Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 4)
Bemerkungen zur nationalsozialistischen Herrschaft – und den ideologischen Verrenkungen nachher
Ein Hindernis auf dem Weg zur Weltmacht:
Das feindliche Volk im Inneren
Das ist der vierte Teil einer Reihe zu diesem Thema. Die Rede von der „nachträglichen Verdichtung“ ist natürlich absichtlich doppeldeutig gemeint, im Sinne der nachträglichen Verballhornung und Verfremdung des Dritten Reichs durch viel Dichtkunst, und der Zuspitzung auf den Völkermord an den Juden; Erinnerung an Moishe Postone im ersten Teil der Reihe:
„Andere Gesichtspunkte, die für den Nazismus zentral waren, sind dabei vernachlässigt worden. … Mit anderen Worten, was den Juden geschah ist instrumentalisiert und in eine Ideologie zur Legitimation des gegenwärtigen Systems verwandelt worden. Diese Instrumentalisierung [hat] die innere Beziehung zwischen Antisemitismus und anderen Aspekten des Nationalsozialismus verdeckt.“ (Postone ebd.)
Nachdem ich das Projekt einigermaßen zügig abhandeln möchte, gibt es möglicherweise Probleme mit den Sendeterminen bei den freien Radios, d.h. es werden eventuell nicht alle Teile auf allen Sendern zeitnah gebracht werden. Es empfiehlt sich, ab und an auf cba.media oder auf spotify oder auf freie-radios.net reinzuschauen, Podcast Kein Kommentar.
Zur Erinnerung an Hitlers Diagnose: Der erste Schritt zum Völkermord, der besteht in der Identifizierung von Juden als Angehörige eines Volkes; da sind nicht einfach Individuen unterwegs, die selber oder deren Vorfahren auch so einem Monotheismus huldigen – und es spielt auch keine Rolle, ob die sich selber überhaupt als Juden verstanden haben. Sie sind jedenfalls Teile eines Volkskörpers, eines Volkstums, eines Judentums. Wie ist es denn nun beieinander, dieses Volk bzw. diese Rasse; hier synonym zu verstehen? Der jüdische Volkscharakter, worin besteht er? Der Jude ist das Gegenteil des Ariers. Dem fehlt nämlich die Bereitschaft zur Aufopferung und der richtige Begriff der Arbeit. Die Staatenbildung – nation building – setzt Idealismus und Opferbereitschaft voraus, das ist nicht gegeben, und das macht sich geltend, zersetzend, mitten im Weimarer Deutschland.
Das Motiv für Auschwitz entzieht sich der Kenntnis?
Nur durch totale Ignoranz!
Eine kurze, notwendige Zwischenbemerkung: „Zu den meisten Kriegsverbrechen, Massakern und Schlächtereien in der Geschichte gibt es eindeutige Stellungnahmen. Ein Massaker im Rahmen eines kolonialen Krieges wird entweder mit dem Hinweis auf militärische oder politische Notwendigkeiten gerechtfertigt oder aus humanitären Gründen verurteilt. Der Sinn eines solchen Massakers ist aber auch seinen Kritikern einsichtig. Man verurteilt das Verbrechen, weiß aber, warum es stattfindet. Bei Auschwitz stellt sich das anders dar. Die Verurteilung des Massenmordes an den europäischen Juden ist (fast) einhellig. Dafür wird in der Regel davon ausgegangen, daß sich in diesem Fall das letztendliche Motiv für dieses Verbrechen der Kenntnis und der Nachvollziehbarkeit der Kritiker entzieht.“ (Stephan Grigat, Ökonomie der „Endlösung“? „Weg und Ziel“ 1997, https://contextxxi.org/okonomie-der-endlosung.html)
Geht vorläufig nur um den letzten, wahrhaft gespenstischen Satz: „Bei Auschwitz entzieht sich das Motiv der Kenntnis und der Nachvollziehbarkeit“. Wie denn das? – Immerhin hat der Nationalsozialismus das deutsche Volk mit seinen, den damals praktisch gültigen Motiven flächendeckend und ohne Unterlass bekannt gemacht, und das sogar ohne social media.
