Die Familie (5) – Eheversprechen und Ehrenmord

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Nationale Identität im richtigen Leben

Die Familie
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Beziehungstat, Familientragödie, Ehrenmord, Femizid, Trennungstötung …

Das in Trennungssituationen strapazierte und zur Aggression neigende Selbstwertgefühl ist die psychologisierte Fassung von „Ehre“, das war der Befund am Ende der letzten Sendung. Die These besteht nun darin, dass es sich bei der Familientragödie und der Beziehungstat um die hier übliche Variante des Ehrenmords, um das hiesige Gegenstück zum Ehrenmord handelt – zu klären ist beides, die Identität und die Differenz.

Eine kleine Anekdote. Im vorigen Jahrhundert, im Jahr 1961 kam ein Film heraus, „Scheidung auf italienisch“ (Divorzio all’ italiana). Marcello Mastroianni spielt einen voll degenerierten sizilianischen Adeligen, der seine Frau loswerden möchte. Das Problem: Nach dem damaligen italienischen Zivilrecht war eine Scheidung unmöglich; die Ehe war auch von Staats wegen unauflöslich – man darf da an das segensreiche Wirken des politischen Katholizismus denken. (Bis 1970 übrigens). In dieser Lage bedient sich der Baron Cefalu des Ehrenmords als Scheidungsersatz – das ist gemeint mit Scheidung „auf Italienisch“. Der Baron versucht, seine Frau in eine Affäre zu treiben, die brennt tatsächlich mit einem anderen durch, dann kann er sie erschießen; in seinem Dorf wird er als Held gefeiert, er kommt mit einer symbolischen Strafe für dieses Kavaliersdelikt davon (18 Monate) – und ist endlich frei. Aber wenn der Ehrenmord als Scheidungsersatz missbraucht wird, dann musste es den Ehrenmord als anerkannte Einrichtung erst mal geben. Nun, wie der Zufall so spielt: Am 13.3.2021 in der Tiroler Tageszeitung, online-Ausgabe:

„In Brasilien darf die ‘Verteidigung der Ehre’ nicht mehr als mildernder Umstand für Femizide – also Morde an Frauen wegen ihres Geschlechts – gelten. Diese Entscheidung traf das Oberste Gericht des Landes in einer am Freitagabend veröffentlichten Entscheidung. … Für Empörung hatte unter anderem 2017 die Entscheidung einer Jury gesorgt, einen Mann vom Vorwurf des versuchten Mordes freizusprechen, der dreimal auf seine Ex-Frau eingestochen hatte. Seine Verteidigung hatte argumentiert, dass der Angeklagte ‘seinem legitimen Recht auf Verteidigung der Ehre’ nachgekommen sei. Der Mann selbst hatte ausgesagt, er sei rasend vor Eifersucht gewesen, nachdem er eine Nachricht auf dem Handy seiner Ex-Frau gesehen habe.“

Der Fortschritt ist sogar in Brasilien unaufhaltsam. In Italien ist die Rechtslage schon länger geändert, da ist der Ehrenmord schon länger nicht mehr geachtet, sondern geächtet – was Beziehungstaten und Familientragödien natürlich nicht verhindert, gefolgt von wütenden Protesten; aber als Scheidungsersatz hat der Ehrenmord wohl ausgedient. In der Türkei wieder, darüber wurde man um den 8. März informiert, da ist die Gesellschaft gespalten, da gibt es einerseits viel Verständnis für Ehrenmorde – und ebenso wütende Proteste dagegen und gegen das lasche Agieren der Behörden. Genau so umstritten ist in der Türkei der aktuelle Austritt aus der sog. Istanbul-Konvention des Europarates, die sich gegen Gewalt an Frauen richtet. „Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) ließ mitteilen, Erdogan führe sein Land damit einmal mehr zurück in die Vergangenheit und weiter weg von Europa, die Leidtragenden dieser Entscheidung seien wieder die Frauen.“ Schön gesagt, apropos Europa: Diese Konvention ist auch unter christlichen Rechtgläubigen umstritten. In Kroatien, Polen, Ungarn, in der Slowakei, in Tschechien, Bulgarien, Lettland und Litauen gibt es Bestrebungen, Erdogan zu folgen bzw. wurde die Konvention noch gar nicht ratifiziert. In Italien ist bzw. war man überwiegend katholisch, ebenso wie in Brasilien – dort findet außerdem ein evangelikales Christentum viele Anhänger. Dass es sich beim Ehrenmord und bei anerkannter Gewalt gegen Frauen um ein vorzugsweise islamisches Phänomen handelt, ist schlicht und ergreifend falsch.

