Die Familie (8) – Zusammenfassung und „profil“-Kritik

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Nationale Identität im richtigen Leben

Die Familie
Ort des Glücks,
Ort der unbezahlten Arbeit,
Ort des Psychoterrors,
Ort des Amoklaufs

Seit Beginn der Serie über die Familie Ende Februar sind – wen wundert es – einige Frauen getötet worden; spektakulär, und daher nach den Gesetzen der Medien viel beachtet, die in ihrer Trafik ermordete Trafikantin. Womöglich noch spektakulärer letzte Woche der als „Bierwirt“ bekannt gewordene Beziehungstäter mit der Unschuldsvermutung. Da ist am Rande eine prominente Frau involviert, die Klubchefin der Grünen im Nationalrat: Sie hatte sich einige höchst ordinäre Beschimpfungen nicht gefallen lassen. Und seither geht die Post ab! Es tut sich was. Zuerst setzen sich die üblichen Verdächtigen als Katastrophenschmarotzer in Szene; Politiker aller Couleur nutzen die Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Die Frauenministerin kündigt einen „Gipfel“ an. Die Grünen preschen vor, der Neue erzählt was – über sich: „Die jüngsten Morde machten ihn als Mann und Vater ‘traurig und wütend’, so Mückstein in einer Pressekonferenz gemeinsam mit Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne). Es mache ihn auch ‘fassungslos’, dass in die Taten ‘Beziehungsdramen’ hineininterpretiert würden.“ (orf.at) Notgedrungen noch ohne genaue Kenntnis der Ergebnisse, auf Basis dessen, wie es in der Polit-Kultur so zugeht, vorweg zwei Bemerkungen: Die absehbare größere Unterstützung von Opferbetreuung, so nützlich sie den Betroffenen hoffentlich wird, hat schon einen Pferdefuß: Sie geht von der kontinuierlichen Produktion von Opfern aus, als wäre das ein Naturgesetz. Und die zweite Abteilung, der absehbare Appell von „uns allen“ an „uns alle“, doch mal das hier übliche Männerbild zu hinterfragen und zu korrigieren, drückt sich um die Frage, was denn heutzutage in Familien und Beziehungen los ist, herum wie die berühmte Katze um den heißen Brei. Der neue Gesundheitsminister, den es „fassungslos“ macht, wenn da von „Beziehungsdramen“ die Rede ist, unterstellt zwei Sätze später genau diesen Zusammenhang: „Er habe in seiner Praxis selbst genug Beispiele gesehen von misshandelten Frauen, die keine Anzeige gemacht hätten, aus Scham, Angst und Sorge um die Familie.“ (orf.at) Vielleicht wäre bei der Gelegenheit auch mal das übliche Frauenbild zu hinterfragen, wo Frau für die Familie Opfer bringt.

Ich bin von aufmerksamen, kritischen Hörerinnen auf eine Schwachstelle meiner Ausführungen aufmerksam gemacht worden; die meine Behauptungen entweder in Frage stellt oder die zumindest erläuterungsbedürftig ist: Wenn die Familie und das hier kulturell übliche Beziehungsmodell tatsächlich der Grund für Mord und Totschlag ist, dann stellt sich schon die Frage, warum sich Täter und Opfer so eindeutig auf die Geschlechter verteilen – Mann tötet Frau, die sich trennen will bzw. getrennt hat, das ist die Regel. Warum nicht etwa 50 zu 50? Da ist was dran, und insofern eventuell auch an der Bezeichnung „Femizid“. Dazu kommen am Ende einige Behauptungen. Das „profil“ hat sich vorige Woche in der Nr. 17/2021 in einer Titelgeschichte – „Männer töten Frauen. Motiv Rache“ – dem Thema gewidmet. Dort beantwortet ein Psychiater auch die Frage, warum Männer Frauen umbringen – und nicht umgekehrt –, aber leider falsch. Aber die Frage gehört gestellt und beantwortet. Möchte nichtsdestotrotz vorher die Überlegungen von letzter Woche zu Ende bringen.