Achtung, was jetzt kommt, ist das sog. „victim blaming“. Die Täter beschuldigen die Opfer, und indem sie das tun, geben sie ihre Motive bekannt – man müsste sie halt zur Kenntnis nehmen, auch wenn das verpönt oder politisch unkorrekt ist. Vielleicht – kann vorkommen – sind die Beschuldigungen auf den ersten, zweiten Blick schwer nachvollziehbar; ändert aber nichts daran, dass man sie mal kennen müsste! Es geht – nach Goldhagen – um die „moralischen Werte oder die Vorstellungen über die Opfer als Quelle für die Mordbereitschaft der Täter“. Diese Notwendigkeit der Kenntnisnahme liegt auf der Hand: Mit seinen Hasspredigten, damit und nur damit, hat Hitler das gute deutsche Volk überzeugt, was anderes wurde den Deutschen nicht geboten; aber so hat Hitler alles angesagt und angekündigt, auf Punkt und Beistrich:
„Den gewaltigsten Gegensatz zum Arier bildet der Jude. … Denn wenn auch der Selbsterhaltungstrieb des jüdischen Volkes nicht kleiner, sondern eher noch größer ist als der anderer Völker, wenn auch seine geistigen Fähigkeiten sehr leicht den Eindruck zu erwecken vermögen, daß sie der intellektuellen Veranlagung der übrigen Rassen ebenbürtig wären, so fehlt doch vollständig die allerwesentlichste Voraussetzung für ein Kulturvolk, die idealistische Gesinnung. Der Aufopferungswille im jüdischen Volke geht über den nackten Selbsterhaltungstrieb des einzelnen nicht hinaus. … Sein Aufopferungssinn ist nur ein scheinbarer. Er besteht nur solange, als die Existenz jedes einzelnen dies unbedingt erforderlich macht. … Daher ist auch der jüdische Staat – der der lebendige Organismus zur Erhaltung und Vermehrung einer Rasse sein soll – territorial vollständig unbegrenzt. Denn eine bestimmte räumliche Fassung eines Staatsgebildes setzt immer eine idealistische Gesinnung der Staatsrasse voraus, besonders aber eine richtige Auffassung des Begriffes Arbeit. … Da der Jude niemals einen Staat mit bestimmter territorialer Begrenzung besaß und damit auch nie eine Kultur sein eigen nannte … ist und bleibt (er) der ewige Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet; sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt.“ (Mein Kampf S. 329 ff.)
Das war damals die gängige Auffassung, das damals übliche Bild „des Juden“, des „Judentums“: Das staatenlose Volk. Der jüdische Staat ist „territorial unbegrenzt“ – wo ein Jude unterwegs ist, ist er als Agent eines „Judentums“ tätig. „Rasse“ ist da wieder die Überhöhung des Volkes ins Naturgegebene, ins Naturgesetzliche; jenseits so wolkiger religiöser Bekenntnisse. Ein Jude ist als Agent des Judentums tätig, mit der gleich Zwangsläufigkeit, mit der gleichen Unerbittlichkeit, die – unter Anleitung des Führers – der Arier an den Tag legt. Dieses Bild haben sich die Nationalisten, und zwar quer durch Europa im 19. Jh. im Zuge ihrer eigenen Staatsgründungen, ihrer nationalen Einigungen, erarbeitet. (Die alten religiösen Geschichten – Juden schlimm wegen Schuld am Tod des Herrn Jesus – sind Quatsch; es geht hier um den politischen Antisemitismus.) Die politische Bezeichnung „Antisemit“ in Absetzung zur Religion wurde erst damals als Selbstbezeichnung von einem deutschen Publizisten erfunden; Hannah Arendt notiert, dass es politische „antisemitische Bewegungen“ erst seit dem letzten Drittel des 19. Jhdt. gibt.
