Mel Tormé – Der elegante Gentleman und perfekte Vokalinterpret

Podcast
Meine Jazzkiste
  • 51 Mel Torme
    57:01
audio
57:00 perc
Louis Armstrong - Ikone des Jazz
audio
57:00 perc
Sultans of Jazz – Jazz aus der Türkei
audio
57:00 perc
In Memoriam Paco de Lucia
audio
57:01 perc
Soulful Christmas – Swingin‘ and Groovin‘ with Santa
audio
57:01 perc
The Last Turkish Sultans – zu Ehren an Nesuhi & Ahmet Ertegün
audio
57:01 perc
Grupo Los Santos – Afro-Cuban Jazz vom Feinsten aus New York City
audio
57:01 perc
Barbara Donald – Trompeterin im Schatten ihrer männlichen Kollegen
audio
57:01 perc
Ode to Joe – Zawinuls Anfänge als Kapellmeister
audio
57:01 perc
Mode for Joe – Tribut an Joe Henderson
audio
57:01 perc
No Coast – Jazz am Rande Amerikas zwischen den Küsten

51. Sendung (Erstausstrahlung: März 2013)

Mel Tormé – Der elegante Gentleman und perfekte Vokalinterpret

Wenn Frank Sinatra der swingende (Italo-)American Gigolo war, dann war der elegante Scat-Sänger Mel Tormé (1925-1999) aus Chicago der ewig swingende Coleman Hawkins oder der quirlige Charlie Parker im Jazzgesang. Kaum eine Zunft im Musikgeschäft hat es so schwer, anerkannt zu werden und dabei dauerhaft zu bestehen, als der Scat- bzw. Gesangsstil im improvisierten Jazz. Zumal wurden die männlichen Jazzsänger öfters als schmalzhaft und kitschig empfunden. Auch die Art ihres Vortragens wird häufig mit dubiosen Argumenten kritisiert, etwa “Improvisieren sie viel, vermissen die Hörer den Liedtext, und gestalten sie die Worte deutlich und verständlich, setzen sie sich dem Vorwurf aus, sie brächten kaum Eigenes in den Song“. Gewöhnlich werden die falschen Sänger gewürdigt und von den Fans hofiert, kaum aber die echten und kreativen Originale, sondern stets die Epigonen. Auch wenn Nat Cole der ungekrönte König blieb, seine Kronprinzen waren Frank Sinatra, Bing Crosby und Johnny Mercer, vielleicht auch Tony Bennett, Mark Murphy oder Matt Dennis. Weiße Sänger, die wie schwarze R&B Shouters oder weiche Balladensänger à la Billy Eckstine oder Nat ’King‘ Cole sangen oder sie blank nachahmten, waren die echten coolen Cats. Haufenweise haben männliche Jazzsänger aller Couleurs versucht, hinter das Geheimnis von Sinatras Gesangskünsten zu kommen, und in regelmäßigen Abständen bewiesen die besseren Crooner, dass sie mehr Ahnung davon hatten, wie man aus einem seichten und abgeklatschten Evergreen ein musikalisches Ereignis macht. Der elegante Sänger Mister Tormé war einer dieser weißen Hipsters, der die große Ausnahme in diesem harten Geschäft eines Jazzcrooners war. Großartig, wie er sich im textfreien Scat-Gesang von den Themen löste und wenig später mit seiner etwas rauhen, dabei angenehm warmen Stimme wieder zurückfand. Sein rauchiger Gesangsstil, übrigens in perfekter Intonation mit der Band, brachte ihm den Kosenamen “The Velvet Fog“ ein. Tormé war der erste echte coole Sänger im Lager der Bleichgesichter im Fahrwasser von Frank Sinatra, Fred Astaire oder Hoagy Carmichael. Es ist eigenartig, dass keiner, und wirklich keiner, jemals versucht hatte, Mel Tormé zu kopieren bzw. zu imitieren. Während  Frankie Boy dutzende Klone hatte, blieb Mister Tormé einzigartig. Als babygesichtiges und kleinwüchsiges Bürschlein führte er seine Vokalgruppe, die Mel-Tones, auf Artie Shaws Aufnahmen von What Is This Thing Called Love an und fegte alle anderen existierenden vokalen Swingcombos von der Bildfläche, einschließlich den Four Freshmen. Unmittelbar nach seiner Entlassung aus der US Armee im Jahre 1946 zählte Mel Tormé zudem zu den Top-Arrangeuren des Westcoast Jazz. Von Mel Tormé stammen rund dreihundert Titel, darunter der im Team mit Nat ’King‘ Cole entstandene Evergreen Christmas Song sowie die herausragenden Platten mit Marty Paichs Dek-tette oder das wegweisende Album Gene Norman Presents Mel Tormé vom 15. Dezember 1954, das als erstes Live-Album eines Sängers in die Jazzgeschichte einging. Bedauerlicherweise blieb Mel Tormé sein Leben lang die Nummer zwei, zumal er dem Jazz stets näher stand als sein Rivale Frank Sinatra. Neben dem Gesang, arbeitete Tormé als Pianist, Schlagzeuger, Sänger, Arrangeur und Produzent. Trotz seines Talents war sowohl seine Popularität als auch seine kommerzielle Ausbeute jämmerlich gering. Sein größter Erfolg war ein unerwarteter Platz in den Charts mit seiner Version von Mountain Greenery und dem Nr.1 Hit Comin‘ Home Baby (1963) von Ben Tucker. Im Vergleich zu Frank Sinatra, der den Erfolg genoss und auslebte, haderte Tormé mit der Welt und seinem Schicksal. Nicht weiter erstaunlich also, dass Mel Tormé ein frustrierter Musiker war und in den Ruf kam, aus Mangel an Anerkennung sauertöpferisch zu sein. Mel Tormé wurde am 13. September 1925 in Chicago geboren und er starb am 5. Juni 1999 im Spital von Beverly Hills an den Folgen eines zuvor erlittenen Schlaganfalls.

