, das schließt sich an die andere Frage an, die einfach wieder ein Ausdruck dessen (ist), dass es eine Überforderung zu geben scheint. Dass es ganz, ganz viele Ängste gibt, die von politischen Akteuren ganz bewusst genutzt wird, um eine Debatte zu schaffen, die ihren eigenen Interessen hilft.
Deswegen ist es ganz wichtig, diese Debatte wieder zurückzuführen darauf: Was wollen wir in unserer Gemeinschaft? Was sind unsere Prinzipien? Und wie können wir dafür kämpfen, dass diese Prinzipien von Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit konsequent umgesetzt werden? Da müssen wir einfach unsere moralische Verpflichtung wieder ins Zentrum rücken.
Unsere moralische Verpflichtung ins Zentrum rücken und ein „kollektives Mitgefühl“ entwickeln, wurde nun eingefordert. Könnten Sie diese Überlegung noch etwas ausführlicher erläutern?
Für mich bedeutet kollektives Mitgefühl, dass wir in der sehr berechtigten Debatte um Asyl ein neues Narrativ einnehmen. Dass wir von Migration nicht immer nur im Kontext von Kriminalität und Terrorismus sprechen, sondern dass wir, wenn wir über Asyl reden, auch darüber reden, warum die Menschen fliehen, warum sie so einen gefährlichen Weg über das Mittelmeer auf sich nehmen, um zu uns nach Europa zu gelangen. Dass wir mehr über das Leid dieser Menschen sprechen, dass wir aber auch mehr über die Träume und Wünsche dieser Menschen sprechen, mit denen sie in die EU kommen.
Und dass wir uns solidarisieren mit den Menschen. Denn im Endeffekt sind wir einfach nur glückliche Menschen, die zufällig im richtigen Land geboren wurden. Wir hätten alle auch in einem Kriegs- und Krisengebiet geboren werden können. Und wir alle könnten in eine Situation kommen, in der es schwierig ist, in der wir vielleicht flüchten müssen. Und ich hoffe einfach, dass man genau diese Perspektive mehr einnimmt in unserer Gesellschaft, in der Politik, aber auch in den medialen Darstellungen von Migration.
Wir werfen nun einen Blick auf das „Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) und Dr.in Anuscheh Farahat verdeutlicht ihre Einschätzung, ob die aktuellen gesetzlichen Regelungen einen Fortschritt für eine menschlichere Asylpolitik in Europa ermöglichen können:
Grundsätzlich sehe ich bei dem neuen Pakt, also bei dieser Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems, eher neue oder schon altbekannte menschenrechtliche Probleme auf uns zukommen. Also ich glaube eigentlich nicht, dass es hier wirklich zu einer Lösung kommt, sondern ich glaube, dass viele alte Lösungen, die wir schon hatten, nämlich die Asylverfahren vorwiegend an den Rändern der Europäischen Union durchzuführen. Was eben immer dazu führt, dass man die Menschen dort irgendwie unterbringen und auch in irgendeiner Form auch dazu zwingen muss, dort zu bleiben. Das wirft eben große Kapazitätsfragen auf, wirft eben auch menschenrechtliche Fragen auf. Und das ist jetzt nur eines von den Beispielen, die ich sehe, wo ich glaube, da werden die Herausforderungen eher größer.
Ein zweites ist der Umstand, dass auch an vielen Stellen der Rechtsschutz von den Betroffenen, die eben um Schutz nachsuchen, noch mal etwas schwieriger wird, weil Fristen gekürzt werden, weil eben auch die Gründe, weswegen man sich gegen bestimmte Entscheidungen wehren kann, reduziert werden. Und das führt eben auch dazu, dass eben eigentlich es schwerer wird, Menschenrechte zu realisieren, als leichter.