Die Sphäre des Glücks führt zum Schrei nach Rache

Hochgesteckte Erwartungen bergen den Keim tiefer Enttäuschung in sich, überzogene Idealvorstellungen lassen die alltägliche Realität bald kümmerlich wirken und degradieren eine unspektakuläre, aber auch nicht sonderlich triste Lebenssituation zu einem Scheitern des eigenen Lebensplans.“ (S. 19 f., Heidi Kastner, „Tatort Trennung“)

Was ist der Stellenwert, worin besteht die Bedeutung von Frauen bzw. von Beziehung – was ist das, eine „Frau“, in dem Weltbild? Idealisierung ist da eine zu schwache Bezeichnung: Das ist die Verabsolutierung von Liebe, Beziehung, Sex, Frau und Familie zum Inbegriff des Sinnes des Lebens, zum Glück eben, zur Erfüllung schlechthin. Da hat einer nicht ein Interesse, ein Bedürfnis, also ein bestimmtes – und damit ein begrenztes – Anliegen neben anderen, sondern das ist das einzige, das zählt im Leben. Alles andere ist umgekehrt im Grunde genommen nichtig, unbedeutend, eine Last, unangenehme Verpflichtung, aber keine Erfüllung, belanglos. Ohne Beziehung ist das ganze Leben nichts wert, wüst und leer, sozusagen – also durchaus Grund genug, dem ein Ende zu setzen. Der Selbstmord ist da ab und an die adäquate Fortsetzung. Beruf, sonstige Interessen, Hobbies, Bedürfnisse welcher Art auch immer – das taugt alles nicht viel oder gar nichts. Und das trostlose Leben kann so bleiben, wie es ist – uninteressant, untauglich, unbedeutend, armselig. Aber dadurch, dass etwas dazukommt – im Wesentlichen eine Frau, eventuell auch Kinder – dadurch ändert sich alles, dadurch kippt das freud- und trostlose Leben doch noch ins Positive. Und diese Stellung zur Welt, die ist keine individuelle Spinnerei, die alltägliche Form, in der diese Stellung zur Grundausstattung bürgerlicher Lebensart und Kultur gehört, die lautet: Die Familie ist das wichtigste! Und die Fortsetzung ist angelegt: Wenn sie geht, dann macht sie – sehr folgerichtig – alles kaputt! Noch einmal Frau Kastner, die das Streben nach Glück etwas skeptisch beäugt und ein wenig redimensionieren möchte:

Nicht Glück, sondern das Streben danach zählt zu den Menschenrechten, und ‘Streben’ impliziert immer eigene Anstrengung und unsichere Ergebnisse. Wo Individualisierung, Selbstverwirklichung und individuelles Glück zum höchsten Ideal erklärt werden, ist es allerdings nicht weiter verwunderlich, dass die Bedachtnahme auf andere abnimmt.“ (TT 45)

Stimmt schon, jedes „Streben“ impliziert Anstrengung, und Erwartungen können enttäuscht werden. Aber nach allen gültigen Maximen der bürgerlichen Gesellschaft ist ein jeder dann „seines Glückes Schmied“, wenn er es nur richtig anpackt, und sich gehörig anstrengt. Wer anständig seine Leistungen bringt, im Rahmen von Beziehung, Familie und Privatleben, wer „alles“ für andere tut, der erwirbt den Anspruch, die anderen hätten es gefälligst genauso zu halten. Der anständige Mensch als solcher ist ein Recht-Haber, er hat nicht nur ein Bedürfnis, das auf Zustimmung oder Ablehnung treffen kann, sondern ein Recht auf Zuspruch seiner Frau – und dadurch ist er im Fall der Verweigerung das Opfer eines Verbrechens. Das eine hat der Glücksschmied schon kapiert: Wenn man oder Mann etwas will, etwas haben oder erreichen will, dann braucht man das entsprechende Recht, dann muss man sich das, was man will, auch verdienen – aber wenn das erfolgt ist, wenn man sich die Zuwendung, die Beziehung, die Frau verdient hat, dann gibt es kein Halten, dann gilt das eigene Bedürfnis absolut, ohne Einschränkung. Das Recht ist das nicht kompromissfähige Interesse, und duldet keine Ablehnung. Und wo „individuelles Glück zum höchsten Ideal“ wird, da nimmt die „Bedachtnahme auf andere“ gerade nicht ab – die anderen sind ja als Lieferanten des Glücks verplant und verpflichtet. Man(n) ist Opfer eines Verbrechens, wenn einem dieses vorenthalten wird, und dann schreit diese himmelschreiende Ungerechtigkeit – aus der Sicht des gutbürgerlichen Wahnsinnigen – nach Rache, auch wenn es das letzte ist, was er tut, das Leben ist ja ohnehin sinnlos. Es ist, als hätten die Aktivisten dieses Standpunkts auch ohne Lektüre die letzten Regierungserklärungen bzw. -programme ganz genau verstanden und sogar verinnerlicht: Denn wenn die Familie die „wichtigste Gemeinschaft“ ist, weil sie „Halt, Sicherheit und Geborgenheit in jeder Lebenslage“ liefert, was der moderne Mensch offenbar bitter nötig hat – dann zerstört sie (die „Ex“) eben alles das, sobald sie geht.

