Das Buch Die andere Seite des Vorarlberger Schriftstellers Bastian Kresser hat mich voll erwischt. Es zu lesen ist weiß Gott kein Vergnügen. Es ist verstörend und dennoch eine helle Freude sich diesem Buch auszusetzen. Hier macht einer, was Literatur und Theater, Kunst allgemein, im besten Falle machen sollte: Genau hinsehen, Sicherheiten in Frage stellen, das Individuum in den Blick nehmen und das Leben der/des Einzelnen mit den „großen” gesellschaftlichen Ereignissen verknüpfen.
Kresser erzählt in sieben miteinander verbundenen Geschichten von Fluchtbewegungen. Sieben sehr unterschiedliche Perspektiven auf das derzeit die politische Diskussion sehr beherrschende Thema. Ein Manager dessen Firma viel Geld mit den derzeit erheblich nachgefragten Grenzzäunen macht, ein Schlepper, eine Journalistin die Flüchtende auf deren Weg begleitet, ein Hassposter oder auch ein junger Mann syrischer Abstammung der durch seine Vermittlungsarbeit viel Beifall von Flüchtlingshelfer_innen bekommt. Alleine dies, eine multiperspektivischer Blick auf ein Thema das erheblich polarisiert, wäre schon ein hohes Verdienst.
Aber das wahrlich bemerkenswerte an Kressers Buch ist, wie er es erzählt. Er nimmt seine Leser_innen an der Hand und schlüpft mit ihnen in seine Figuren. Legt ihre Ängste, Sorgen und Beweggründe offen. Und dabei erkannt man „Gute Menschen tun Böses und böse Menschen tun Gutes„. Hier muss man wohl auch dem Braumüller-Verlag ein Kompliment aussprechen. Dieses Kurzbeschreibung fast das Buch hervorragend zusammen und weckt auch das Interesse potentieller Leser_innen.
Ich verbeuge mich tief vor diesem Buch und seinem Autor. Nicht nur ist es handwerklich hervorragend geschrieben sondern Bastian Kresser hat es auch auf sich genommen mit seinen Figuren mitzugehen und sich ihren hehren aber auch abscheulichen Beweggründen zu stellen. Gleichzeitig ist Kresser auch ein verdammtes Arschloch, weil der einen dazu verführt Menschen zu verstehen die man gar nicht versehen will. Am Schluss des Buches weiß man nicht mehr wo man steht oder stehen sollte. Obwohl man sich doch bisher so sicher war!
Ich habe mit Bastian Kresser in dieser Sendung ein Telefoninterview geführt in dem wir über sein Buch, über seine Beweggründe es zu schreiben und darüber wie man seine Figuren wieder loswird gesprochen haben.
Eine Warnung noch und ein (kleiner) Tadel:
. Zyniker_innen sollten dieses Buch nicht lesen. Es würde sie nur noch mehr verderben.
. Das Lektorat sollte bei der nächsten Auflage des Buches – denn eine weitere Auflage ist dem Buch dringend zu wünschen – aufmerksamer arbeiten.
Und eine sehr schöne Rezension des Buches habe ich nur hier gefunden.
Bastian Kresser: Die andere Seite, Braumüllerverlag 2019