Die Pressekonferenz als „Trotzallem” Radiosendung von Jutta Matysek. Weitere Informationen dazu auf der Homepage der BI Rettet die Lobau unter www.lobau.org und im Newsroom von der Umweltorganisation VIRUS
Hier die original Presseaussendung dazu:
S1 „Lobauautobahn”: Nun Beschwerde an Verfassungsgerichtshof
Wien (OTS) – Wien, am 05.07.2018 (VIRUS). In einer gemeinsamen Pressekonferenz gaben die Umweltorganisation VIRUS und die Bürgerinitiative „Rettet die Lobau“ mit Rechtsanwalt Dr. Heinrich Vana und Rechtsanwaltsanwärterin MMag-a Verena Hinteregger die nächste Etappe der Verfahren um das Projekt S1-Lobau bekannt. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wird nun beim Verfassungsgerichtshof bekämpft. Eckpunkte der Beschwerde sind Willkür und Verstoß gegen Grundrechte durch Anwendung einer verfassungs- und gesetzwidrigen Verordnung zum Lärmschutz.
Keine Verkehrsentlastung und Stau im Tunnel
Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS, UVP-Koordinator für die Vertreter der Umwelt im Verfahren wies eingangs auf die Diskrepanz zwischen den in der Öffentlichkeit von Politik und Interessensvertretern propagierten Verkehrsentlastungswirkungen zu den tatsächlich in den Projektsunterlagen ausgewiesenen Verkehrszahlen hin. „Mittlerweile ist auch die Asfinag auf den Zug aufgesprungen, aber Verkehrsentlastung gibt es auch nach ihren eigenen Zahlen nicht”. Dies gelte insbesondere für die Südosttangente und Hauptdurchzugsstraßen wie die Esslinger Hauptstraße. Der Lobautunnel werde weiters bereits 2035 überlastet sein und im Schnitt eine Stunde/Tag Stau aufweisen was die bekannten Sicherheitsprobleme des laut ÖAMTC -Experten „Massengrabes” verschärfen würde.
Gerichte prüfen weiter
„Die Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht waren jedenfalls berechtigt, da sie zu einer Projektänderung, sowie einer massiven Abänderung des Bescheides führten, dennoch reicht dies angesichts dieses Problemprojektes bei weitem nicht aus, deshalb geht nun der Ball zum VfGH” so Rehm.
Dr. Heinrich Vana und MMaga Verena Hinteregger, beide Kanzlei Breitenecker-Kolbitsch-Vana, präsentierten die Eckpunkte der kürzlich eingebrachten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof:Im Projektgebiet der S1 gebe es bereits jetzt – auf Grund der Nachbarschaft zum Flughafen Wien – eine starke Belastung durch Fluglärm, zu der künftig auch die Belastung durch Straßenlärm kommen würde. „Das Bundesverwaltungsgericht hat schon in seiner bisherigen Judikatur – zu einem vergleichbaren Projekt in unmittelbarer Nähe zum Flughafen Wien – judiziert, dass die Forderung nach einer „Gesamtlärmbetrachtung“ berechtigt ist. Die Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Notwendigkeit einer Gesamtlärmbetrachtung „unabhängig vom verursachenden Verkehrsträger“ gilt auch für die S1”, so Vana. Da auch der humanmedizinische Sachverständige des Verfahrens S1 festgestellt habe, dass „für eine umfassende gesundheitliche Bewertung … die Darstellung aller relevanten Lärmquellen erforderlich“ wäre, habe das Bundesverwaltungsgericht die klaren gesetzlichen Vorgaben, die eine Berücksichtigung der gesundheitlichen Auswirkungen fordern und die eigene Judikatur denkunmöglich angewandt.
Das Bundesverwaltungsgericht habe im Verfahren S1 selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 6 Bundesstraßen-Lärmimmissionsschutzverordnung gehabt. „Da das Bundesverwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Grenzwerte dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt hatte, beantragen die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer nun, dass weitere Bestimmungen dieser Verordnung auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden. Sie machen geltend, dass die Verordnung keinen Freiraumschutz gewährt, wie dies nach der Judikatur für Gewerbebetriebe, aber auch Landesstraßen einzuhalten ist, der Schutz dieser Verordnung sich nur auf Aufenhaltsräume bezieht und die damit verbundene Gesundheitsgefährdung und unzumutbare Belästigung unzulässig in verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrechte eingreift”, führt Vana aus.
„Weiters sind dem Bundesverwaltungsgericht so schwerwiegende Verfahrensfehler unterlaufen, wie Nichtgewährung von Parteiengehör und Nichtoffenlegung von Unterlagen, dass Willkür im Sinne der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofs vorliegt”, ergänzt Hinteregger. Erschwerend für die Nichtgewährung von Parteiengehör sei, dass in letzter Minute Unterlagen nachgeliefert wurden, die mit einem Prognosehorizont von 2035 die Umweltauswirkungen endlich auch in der Betriebsphase darstellen sollen. „Das war seit der zweiten Projektänderung 2011 erforderlich, wurde aber erst vom BVwG und auch das nur quasi in der Nachspielzeit versucht, zu reparieren” schüttelt Rehm den Kopf.