Dennoch meinten Sie, dass dieses Gesetz einen sogenannten „Solidaritätsmechanismus“ enthalte. Welche Bedeutung hat er? Kann er dazu beitragen, dass beispielsweise Asylverfahren für schutzsuchende Personen zukünftig rascher, besser und menschlicher abgewickelt werden können?
Wir haben ja im gegenwärtigen System der Organisation des Asylverfahrens in der EU das so organisiert, dass die Zuständigkeit für die Durchführung des Verfahrens immer bei einem Mitgliedstaat liegt. Und da haben wir ein System, das zunächst einmal die Zuständigkeit den Staaten zuweist, in die eine Person zum ersten Mal in die EU, typischerweise ohne Aufenthaltsrecht, eingereist ist. Und das sind eben ganz oft die Staaten an den europäischen Außengrenzen. Und die sind notorisch überlastet, weswegen sie sehr häufig inzwischen die ankommenden Flüchtlinge nicht mehr registrieren – und diese schutzsuchenden Personen dann eben weiterreisen in andere Staaten, zum Beispiel Österreich, zum Beispiel Deutschland oder auch Schweden und dort dann versuchen, ihr Asylverfahren durchzuführen.
Und das führt dann natürlich wieder auf der anderen Seite eben auch zu Spitzenbelastungen in diesen entsprechenden Zielländern dieser sogenannten Sekundärmigration. Und das führt zu Konflikten, weil eben sowohl die Staaten an den Außengrenzen als auch die Staaten in der Mitte, beziehungsweise im Norden, das Gefühl haben, ungerecht behandelt zu sein und zu viel Verantwortung für diese Asylverfahren übernehmen zu müssen, zu viele Asylverfahren durchführen zu müssen.
Dem will eigentlich dieser Solidaritätsmechanismus begegnen. Und er ändert erstmal – das muss man vielleicht sagen – an diesem grundlegenden System, wie die Zuständigkeiten verteilt werden, nichts. Also es sind weiter in der ersten Linie die Außenstaaten der Europäischen Union, also an der Außengrenze, die für die Verfahren zuständig sind. Aber es ist jetzt neuerdings eben so, nach diesem Mechanismus, dass es möglich ist, oder dass Staaten in einer Situation, in der sie eben mit besonders hohen Zahlen von ankommenden Schutzsuchenden konfrontiert sind, die Europäische Kommission anrufen können und die Europäische Kommission dann den sogenannten Solidaritätsfall ausrufen kann. Das kann sie nicht alleine. Dazu bedarf es dann auch noch einer Entscheidung des Rats der Europäischen Union. Das heißt, es muss relativ umfassend ein Entscheidungsprozess auf europäischer Ebene stattfinden.
Und das Besondere an diesem Mechanismus ist jetzt, dass alle Mitgliedstaaten verpflichtet sind – das ist neu – wirklich zu diesem Solidaritätsfonds beizutragen. Jetzt kommt allerdings der Haken. Denn diese Beiträge, also die Frage, was man beiträgt, das können die Mitgliedstaaten frei wählen, zwischen drei Optionen. Die erste Option ist, sie zahlen Geld. Die zweite Option ist, sie bilden aus, sie bilden also beispielsweise Grenzschützer aus in dem anderen Mitgliedstaat, oder aber auch Personal in Drittstaaten, die verhindern sollen, dass Personen überhaupt die europäischen Außengrenzen erreichen. Oder sie übernehmen selbst Verantwortung für die jeweiligen Schutzsuchenden und übernehmen praktisch das Asylverfahren. Das ist natürlich auch möglich. Zwischen diesen Varianten können die Mitgliedstaaten eben wählen.
Und da sieht man eben schon, dass letztlich die ankommenden Flüchtlinge natürlich in dem Land bleiben werden, wo sie eben auch bisher schon sind, nämlich an den europäischen Außengrenzen, wo dann eben die Verfahren durchgeführt werden sollen und die anderen Mitgliedstaaten, wenn man so will, sich auch ein bisschen freikaufen können, durch ihre anderen Beiträge. Also da ist ein gewisser Haken in diesem System drin.
