69. Sendung (Erstausstrahlung: September 2014)
Barbara Donald – Trompeterin im Schatten ihrer männlichen Kollegen
Musikerinnen im Jazz haben im Allgemeinen einen schwereren Stand als ihre männlichen Kollegen, ganz gleich welche Hautfarbe und sozialen Hintergrund sie haben. Das galt besonders im chauvantischen Milieu des Modern und Avantgarde Jazz. Mittlerweile trat eine neue Generation von Jazz-Damen auf den Plan, die mit Charisma und couragierten Selbstbewußtsein im Stande ist, sich einen gleichberechtigen Platz in einem von Männern dominierten Feld im Jazz zu erkämpfen. Derjenigen talentierten Damen, die sich trotzdem als kompromißlose Jazzmusikerinnen und erfolgreiche Bandleaderinnen durchgesetzt haben und von ihren männlichen Kollegen sogar lobende Anerkennung gefunden haben, gehört die expressive und leider im Vorjahr verstorbene US-Trompeterin Barbara Donald (1942-2013) an. Als Ehefrau des schwarzen Free-Jazz-Pioniers Sonny Simmons war sie auch eine Vorkämpferin der emanzipatorischen Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und Rassen in den USA im Zuge der Bürgerrechtsbewegung. Zunächst unter dem musikalischen Einfluss von Clifford Brown, Miles Davis oder Booker Little, orientierte sie sich nach ihrem Umzug von New York nach Kalifornien (Oakland, Los Angeles, San Diego) an ihre neuen Vorbildern: Ornette Coleman, John Coltrane, Sun Ra und ihren ersten Mentor Sonny Simmons, mit dem sie von 1964 bis 1972 ihre ersten Plattenaufnahmen auf dem Avantgarde-Label ESP machte. Mit Sonny Simmons, ihrem späteren Ehemann, fand sie auch ihren kongenialen musikalischen Partner. Im illustren Umkreis von Ornette Coleman, Horace Tapscott, Bobby Bradford, Billy Higgins oder dem Veteranen Smiley Winters oder der experimentiellen Nachwuchsgruppe von James Zitro mit dem Tenoristen Burt Wilson, machten die beiden so legendäre Aufnahmen wie Manhattan Egos (1969) und Smiley etc. (1970) beide Alben auf Arhoolie, und wenig später ihre besten Aufnahmen Rumasuma (1970), Burning Spirits (1971) auf Contemporary Records. Durch Ornette Coleman, Dewey Redman und Bobby Bradford an der amerikanischen Westküste erlernte sie eine neue und freiere Art des improvisierten Trompetenspiels. Bis zu ihrer endgültigen Trennung mit Sonny Simmons im Jahre 1980 erschienen nur wenige Alben, die ihre Qualitäten als ausdrucksstarke Solistin dokumentieren. Mit ihren beiden Kindern Zarak und Raisha aus erster Ehe zog Barbara Donald nach San José, wo sie in der Region von San Francisco nach einer teilweise halbnomadischen Phase wieder Ruhe, Frieden und Kraft fand, um ihre zweite Karriere an der Westküste zu lancieren. Anfang der 1980er Jahre bildete sie wieder eine starke Formation, die Band Unity mit dem talentierten Saxophonisten Carter Jefferson, Michael Bisio und Irvin Lovilette, der auch ihr neuer Lebenspartner wurde. Zeitweise gehörte auch der famose Gary Peacock zur Band. Auf dem Avantgarde-Label Cadence Jazz Records erschienen zwei tolle Alben. Das kurzfristige Bestehen der Band Unity endete mit dem plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten Irvin Lovilette. Mit einem Musikerkollegen verheiratet zu sein, meinte Barbara mit gewisser Ironie, sei einer der wenigen Wege, der Frauen offensteht, um weiterzukommen. Ein bitteres Fazit einer erfolgreichen Jazzerin, die es im Gegensatz zu vielen anderen geschafft hat, ihren “Mann zu stellen“. (Siehe link: http://www.sonnysimmons.org/donald.htm).
Musikbeispiele:
Interplanetary Travellers (Sonny Simmons/Barbara Donald), rec. 30. 6. 1966 NYC
Two Trains (Bert Wilson), rec. 19. 3. 1969 Berkeley
Coltrane in Paradise (Sonny Simmons), rec. 11. 2. 1969 Berkeley
Rumasuma (Sonny Simmons), rec. 1. 8. 1969 Los Angeles
Well You Needn‘t (Thelonious Monk), rec. 30. 3. 1981 Olympia, Washington
Prayer For My Children (Barbara Donald), rec. 30. 3. 1981
Gestaltung & Am Mikrofon: Helmut Weihsmann
Tontechnik & Produktion: Gernot Friedbacher