Diese zwei Momente – der absolute Stellenwert von Frau bzw. Familie und Beziehung als Inbegriff des Glücks, und die Vorstellung eines Rechtsanspruchs darauf – die sind Allgemeingut, sind „kulturell bedingte“ Phänomene! Das ist keine esoterische, abgehobene Spinnerei von ein paar Verrückten. Die schlussendliche Verweigerung trifft ihn dann folgerichtig ins Herz der Identität, sie kränkt sein Selbstwertgefühl, seine persönliche Ehre, indem es ihn als Versager bloßstellt, also seine „Selbstdefinition“ als ein zum Erfolg berechtigtes und befähigtes Individuum erschüttert: Die Beziehung, also die „Ex“, hätte die edle Aufgabe gehabt, dieses sein Selbstbild zu beglaubigen, also – im Psychologendeutsch – seinen „Narzissmus“ zu bezeugen! Viele werden dann mit ihrem Kummer halbwegs fertig, nicht wenige gleiten in die Depression ab, und eine radikale Minderheit rächt sich für diese einfach nicht auszuhaltende Schmach.

Ironischer Zusatz: Frau Kastner zitiert in ihrem Buch auch den alten Adorno-Spruch: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ (Da markiert ausgerechnet ein Philosoph den harten Typen: Das gewöhnliche Volk mag sich allerlei Illusionen machen, es mag sich in Wünschen, in Hoffnungen und in Idealen ergehen, von einer besseren Welt träumen – der Philosoph Adorno als stringenter Denker weiß es besser: Es gibt kein richtiges Leben im falschen! – Im richtigen Leben ist das richtige Leben übrigens zum Großteil eine Klassenfrage; genau auf sog. „Beziehungsdramen“ trifft das allerdings nicht zu, die sind „klassenneutral“.) Der alte Spruch trifft möglicherweise etwas in dem Zusammenhang: Kreuzbrave Leute, die niemals einer Kritik zustimmen würden, wonach sie in ihrem Leben ziemlich fremdbestimmt nach lauter Vorschriften agieren, die sie garantiert nicht selber ausgedacht haben und durch die sie im Wesentlichen auf Anstrengungen festgenagelt sind, die sich nicht sehr lohnen – die nehmen den Adorno-Spruch, vermutlich ohne ihn zu kennen, aber genau andersherum: Sie unterstellen, dass sie im allgemeinen ein ziemlich falsches Leben führen müssen, fremdbestimmt, und nicht besonders lohnend – und dann bestehen sie fanatisch darauf, dass es doch das richtige Leben geben muss, mitten im falschen! Mit traumwandlerischer Sicherheit gehen sie davon aus, dass dieses „richtige“ Leben sicher nicht über die Sphären von Wirtschaft oder Politik zu finden ist – der gesellschaftlich, der kulturell anerkannte Weg zum Glück führt schnurstracks ins Familienleben …

Die Familie
Ort des Glücks,
Ort der unbezahlten Arbeit,
Ort des Psychoterrors,
Ort des Amoklaufs

Ein Mann tötet „seine“(!) Frau oder die „Ex“ – und schuld ist Muttchen!

Das ist die Quintessenz einer Darstellung im „profil“ 17/2021. Die übliche trostlose Fragestellung – „… warum die Zahl der Femizide in Österreich im Europa-Vergleich so hoch ist“ – mal geschenkt, da finden sich einige Phänomene wenigstens dargestellt, die eine etwas andere Beurteilung verdient hätten, bzw. die überhaupt nach einer Erklärung verlangen, statt nur aufgezählt zu werden. Psychiater Haller, der einige Täter erforscht hat:

Oft wird dieser Typ nach der Tat von einem Hochgefühl dominiert, dass jetzt wieder endlich die ausgleichende Gerechtigkeit hergestellt wurde. Bei der Begutachtung beklagen sich manche dieses Typus über ihre Frauen in einer Art und Weise, als ob die sie töten hätten wollen. Für dieses Gefühl der Wiederherstellung ihres Selbstwerts nehmen diese Täter viel in Kauf – Jahre im Gefängnis, in manchen Ländern sogar die Todesstrafe. … Bei Rache spielt vieles mit: Frustration, Hass, Neid, ein angegriffener Selbstwert, eine unheilbare Gekränktheit, die sich zu einer Verbitterungsstörung verhärten kann. Hinzu kommt das Gefühl, dass der Rächer sich immer als Opfer fühlt, sein Gerechtigkeitsgefühl verletzt sieht und es so wiederherzustellen glaubt. … die Achillesferse des Narzissten ist die Kränkung. Eine Trennung empfindet er als Attacke auf seinen Selbstwert.“