… um nochmals auf die Frage zurückzukommen: Warum finden Sie trotzdem, dass dieser „Solidaritätsmechanismus“ ein Fortschritt ist?
… Ich finde, es ist ein Fortschritt, weil mit diesem Mechanismus erstens überhaupt Solidaritätsbeiträge zum ersten Mal verpflichtend werden. Und zweitens, weil auch ein sogenanntes High-Level-Forum über Solidarität auf der europäischen Ebene eingeführt wird. Das heißt: Ein Ort, ein Gremium, das regelmäßig einmal im Jahr über den Zustand der Solidarität im europäischen Asylsystem berät. Also sich anguckt: Wie gut funktioniert das, was wir bisher machen? Wo gibt es Ungleichgewichte? Was könnte man vielleicht besser machen? Das ist natürlich vollkommen offen, welche Schlussfolgerungen dieses Gremium am Ende ziehen wird und ob das effektiv sein wird. Und es gibt viel Grund, da auch nicht zu optimistisch zu sein. Aber wir wissen eben aus der Forschung zu ähnlichen – sage ich mal, bisschen „softeren“ – Mechanismen im Völkerrecht, dass, sobald ein Thema erstmal so weit institutionalisiert ist, dass regelmäßig darüber gesprochen wird, der Zugzwang, der politische Zugzwang für die Staaten, sich dazu auch zu verhalten und dazu auch entsprechende Maßnahmen zu setzen, dass der steigt. Jedenfalls, wenn dieses High-Level-Forum dann eben auch wirklich ernst genommen wird und tatsächlich eben auch tagt.
Emily Steinecker meint, die Debatte um Migration würde in der EU zunehmend von rassistischen und rechtsgerichteten Positionen dominiert sein. Welche Debatte sie sich wünschen würde, verdeutlicht sie, indem sie meint …
… Ja, ich hatte schon gesagt, dass in der medialen Debatte Migration mit Kriminalität und Terrorismus gleichgesetzt wird. Was auch sehr oft geschieht, ist, dass die Behauptungen, Geflüchtete würden nur unser Sozialsystem ausnutzen, immer mehr an Boden gewinnt. Der deutsche CDU-Politiker Friedrich Merz hat vor einigen Monaten mal fälschlicherweise behauptet, dass Geflüchtete, die Asylbewerber, die abgelehnt wurden, den Deutschen die Zahnarzttermine wegnehmen, weil sie alle beim Arzt sitzen und sich die Zähne neu machen lassen. Das ist natürlich offensichtlich eine Falschaussage. Aber Aussagen wie diese von rechten, konservativen, populistischen Politiker_innen führen dazu, dass rechte und rassistische Positionen an Boden gewinnen, weil sie einfache Antworten auf komplexe versprechen und sie greifen auf Ängste zurück, die auf sozialer Unsicherheit und fehlendem Vertrauen in die Regierung beruhen.
Und die Debatte, die ich mir wünsche, ist eine, die die Ursachen von Flucht konzentriert: Also Kriege, Klimawandel und Ungleichheit. Und eine Debatte, die dafür da ist, langfristige Lösungen zu entwickeln. Wir sollten die Stimmen von Geflüchteten selbst stärker einbeziehen und aufzeigen, dass Migration nicht nur Herausforderungen, sondern auch Potenziale mit sich bringt. Und vor allem müssen wir vermeiden, dass kurzfristige Panikmache uns vor einer ernsthaften und faktenbasierten Diskussion wegleitet, und dass wir mehr Empathie und Respekt wieder in den Diskurs mit einbringen.