Musikbeispiele:

Old Devil Moon (Burton Lane/E.Y. Harburg), rec. Live Crescendo (L.A.) 1954
Bernie‘s Tune (Bernie Miller/Gerry Mulligan), rec. Live Crescendo (L.A.) 1954
My Funny Valentine (Richard Rodgers/Hart) mit Page Cavanaugh Trio, rec. 1946
Autumn Leaves (József Kosma/Johnny Mercer), rec. Live 1957
‘Round Midnight (Cootie Williams/Monk), mit Shorty Rogers & His Gaints, rec. 1961
Blues In The Night (Harold Arlen/Johnny Mercer), mit Marty Paich Band, rec. 1958
One For My Baby & One For The Road (Harold Arlen/Johnny Mercer), rec. 1957
Just One Of Those Things (Cole Porter), rec. Live Crescendo (L.A.) 1957
Too Darn Hot (Cole Porter), Live Shubert Alley (Hollywood) 1960
Too Close For Comfort (Back/Holofcener/Weiss), Live Shubert Alley (Hollywood) 1960
Love For Sale (Cole Porter) mit Mel Torme (p), rec. Red Hill Club (N.J.) 1962
42nd Street (Harry Warren/Al Dubin), rec. Red Hill Club (N.J.) 1962
Mountain Greenery (Richard Rodgers/Lorenz Hart), rec. 1962
Comin‘ Home Baby (Ben Tucker/Bob Dorough), rec. 1962
Moanin‘ (Bobby Timmons/John Hendricks), rec. 1962
Dat There (Bobby Timmons/Oscar Brown Jr.), rec.1962
Whisper Not (Benny Golson/Leonard Feather), rec. 1962
Lullaby Of Birdland (George Shearing), rec. 1964

Gestaltung & Am Mikrofon: Helmut Weihsmann
Tontechnik & Produktion: Gernot Friedbacher

Szólj hozzá!