Österreichischer Journalisten Club / 17.02.2006 / 10:49 / OTS0102 5 II 1080 NEF0006 CI
Wien (OTS) – „Bei Trend, Profil und Standard habe ich nichts
anderes getan, als die internationale Normalität nach Österreich zu
holen.“ So beschreibt Oscar Bronner (63), Gründer dreier
österreichischer Medien, im Kreuzverhör der ÖJC-Mitglieder am
16.2.2006 seinen Beitrag zur österreichischen Medienlandschaft.
Sein Vorbild für den Standard war die New York Times. Bronner:
„Wenn man in New York lebt, dann lebt man mit der besten Zeitung der
Welt.“ Der Standard habe heute in Österreich eine Reichweite von 5,5
bis 6 Prozent der Bevölkerung im Alter von mehr als 14 Jahren. Im
Vergleich dazu bringe es die Süddeutsche Zeitung nur auf 2,3 %. Dies
sei aber auch aus der etwas anderen Marktlage zu sehen. Auf jeden
Fall gebe es für jede Zeitung eine „natürliche Reichweite“, die sich
auch durch Abonnenten-Geschenke nicht dauerhaft vergrößern lasse.
Bronners Zukunft
„Ich habe eine Qualitätszeitung gegründet, weil ich sie lesen
wollte“, erklärt Bronner auf Fragen nach seinen Zukunftsplänen. Er
würde keine Qualitätszeitung machen, „wenn ich nicht glaubte, dass
das Zukunft hat“, fügt er hinzu.
Besonders stolz ist er auf das online-Medium standard.at, das
Gerlinde Hinterleitner gemeinsam mit Bronners Sohn Azzo Mitteräcker
leitet. Bronner: „Beim standard.at finden enorme Innovationen statt.
Es kommen aus ganz Europa Leute her, um sich Dinge abzuschauen.“
Zu seinen eigenen Ambitionen sagt er: „Ich habe keine Ambition, in
Pension zu gehen“, aber: „Ich schau’ mich nicht nach Marktlücken um.
Mein Bedarf an Lesern ist für mich jetzt gedeckt.“ Den Traum, eines
Tages wieder als Maler und Bildhauer zu arbeiten, hat er nicht
aufgegeben, aber für später aufgeschoben.
Besonders interessant war, die Geschichte der von Bronner
gegründeten Medien aus seinem eigenen Mund zu hören. Er beginnt mit
der Feststellung, „dass die Profis bei allen meinen drei Gründungen
sich an den Kopf gegriffen haben.“ „Ich wollte gern so was lesen und
machen“, begründet er die Gründung des „profil“. Aber es gab keinen
Verlag, der das Projekt realisiert hätte. An einen eigenen Verlag
dachte er nicht, denn er hatte nach eigenen Worten „null
wirtschaftliche Ausbildung.“ Dann sei Bronner aber „draufgekommen,
dass das preisgünstig zu gründen wäre“, und das tat er dann.
Aber nicht sofort. Zuerst fand er Freunde, die mit ihm das
Wirtschaftsmagazin trend gründeten, gleichsam „als Startrampe für das
profil“. Rückschauend sagte er im Österreichischen Journalisten Club
(ÖJC) über den trend: „Das war ein Sensationserfolg.“ Dabei wäre
beinahe alles noch geplatzt. Freund und Partner Schwarzenberg, der
soeben ein Vermögen geerbt hatte, zog sich unter dem Druck seiner
Berater wieder zurück. Einziges Zugeständnis: Sein Name durfte
weiterhin genannt werden. Bronner: „Daher betrachte ich ihn als
Mitgründer.“ Der Rest ist Geschichte. trend und profil sind noch
heute erfolgreich.
Umweg zum Standard
Während seiner Arbeit an profil hatte Bronner New York besucht.
„Ich war fasziniert von der Stadt“, berichtete er im ÖJC.
Gleichzeitig hatte er den Traum, als Maler und Bildhauer zu arbeiten.
Als sich 1974 die Gelegenheit ergab, trend und profil zu verkaufen,
nahm Bronner diese Chance wahr: „Ich habe die beiden Träume
kombiniert und bin auf ein halbes Jahr nach New York gefahren.“ Dann
habe er „nach 13 Jahren bemerkt, dass das halbe Jahr vorbei war“, und
sei heimgekehrt – nicht ohne Heimweh nach der New York Times.