Dieses Bild vom „Juden“ ist nicht mit sachlichen Auskünften über ein reales „Judentum“ zu kontern, im Sinn von – die sind gar nicht so. Ausgangspunkt von Hitlers Rassenkunde ist die elende Lage Deutschlands, die Forderung an die guten Deutschen, endlich zu Kämpfen, und das vorfindliche Desinteresse der Landsleute, alles auf Basis des nationalistischen Dogmas „so sind wir nicht!“ Daraus folgen auch keine Vorurteile, das sind handfeste, ernste Feindschafts- und Kriegserklärungen, weil sich der nationale Verstand auf die Suche nach Schuldigen macht! Und diese Rassenkunde war keine Besonderheit des Nationalsozialismus: Dass die Juden „ein Volk“ sind, mit dem etwas nicht stimmt, weil ohne Staat, das haben die damaligen Nationalisten in Europa im Zuge ihrer eigenen Staatsgründungen im 19. Jahrhundert entdeckt. Nach der russischen Revolution und den (Welt)Wirtschaftskrisen wurde dieses Bild entscheidend elaboriert. Das, was der Staat braucht – unsere, die nationale Wirtschaft – ist eine nützliche Einrichtung; wenn sie krisenhaft zusammenkracht bzw. wenn da welche den Klassenkampf ausrufen, dann als Folge fremden, auswärtigen Einflusses, denn „so sind wir nicht“, „wir“ machen doch nicht „unsere“ Wirtschaft kaputt. Aus einem Buch über den Austrofaschismus:
Judentum = Bolschewismus
„Der Antisozialismus in Form des Antimarxismus war bei der Christlichen Arbeiterbewegung immer auch mit antisemitischen Motiven durchmischt. In allen ihren programmatischen Äußerungen – insbesondere auch im Linzer Programm der christlichen Arbeiter Österreichs 1923 waren Antimarxismus und Antikapitalismus durch den Antisemitismus verknüpft. Die marxistische Form des Sozialismus und die liberale Form des Kapitalismus waren für die Theoretiker der Christlichen Arbeiterbewegung gleichermaßen Produkt des internationalen Judentums, dessen Einfluß zu bekämpfen war.“ (Anton Pelinka, Christliche Arbeiterbewegung und Austrofaschismus, in: Talos / Neugebauer, Austrofaschismus, Wien 1984, S. 130) Ebenso:
„Ein Naziplakat bietet ein plastisches Beispiel für diese Wahrnehmung: Es zeigt Deutschland – dargestellt als starken, ehrlichen Arbeiter – das im Westen durch einen fetten, plutokratischen John Bull bedroht ist und im Osten durch einen brutalen, barbarischen, bolschewistischen Kommissar. Jedoch sind diese beiden feindlichen Kräfte bloße Marionetten. Über den Rand des Globus, die Marionetten fest in der Hand, späht der Jude. Eine solche Vision war keineswegs Monopol der Nazis. Der moderne Antisemitismus ist dadurch gekennzeichnet, daß die Juden für die geheime Kraft hinter jenen Widersachern, dem plutokratischen Kapitalismus und dem Sozialismus gehalten werden.“ (Moishe Postone, Antisemitismus und Nationalsozialismus, aus: Deutschland, die Linke und der Nationalsozialismus. Politische Interventionen, ca ira 2005) „Das Problem jener Theorien – wie der Max Horkheimers –, die sich wesentlich auf die Identifizierung der Juden mit dem Geld … beziehen, besteht darin, daß sie nicht imstande sind, die antisemitische Vorstellung einzufangen, Juden stünden hinter Sozialdemokratie und Kommunismus.“ (Postone ebd.)
Das ist er, der Zusammenhang von Antimarxismus und Antikapitalismus: Das Judentum! Der moderne Antisemitismus, so Postone, ist in der Tat ein Produkt der Moderne, die „Moderne“ in Gestalt des Nationalstaates nämlich, der durch internationales Kapital und durch die internationale Arbeiterbewegung bedroht ist. Immerhin gab es damals noch eine Kommunistische Internationale!
„Was dem Marxismus die staunenswerte Macht über die breiten Massen gegeben hat, ist keineswegs das formale, schriftlich niedergelegte Werk jüdischer Gedankenarbeit, als vielmehr die ungeheuerliche rednerische Propagandawelle … (Mein Kampf S. 528)
Indem ich den Juden als Führer der Sozialdemokratie erkannte, begann es mir wie Schuppen von den Augen zu fallen. … die Partei, mit deren kleinen Vertretern ich seit Monaten den heftigsten Kampf auszufechten hatte, lag in ihrer Führung fast ausschließlich in den Händen eines fremden Volkes … Je mehr ich den Juden kennenlernte, um so mehr musste ich dem Arbeiter verzeihen. (ebd. S. 64 ff.)