Diese Referierung im Konjunktiv weigert sich, die selbst konstatierten Beweggründe seriös zur Kenntnis zu nehmen: Rache ist die Herstellung der Gerechtigkeit, nicht als staatliche Verfolgung und Bestrafung, sondern als individuelle Vergeltung des selbst erlittenen Unrechts! Vergeltung wofür denn nun? Weil die Frau den Täter „hätte töten wollen“, erfährt der Psychiater vom Täter, der sich selbst als Opfer sieht – na dann wäre die Sorte Vergeltung doch kein Wunder! Natürlich wollte sie ihn nicht physisch töten, sondern moralisch; sie hat ihn zerstören wollen, indem sie seinen „Selbstwert“ – das ist die psychologisierte Variante von „Ehre“ – „durch die Trennung attackiert“ hat. Dem könnte man immerhin entnehmen, dass die herausragende Aufgabe der Beziehung bzw. der „Ex“ darin bestanden hat, durch ihre Bewunderung und Liebe dieses ominöse Selbstwertgefühl zu bestätigen. Sie hat ihm gefälligst das erhabene Gefühl zu vermitteln, dass er, wenn schon nicht der Größte, so doch immerhin einer ist, der das Wichtigste im Leben geschafft hat, er hat es nämlich zu Weib (und ev. Kind) gebracht – und diese seine Errungenschaften und seine Leistungen haben seine Großartigkeit widerzuspiegeln. Sobald dieser Spiegel in Gestalt der bisherigen Partnerin verschwindet, womöglich noch unter Vorwürfen, ist die eigene eingebildete Großartigkeit, ist der Selbstwert im Arsch. Nicht viel, aber immerhin schon ein kleiner Aufschluss über Stellenwert und Aufgabe der Beziehung.

Die Einordnung des Psychiaters geht dem nicht nach, sie erfolgt stattdessen ganz entlang eines elementaren Psychologendogmas: Nachdem Erwachsene – im Großen du Ganzen – vernünftige Wesen seien, müssen Verrücktheiten der disparatesten Art quasi „außerhalb“, nämlich lange Zeit vor jeder Willensbildung im Rahmen des erwachsenen Meinens und Wollens ihren Grund bzw. Ursprung haben. Wahnwitzige Gedankengebäude wie das obigen können jedenfalls nicht ursächlich in den Arten und Weisen liegen, in denen vernunftbegabte Wesen sich ihre lebensgeschichtliche Anpassung mitten in Kapitalismus und Demokratie und Familie praktisch, und deswegen auch mental zurechtlegen: Was sie vom Leben insgesamt und ihren Mitmenschen speziell erwarten, wie sie ihre Leistungen mit ihren Wünschen und Ansprüchen, durchaus im Einklang mit dem hier Erlaubten kombinieren und organisieren, wie sie mit Enttäuschungen und Niederlagen umgehen, wie sie sich zum „Wutbürger“ weiterentwickeln oder in der Depression versinken etc. In Anwendung dieser psychologischen „Grundtatsache“ nähert man sich auch dem Beziehungstäter und geht entschlossen weg, vom Thema nämlich. Weg vom Thema und ab in die Kindheit! Es liegt schon an diesen Typen, aber so, dass sie als Erwachsene nichts dafürkönnen:

profil: Oft sind Trennungen der Ausschlag. Können Männer damit weniger gut umgehen? Haller: Tatsächlich bin ich der Meinung, dass Männer dadurch weitaus kränkbarer sind als Frauen. Sie haben oft nicht gelernt, mit Liebesentzug oder sexueller Verweigerung umzugehen. … profil: Freud klassifizierte die Mutterbeziehung als prägend für jeden Narzissten. Haller: Damit hatte er in jedem Fall recht. Mütterliche, also die gegengeschlechtliche Liebe birgt für Söhne auch eine libidinöse Übertragung. Wenn man zu viel davon bekommt, fördert das den Narzissmus, aber auch wenn es zu wenig ist. Dieser Mangel an emotionaler Muttermilch kränkt Männer und macht sie panisch.“