Jahre an Verfahrensverschleppung durch mangelhafte Projektunterlagen
Festzuhalten sei anlässlich der aktuell wieder aufgeflammten politischen Diskussion um Dauer und Beschleunigung von Verfahren, dass das dreijährige Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht mit meist vergeblichen Versuchen der Projektwerberin, gerichtliche Verbesserungsaufträge abzuarbeiten, gefüllt gewesen sei. „Anstatt dass das Gericht diesem unwürdigen Schauspiel der Asfinag ein Ende bereitet, hat es dieser noch neun Monate Fristverlängerung gewährt und dann bricht das große Jammern aus, und die Projektgegner sind schuld” kritisiert Rehm. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren habe es 30 Monate gedauert bis das Projekt für vollständig erklärt werden konnte. Mit zwei Projektänderungen seien unter anderem die Fluchtwegabstände verschlechtert worden.
S1 braucht zusätzlich noch sieben weitere Genehmigungsverfahren
„Die beteiligten Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen und Nachbarn bekämpfen dieses Projekt weiterhin auf der Verfahrensebene zum Wohl der Schutzgüter und auf der politischen Ebene im Sinne einer zukunftsfähigen Umwelt-, Klima-, Verkehrs-, Raumordnungs und Finanzpolitik”, kündigt Rehm an. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei zwar vorerst rechtskräftig, das Projekt verfüge aber damit nicht über alle Bewilligungen, sondern seien sieben Materienverfahren ausständig von denen erst drei beantragt worden seien. Dazu zählten Verfahren nach den Naturschutz- bzw. Nationalparkgesetzen sowie dem Wasserrechtsgesetz für die Länder Wien und Niederösterreich. Getrennte Einreichungen für den Nordabschnitt vervielfältigten die Zahl der Verfahren weiter.
„Hier sind viele Fragen offen, zumal vieles in der UVP nicht behandelt worden und daher nachzuarbeiten ist. Es darf aktuell jedenfalls nicht gebaut werden und das Projekt wird uns daher noch geraume Zeit beschäftigen,” so Rehm abschließend.”
Nach einer Presseaussendung in der die Asfinag behauptete eine Lobau-Autobahn wäre unverzichtbar für die Verkehrsentlastung reagierte VIRUS abermals mit einer Presseaussendung:
„VIRUS zu Lobautunnel: Aus Verkehrszunahme kann keine Verkehrsentlastung folgen
Asfinag widerspricht ihren eigenen Unterlagen
Wien (OTS) – Als unglaubwürdig weist die Umweltorganisation das Festhalten der Asfinag an angeblicher Verkehrsentlastung durch den Lobautunnel zurück. Sprecher Wolfgang Rehm „Wie in unserer heutigen Pressekonferenz ausgeführt ist das eine Schutzbehauptung der Autobahnbauer, ein Schmäh der viel zu langsam aber sicher zu bröckeln beginnt. Das Projekt S1 führt insgesamt zu einer Verkehrssteigerung von Entlastung kann daher keine Rede sein”.
Tatsächlich ließen sich jedoch einige Querschnitte finden wo das Projekt mehr als kurzfristige Entlastungswirkungen aufweise. Dazu zählte die nicht zufällig herausgegriffene Breitenleer Straße die gemäß Asfinag- Verkehrsprognose 2025 mit S1 12.900 statt 21.600 KFz/Tag aufweisen sollte. Letztere Zahl sei aber ein unrealistischer Referenzfall, im Bestandsplanfall sind nur 14.200 ausgewiesen. Im Gegensatz zu früher nicht mehr von der Asfinag hergezeigt werde etwa die Esslinger Hauptstraße eine der wichtigsten Durchzugsstraßen in der Donaustadt mit im Bestand 20.800 und im Referenzplanfall auf 23.100 mit S1 auf 21.800 KFz zunehmendem Wert. Bereits im Jahr 2035 wären dort wieder 23.100 Kfz unterwegs. „Am krassesten ist es bei er viel zitierten Südost- Tangente auf der Praterbrücke”, so Rehm. Hier stiegen vom Bestand 186.100 die Zahlen bis 2025 im dann überfüllten Referenznetz auf 243.300 ohne S1 und 221.100 mit S1 um aber2035 wieder bei 243.500 zu landen. „Man kann dies natürlich anzweifeln aber das sind die Zahlen, die die Asfinag in ihren Unterlagen eingereicht hat und die verfahrensgegenständlich waren”, stellt Rehm klar.
Das UVP-Verfahren wurde 2009 eingereicht dauere also schon neun und nicht wie von der Asfinag angegeben sechs Jahre „Die massive Verfahrensverschleppung durch die Asfinag wurde im Rahmen der heutigen Pressekonferenz deutlich aufgezeigt. Da sie auch bei der Einreichung der noch folgenden Materienverfahren in den letzten Jahren nichts weitergebracht hat, werden die weiteren Verfahrensschritte abseits des aktuell von uns angerufenen Höchstgerichts noch eine Weile dauern. Ein Baubeginn 2019 ist daher nicht sehr realistisc”h, so Rehm abschließend.”
Medienberichte zur Pressekonferenz:
Österreich Zeitung
Eine Sendung für die „Trotzallem” Redaktion. Musik von Andreas Neumeister (solo und mit smoky finish)