Autor und Philosoph Charles Eisenstein gibt in seinem neuen Buch „Klima – eine neue Perspektive“ Denkanstöße, die bis an die Wurzeln unserer Weltanschauung gehen.
Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine zum anderen: „Schlecht schaust du aus. Was hast du?“ Sagt der andere: „Homo Sapiens.“ „Ach sooo, keine Sorge, das geht vorbei.“
Ein schlechter Witz als Einstieg für ein leidiges Thema: Die von Menschen verursachte Klimakrise. Komplex und heiß debattiert. Alle politischen Parteien haben mittlerweile Lösungen im Programm. Jeder Mensch scheint mittlerweile eine Meinung dazu zu haben. Viele Firmen suchen Wege, um dieses Interesse wiederum in den Markt zu integrieren und in Geld umzuwandeln. Das bedeutet Wachstum und mehr von den bekannten zerstörerischen Handlungsschemata. Wenn für Anbauflächen von Biotreibstoff Regenwald abgeholzt wird, reduziert man Emissionen, das globale Ökosystem leidet dafür aber nur an einer anderen Stelle.
Ist der Mensch wirklich eine Krankheit für unseren Planeten? Das sieht der US-amerikanische Kulturphilosoph und Autor Charles Eisenstein nicht so. Wir sind kein Problem für unsere Welt, aber wir sind Teil eines in sich eng verbundenen Ökosystems: Der Erde.
Wenn wir von einer Krise sprechen, dann geht es nicht nur um die voranschreitende Erwärmung des Klimas. Es geht vor allem um eine komplexe ökologische Krise, die unser ganzes Leben betrifft. Laut Charles Eisenstein hilft es wenig, reine Symptombekämpfung zu betreiben. Die Reduktion der Erderwärmung ist da nur ein Aspekt, wenn auch ein wichtiger. Im direkten Sinn des Wortes „radikal“ regt Eisenstein an, das Leben von der Wurzel her neu zu betrachten und nicht nur an der Oberfläche nach Lösungen zu suchen.
Dabei spielt auch die Begeisterung für die Schönheit der scheinbar kleinen Dingen eine wichtige Rolle. Rückbesinnung auf alte Weisheiten und ein Umdenken bei den Mechanismen des ungebremsten Konsums. Diese Ansätze kennt man bereits. Neu daran ist, sie in den Mittelpunkt einer Erzählung über unsere Gesellschaft zu stellen und die Erde als Lebewesen zu betrachten. Ein Lebewesen, dessen Organe miteinander in Wechselwirkung stehen.
In der Wissenschaft könnte man als erklärenden Begriff „Kausalität“ anführen. In diesem Zusammenhang ist der Schmetterlingseffekt bekannt. Er ist ein sehr drastisches Beispiel dafür, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings theoretisch auf der anderen Seite der Erde einen Wirbelsturm auslösen kann. Auch wenn es nicht so heftig kommt, ist er eine anschauliche Metapher: Jede unserer Taten hat eine Auswirkung auf unsere Beziehungen mit der Welt. Und unsere Taten werden von der Welt gespiegelt, sie reagiert auf uns. Eine Folge der Sendereihe alpha-Centauri zum Thema Kausalität erklärt den Begriff näher.
Darauf aubauend ergeben sich Fragen zu den Denkansätzen von Charles Eisenstein: Kann man wissenschaftlich beweisen, dass die Erde ein Lebewesen ist? Was bedeutet es, mit der Natur in Wechselwirkung zu stehen? Was macht die neue Perspektive, wie sie im Buch beschrieben wird aus, und wie unterscheidet sie sich von den alten Erzählungen? Kann ich diese Philosphie auch in den Alltag integrieren? Kann diese Philosophie auch von Politik und Wirtschaft in die Agenden miteinbezogen werden? Und warum sollte man das überhaupt tun, wenn diese Thesen nicht restlos wissenschaftlich bewiesen sind?
FROzine Redakteur Georg Steinfelder hat Charles Eisenstein im Rahmen einer Matinee zur Veröffentlichung der deutschen Fassung seines neuen Buches „Klima – eine neue Perspektive“ (Europa-Verlag) in Wien getroffen. Gemeinsam mit Ö1-Sendungsgestalter Johannes Kaup führte er ein Interview, das als eine philosophische Fragerunde im Anblick der Klima- und Umweltkrise betrachtet werden kann.
Lieber Dank gilt dem Verein Pioneers Of Change für die Organisation des Events und dabei besonders Nikola Winter. Neben Jürgen Hornschuh und Eike Richter war sie auch an der deutschen Übersetzung des Buchs beteiligt.
—
Das Interview führten Georg Steinfelder und Johannes Kaup (Ö1)
Sendungsgestaltung und Moderation: Georg Steinfelder