Eine abschießende zentrale Botschaft, anlässlich des heutigen Internationalen Menschenrechtstages, richtet nun Emily Steinecker an Sie, geschätzte Hörerinnen und Hörer:
Ja, meine Botschaft ist, dass Menschenrechte universell sind. Das bedeutet, ich möchte betonen, dass Menschenrechte für alle Menschen gelten. Unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Aufenthaltsstatus. Und Menschenrechte dürfen nicht an nationalen Grenzen enden. Hinter jeder Zahl, die wir in den Zeitungen lesen, steht ein Mensch mit Hoffnungen, Ängsten und Träumen. Und mir ist es wichtig, dass wir wieder mehr ihre Geschichten erzählen, um die Würde und Menschlichkeit sichtbar zu machen. Eine menschliche Asylpolitik erfordert, dass wir aktiv handeln. Wir können NGOs unterstützen, wir können politisch mitbestimmen. Oder, wir können uns engagieren für eine offene und solidarische Gesellschaft. Denn wir alle tragen auch Verantwortung in dieser Gesellschaft, in der wir leben möchten. Und deswegen ist mir wichtig zu sagen, dass wir eine Gesellschaft sein sollten, die solidarisch ist, die gerecht ist, die menschlich handelt. Und das nicht nur am Tag der Menschenrechte, sondern jeden einzelnen Tag.
Und Dr.in Anuscheh Farahat fügt in ihrem abschließenden Appell zum heutigen Menschenrechtstag hinzu, …
…, dass wir im Bereich des Migrationsrechts nicht aufhören dürfen, Menschenrechtsverletzungen tatsächlich auch festzustellen – dort, wo sie passieren. Dass wir also kritisch bleiben müssen, gegenüber der rechtlichen Praxis und nicht in einen Zustand uns hineintreiben lassen sollten von rechtspopulistischen Kräften, indem wir es akzeptieren, dass es am Ende des Tages Menschenrechte zweiter Klasse gibt. Oder wir den grundlegenden Anspruch der Menschenrechte, dass sie universal für alle Menschen gleich gelten, dass wir den aufgeben. Also davor sollten wir uns hüten.
[1] Pro Asyl ist ein Verein mit Sitz in Frankfurt am Main, der sich für den Schutz und die Rechte von asylsuchenden Menschen in Europa einsetzt. Link: https://www.proasyl.de/
Kurzbiografien
Emily Steinecker ist Studentin der Politikwissenschaften an der Universität Wien, engagierte sich bei Fridays for Future und für Klimagerechtigkeit. In der Zeitschrift „Progress 3/24“ der Österreichischen Hochschüler_innenschaft, hat sie einen Aufsatz unter dem Titel „Massengrab Mittelmeer: Wer darf in Europa leben?“ im Oktober 2024 verfasst. Die Publikation erscheint in einer Auflage von 45.000 Stück.
Dr.in Anuscheh Farahat ist seit März 2024 Professorin für Öffentliches Recht in seinen europäischen Bezügen an der Universität Wien. Sie forscht zu Fragen des nationalen und europäischen Verfassungsrechts, zu europäischem und internationalem Migrationsrecht, zu Grund- und Menschenrechtsschutz mit einem besonderen Fokus auf Solidaritätskonflikte. Ihr Buch „Progressive Inklusion: Zugehörigkeit und Teilhabe im Migrationsrecht“ (Springer Verlag, 2014) wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Weiterführende Informationen:
UNITED for Intercultural Action ist ein europäisches Netzwerk gegen Nationalismus, Rassismus, Faschismus und zur Unterstützung von Migrant*innen und Geflüchteten. In der „UNITED List of Refugee Deaths“ sammelt UNITED seit 1993 verlässliche Daten über Todesfälle von Flüchtlingen im Zusammenhang mit der „Festung Europa“. Im Zeitraum 1993-2024 sind mindestens 60.620 dokumentierte Todesfälle von Flüchtlingen auf die „fatale Politik der Festung Europa“ zurückzuführen. Informationen und Details sind abrufbar unter: https://unitedagainstrefugeedeaths.eu/