Nur die Kenntnis des Judentums allein bietet den Schlüssel zum Erfassen der inneren und damit wirklichen Absichten der Sozialdemokratie. (ebd. S. 54)
Das Finanzjudentum wünscht … nicht nur die restlose wirtschaftliche Vernichtung Deutschlands, sondern auch die vollkommene politische Versklavung. Die Internationalisierung unserer deutschen Wirtschaft, d.h. die Übernahme der deutschen Arbeitskraft in den Besitz der jüdischen Weltfinanz, läßt sich restlos nur durchführen in einem politisch bolschewistischen Staat. Soll die marxistische Kampftruppe des internationalen jüdischen Börsenkapitals aber dem deutschen Nationalstaat endgültig das Rückgrat brechen … (ebd. S. 702) Im russischen Bolschewismus haben wir den im zwanzigsten Jahrhundert unternommenen Versuch des Judentums zu erblicken, sich die Weltherrschaft anzueignen …“(ebd. S. 751)
„Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“ (Hitler, Rede 30. 1.1939, zit. nach ‘Die Zeit’ 30.1.2019)
„Für Hitler waren das kommunistische wie gleichzeitig auch das kapitalistische System jüdisch dominiert, im Fall der Sowjetunion aber der ‘jüdische Bolschewismus’ die unmittelbare Gefahr. Es ging ihm nicht nur um Eroberung und Ausbeutung, sondern ganz konkret um Vernichtung.“ (Hans Rauscher, Standard 19.6.2021)
Der Zusammenhang und Zusammenschluss von Judentum und Bolschewismus ist in der nationalsozialistischen Weltanschauung durchgängig, der ist nicht zu übersehen, sofern man sich damit befasst. Wie alle Leistungen „des Menschen“ und der Menschheit sind aus völkischer Sicht auch politische und geistige Strömungen völkisch zuzuordnen. Nicht „der Russe“, schon gar nicht „der Deutsche“, sondern „der Jude“ war aus dieser Sicht der Erfinder und Aktivist des Bolschewismus, und Russland war aus damaliger deutscher Sicht vom Judentum in seiner Ausprägung als Bolschewismus beherrscht. Der Nationalsozialismus hat „das Judentum“ nicht nur als gemeinschaftsunfähig punziert, weil nicht opferbereit, er hat es – noch einmal, damals der Mainstream! – auch mit dem Bolschewismus identifiziert. Es gab eine Arbeiterbewegung; die war aus nationalsozialistischer Sicht der aktive, militante Arm des Judentums, das in Deutschland tätig und in der Sowjetunion schon an der Macht war. Der proletarische Internationalismus wurde mit dem jüdischen Internationalismus identifiziert, der sozialistische Proletarier als „vaterlandsloser Geselle“ mit dem staatenlosen, dem international tätigen „Volk“ zusammengeschlossen. Deutschland war Opfer einer negativen Sozialpartnerschaft von jüdischem Kapital und „marxistischer Kampftruppe“: Der jüdische Kapitalist – oder der deutsche Kapitalist als „Nachahmungstäter“ –, die lassen den deutschen Arbeiter verkommen, dann kommt der jüdische Bolschewist und hetzt den Arbeiter auf, gegen Deutschland. Der Nationalsozialismus hat die Lage der Nation konsequent völkisch gedeutet; alles, was Deutschland schadet – denn: „So sind wir nicht!“ – muss von außerhalb kommen, denn die Volksgemeinschaft ist ein in sich homogener Verband, dessen Mitglieder gar nicht anders können, als miteinander ihre deutsche Agenda zu vollziehen.
Falls eine Faschismusforschung nun zum Ergebnis kommen sollte, das alles sei nicht ernst zu nehmen, dann wäre das schon zu begründen, einfach ignorieren gilt nicht. Damit wurde das deutsche Volk immerhin flächendeckend und permanent zugeschüttet. Wer es überprüfen will, möge das tun, aber vor allem: Das Zeug ist ernst zu nehmen, und nicht von vornherein als absurder, deplatzierter Schwachsinn abzutun. Man darf das auch gern für Wahnsinn halten, aber dann stellt sich erst recht die Frage: Wie geht Wahnsinn? Denn dass „die Theorie zur materiellen Gewalt wird, wenn sie die Massen ergreift“, das gilt leider auch für wahnsinnige Theorien.
(Dazu auch: „Die Juden – Opfer sinnloser Verbrechen“, in: https://www.vsa-verlag.de/uploads/media/VSA_Gutte_Huisken_Alles_Bewaeltigt_nichts_begriffen.pdf)
Drei Ergänzungen zum damaligen internationalen Standard der „Judenfrage“.
Erstens: Eine Konferenz in Evian 1938 geht über die damalige jüdische Flucht und Migration, die teilnehmenden Staaten stellen sich die Frage: „was machen wir mit denen“ – Antwort: „wir wollen sie auch nicht“. Analog zu den aktuellen Flüchtlingen bzw. Migranten. Leute wurden bekanntlich sogar über den Atlantik zurückgeschickt. Die deutsche Presse berichtet begeistert: Juden sind überall unbeliebt.