Falls Mütter nun panisch werden, und sich erkundigen möchten, über das genau richtige Maß an Liebe, denn nicht zu viel und nicht zu wenig möge es sein, damit Sohnemann sich später nicht danebenbenimmt – dann haben die Mütter Pech. Der Psychologe kennt das richtige Maß nämlich auch nicht. Genau genommen kennt er es schon, aber immer zu spät. Denn wenn Sohnemann zehn oder zwanzig Jahre später die „Ex“ umbringt, dann ist der Fall sonnenklar, ganz ohne die Kindheit nachträglich erforschen zu können: Muttchen hat es damals vergeigt, aber gründlich! Sie hat ihn nie trainiert, mit Liebesentzug oder sexueller Verweigerung umzugehen. Zu viel Mutterliebe fördert genauso den „Narzissmus“ wie zu wenig! Aber wieso hat er dann seinerzeit die Frau Mama davonkommen lassen – vor allem, die Trennung von ihr hat er doch auch hingekriegt?! Auch wenn die gegengeschlechtliche Mutterliebe sich als zu viel oder zu wenig herausstellt, etliche Jährchen nachher? Fragen über Fragen … Außerdem gut zu wissen: Töchter sind anscheinend durch den ständigen väterlichen „gegengeschlechtlichen“ Liebesentzug ordentlich abgehärtet und halten es aus?! Weil der Mangel genau wie der Überfluss an emotionaler Mutterliebe später einmal kränkt, aber nur Männer?! Genug gescherzt.

*

Tötungsdelikten in Beziehungen geht regelmäßig ‘Partnerschaftsgewalt’ voraus. Statistisch enden Misshandlungsbeziehungen weit häufiger mit dem Tod der misshandelten Partnerin als damit, dass sie ihren Peiniger tötet. Während Männer kaum jemals um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie eine Beziehung beenden, ist der häufigste Auslöser männlicher Tötungsdelikte in Beziehungen die Trennung oder Trennungsabsicht der Partnerin.“ (Frau Lemke in der „Zeit“, Februar 2021)

Gute Frage, warum tötet er sie und nicht sie ihn, ihren „Peiniger“? Das Recht auf Notwehr hätte sie schließlich. Woher kommt die ziemlich eindeutige Verteilung von Täter und Opfer bei „Beziehungstaten“ oder „Familientragödien“? Ausnahmen gibt es, sie bestätigen die Regel; in zeitlicher Nähe zum Fünffachmord in Kitzbühel hat damals in St. Pölten eine Frau ihren Liebhaber erschossen, und dann sich selbst. Da gab es wesentlich weniger Aufregung, und weit weniger über die Hintergründe zu berichten; die Medien konnten damit wenig anfangen, der Plot hat nicht in das Schema von der Frau als Opfer gepasst. Ein sachlicher Anlauf:

Das Gewaltverbrechen generell ist männlich. Verbrecher sind weit überproportional Männer. Nur ca. 5% aller Gefängnisinsassen in Österreich sind Frauen, in Deutschland ist es ähnlich. Wenn man mal Bagatelldelikte wie Ladendiebstahl ausklammert und nicht annimmt, dass Frauen schlauer sind und deswegen nicht erwischt werden – woher die Geschlechterdifferenz bei Gewaltverbrechen? Natürlich sind Männer nicht deswegen Verbrecher, weil sie Männer sind, ebenso wenig wie Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind. Offenbar verteilen sich die verschiedenen Momente der gutbürgerlichen Sittlichkeit, der Moral, ziemlich asymmetrisch auf die Geschlechter. Die Seite der Moral, nach der man sich schon durchsetzen müsse und sich nichts gefallen lassen dürfe, dass man sich das, was einem zusteht, auch am Gesetz vorbei oder gegen das Gesetz aneignen müsse und das man das Recht notfalls in die eigenen Hände nehmen müsse, natürlich mit Gewalt, wie auch sonst, und dass man den Respekt vor der eigenen Würde notfalls mit Gewalt erzwingt – diese kernigen Maximen gehören tendenziell zu einem „gestandenen“ Mannsbild, genau wie die sexuelle Übergriffigkeit. Die Gewalt ist eben das Mittel des Rechts. Die komplementäre Seite der Moral – die „Einsicht“, dass frau nicht alles haben kann, dass frau um des lieben Friedens willen auch zurückstecken müsse, dass die Familie auch für sie das Wichtigste ist, weswegen sie dafür Opfer bringen müsse, wo doch die Tendenz zum Mitgefühl angeblich weiblich ist, was Frau so ungemein für Sozialberufe qualifiziert – das alles macht deutlich, dass sich auf Basis der rechtlichen Gleichstellung sehr unterschiedliche Geschlechterstereotypen reproduzieren. Unterschiede im Umkreis von Recht, Gewalt und Moral – im Zusammenhang mit der Familie: Vom Glück zum Amoklauf.

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