Was lag da näher, als die Erfahrung im Zeitungsgründen nun an
einer Tageszeitung zu erproben, zuerst als Zeitung für
Wirtschaftspolitik und Kultur mit 10.000 Stück Auflage? Sobald 30.000
Stück Verkaufsauflage erreicht waren, wollte er eine volle
Tageszeitung machen. Was er nicht ahnte: Die 30.000 Stück hatte er
schon am ersten Tag, und auch an den darauf folgenden Tagen, Wochen
und Monaten lag die verkaufte Auflage „nie unter 33.000 Stück“. Also
wurde der Standard schon nach einem halben Jahr zu dem Medium
ausgebaut, das er heute ist.
Die Finanzierung dieses Abenteuers ging nicht sproblemlos wie bei
trend und profil. Bronner: „Da war mein Financier de facto die
Druckerei.“ Für eine Tageszeitung brauchte er Bankmittel. Er erinnert
sich: „Ich habe mit österreichischen Banken gesprochen. Vor 19 Jahren
war die Bankenlandschaft strikt in rot und schwarz eingeteilt.“ Er
antichambrierte bei Banken beiderlei Couleur und fand Gehör. Bronner:
„Ich habe, nachdem ich die Zusagen der Banken hatte, stolz verkündet:
„Ich starte.“ Dann kam die kalte Dusche: Über Intervention der
Tageszeitungen, die den beiden Großparteien nahe standen, zogen die
Banken ihre Zusagen wieder zurück. Bronner: „Eigentlich habe ich das
Projekt dann als gescheitert gesehen.“
Der damalige AZ-Chef Anton Pelinka meinte in der ÖJC-Diskussion
entschuldigend: „Natürlich hat auch die Gründung des Standard die
Chance noch kleiner gemacht, aus der AZ eine liberale Tageszeitung zu
machen.“ Bronner streut dem Organ der SPÖ Rosen: „Es war in der
allerletzten Phase noch eine gute Zeitung.“ Dann trat die
ausländische Medienszene in Aktion. Bronner: „Ich bekam Anfragen von
diversen Verlagen – und dann habe ich zu verhandeln angefangen.“ So
kam es zum Engagement des Springer Verlages, bei dem Bronner die
Mehrheit der Anteile behalten durfte, die er auch nach einem Wechsel
des Miteigentümers heute noch – gemeinsam mit einer Privatstiftung –
kontrolliert.
Politische Linie
Hart ins Kreuzfeuer kommt Bronner in der Diskussion bezüglich der
politischen Linie des Standard, die er als „liberal“ definiert. Sei
er da nicht zu nahe an Parteien wie dem Liberalen Forum? Seine
Antwort: „Das Wort ‚liberal‘ hat es schon gegeben, bevor es liberale
Parteien gegeben hat. Den Standard gab es schon vor dem Liberalen
Forum – und es gibt ihn auch nachher.“
Dann gibt er zu: „Mit der Politik hatten wir so unsere
Schwierigkeiten.“ Ein kritischer Artikel über den damaligen Wiener
Bürgermeister Slavik kam der Rathaus-Mehrheit in die falsche Kehle.
Bronner: „Daraufhin wurden wir zum Feindbild der SPÖ.“ Den Höhepunkt
erreichte der Streit, als die damals um ihre Existenz ringende AZ mit
einem gefälschten Faksimile zu beweisen versuchte, dass der Standard
von der ÖVP bestochen worden sei. Die Sache konnte gerichtlich
aufgeklärt werden. „Heute werden wir wieder mehr ins linke Eck
gestellt“, klagt Bronner und hat eine Erklärung parat: „Wer immer
gerade an der Macht ist, dem müssen wir auf die Finger schauen.“
Er hat aber auch Trost für Schüssel: „Wer etwas macht, macht
Fehler, und die müssen wir aufzeigen.“
Es geht weiter
Die Serie der Medienpioniere im Kreuzverhör des ÖJC wird
fortgesetzt. Am 20. April 2006 wird sich der nächste Pionier im
Vienna International Press Center des ÖJC den Fragen der Kolleginnen
und Kollegen stellen: Wolfgang Fellner.
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Medienpionier Oscar Bronner in ÖJC-Fragestunde
Österreichischer Journalisten Club
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Radio Netwatcher – Redaktionsteam (Verleger/in bzw. Herausgeber/in)
Österreichischer Journalisten Club (Verfasser/in oder Urheber/in)
APA-OTS (Kommentator/in)