Zweitens: Die deutsche Wehrmacht hatte zwischen Frankreich und der Ukraine keine Schwierigkeiten, lokale Hilfswillige für das Einsammeln und den Abtransport der lokalen jüdischen Bevölkerung zu rekrutieren. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen; an einer Verweigerung der jeweiligen anderen zivilisierten Völker ist da nicht viel gescheitert.
Drittens: Der Stellenwert der Vernichtungslager für die Alliierten. Die waren den Westmächten seit 1942 bekannt, und während die Gräueltaten des Feindes normalerweise propagandistisch ausgeschlachtet werden, waren die Alliierten diesbezüglich ungefähr so diskret wie das Dritte Reich selber. Erst nachher, im Zuge der Umerziehungs-Gehirnwäsche, wurde „Auschwitz“ hochgespielt und instrumentalisiert. Eine vulgäre Frage der Zeitgeschichte lautet: Warum wurden die Bahnlinien nach Auschwitz nicht bombardiert?! Die schlichte Antwort: Die Rettung von Juden war kein Kriegsziel.
Der Zusammenhang von Judentum und Bolschewismus wurde nach 1945 aufgelöst, wegen der Instrumentalisierung des Dritten Reiches im Kalten Krieg: Der Kommunismus war der weiterexistierende Gegner, die Sowjetunion nach wie vor des Reich des Bösen. Manche überlebende Juden haben sich um eine für den Westen strategisch nützliche Staatsgründung bemüht, die eine ähnliche Stellung als Frontstaat gegen den arabischen Nationalismus eingenommen hat, wie Deutschland gegen den Ostblock. Deutschland hat sich nach 1945 ausdrücklich als Rechtsnachfolger des Dritten Reiches aufgestellt, von einem totalen „Bruch“ konnte nicht die Rede sein, Nachfolge war angesagt, und zwar so: Deutschland zahlt die Schäden, natürlich nur ausgewählte, als „Wiedergutmachung“ – und erhebt Ansprüche auf die Außenstände, gegen die Sowjetunion, in Gestalt der DDR. Eine Erinnerung an Postone im ersten Teil der Reihe: Wiedergutmachung wurde an Juden, aber nicht an Kommunisten und andere Gegner gezahlt – das ist ungenau. Die „Wiedergutmachung“ für die einen wurde – über die „Rechtsnachfolge“ – zum Hebel gegen die anderen! Insofern konnte die materielle Wiedergutmachung und der moralische Opferbonus nur Juden zugutekommen, wg. Israel, aber nicht Kommunisten, wegen DDR:
„Es wäre auch gar zu albern gewesen, hätte die Bundesregierung mit ähnlichen Zahlungen womöglich genau die Sowjetunion für den Verlust von 20 Millionen Bürgern ‘entschädigen’ wollen, der von der BRD ihr Interesse an einer verbündeten DDR bestritten und vom Westen ein atomarer Weltkrieg angedroht wurde. Und mit gleichartiger ‘Großzügigkeit’ gegen die genau so konsequent ausgerotteten Zigeuner Europas hätte die BRD weder ein beachtenswertes diplomatisches Zeichen gesetzt – noch die USA bei der Alimentierung ihres nahöstlichen Vorpostens entlastet …“ (Konrad Hecker: Der Faschismus und seine demokratische Bewältigung, München 1996, S. 275)
Dazu auch: „Die Juden – Opfer sinnloser Verbrechen“, in
https://www.vsa-verlag.de/uploads/media/VSA_Gutte_Huisken_Alles_Bewaeltigt_nichts_begriffen.pdf
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Kurze Nachbemerkung: „Als einzige Schicht (blieb) die Arbeiterschaft verhältnismäßig immun gegen den Antisemitismus, vor allem in Deutschland, wo sie marxistisch geschult war.“ (Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft, München 1986. S. 62) Nun ja, soweit marxistisch geschult, waren Arbeiter womöglich der Meinung, der Kampf der Klassen ist das, worauf es ankommt. Von Marx hätten sie auch lernen können, dass der Kapitalismus aus sich heraus, aus innerer Dynamik, Krisen und Zusammenbrüche produziert. Andererseits: Die NSDAP hat sich nicht zufällig so benannt: National und Sozialistisch, Deutsche und Arbeiter Partei! Hitler hat den Kampf um die nationale Mission des Proletariats aufgenommen, als dezidiertes Gegenprogramm zum proletarischen Internationalismus; er hat das Proletariat erfolgreich in die Volksgemeinschaft integriert, für den nationalen Befreiungskampf.