Ehrenmord, eine juristische Definition

76 (öst. StGB) legt einen Tatbestand und einen Strafrahmen folgendermaßen fest: „Wer sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lässt, einen anderen zu töten, ist mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“

Dieser § heißt zwar nicht so, er ist aber der Sache nach die juristische Definition von Ehrenmord, auch wenn er, wie ich vermute, bei Trennungstötungen nicht mehr zur Anwendung kommt, zumindest nicht häufig. Denn nicht jede Tötung ist bekanntlich ein Mordfall, das kommt sehr auf das Motiv an. Die „allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung“ im §76 besagt, dass da nicht der sog. niedrige oder verwerfliche Beweggrund das Motiv der Tötung ist – dann wäre es Mord –, sondern dass da ein fanatischer Anhänger der guten Sitten und des Anstands „sich hinreißen lässt“ und zur Tat schreitet, weil er persönlich einem – in seinen Augen – furchtbaren Anschlag auf den allgemeinen Sittenkodex zum Opfer gefallen ist, und weil er sich so sehr mit der Sittlichkeit seiner community identifiziert, dass er einen Verstoß nicht tolerierenkann! Das ist gemeint mit der „allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung“, die einen Otto Normalmoralisten oder Otto Normalmoralverbraucher schon mal heftig überkommen kann. In Deutschland kennt das Gesetz (§ 213 StGB) ebenfalls „tatmildernde Aspekte“, das ist vor allem die Tat aus einem „kraftvollen Erregungszustand“ durch „Zorn“; auch Wut oder starke Eifersucht können danach einen Totschlag im Affekt begründen.

Darauf bezieht sich Ulrike Lembke – Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität in Berlin – in einem Aufsatz Ende Februar 2021 in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“:

„Am 22. März 2017 bestätigte der Bundesgerichtshof, dass es in besonderem Maße verwerflich ist, wenn ein Mann seine Frau tötet, weil sie ihn verlassen will oder verlassen hat. Das prägende Hauptmotiv der Mordtat, die verhandelt wurde, war die Eifersucht des Angeklagten und seine Weigerung, die Trennung von seiner Ehefrau zu akzeptieren. Diese Motivation, so argumentierte das Gericht, stehe ‘sittlich auf niedrigster Stufe’ und sei ‘Ausdruck der Geisteshaltung des Angeklagten, seine Frau als sein Eigentum zu begreifen, über das er verfügen könne’ … Damit schien eine wesentliche Wende in der Rechtsprechung gelungen. Diese war zuvor dafür kritisiert worden, den spezifischen Unrechtsgehalt von sogenannten Trennungstötungen nicht zu erkennen. Tatsächlich zeigten Bundesgerichtshof und Landgerichte in der Vergangenheit großes Einfühlungsvermögen für den verlassenen Mann, seine ‘Verlustangst’, seine Wut, seine ‘Verzweiflung’, seine ‘Sorge um die Kinder’, seinen zerstörten Lebenstraum. In einem ‘Motivbündel’ des Täters fand sich immer ein nachvollziehbarer Beweggrund, welcher es erlaubte, in einer Gesamtbewertung die Verwerflichkeit der Tat auszuschließen. Die Gerichte prüften nicht nur, von wem die Trennung ausgegangen war, sondern erörterten auch, ob die häufig eine Rolle spielende Eifersucht des Täters sich am Verhalten des Opfers festmachen konnte oder ‘völlig unbegründet’ gewesen sei.“

Nun, das kennt man aus Vergewaltigungsprozessen, wenn das Opfer schuldig oder mitschuldig sein soll. Weiter im Aufsatz von Frau Lembke:

„Das Verständnis der Gerichte für den verlassenen Mann fand nämlich ein abruptes Ende, wenn es sich nicht um einen weißen deutschen Täter handelte. War der Täter ‘im Osten der Türkei geboren’ oder ‘von kurdischer Volkszugehörigkeit’, wurde sein Motivbündel nicht mehr als vulnerabler emotionaler Zustand verstanden, sondern als verachtenswertes ‘Besitzdenken’ und illegitimer privater Herrschaftsanspruch. Noch markanter waren die Unterschiede in der juristischen Bewertung, wenn die Tötung als ‘Ehrenmord’ definiert werden konnte. Diese Einordnung stützte sich weniger auf existierende wissenschaftliche Forschung … als auf ein paar kulturalistische Annahmen mit Verweis auf die Herkunft des Täters.“

Diese von Frau Lembke kritisierte Judikatur entspricht voll und ganz dem Standpunkt der Broschüre der öst. Ministerin für „Frauen und Integration“ mit dem Titel „Gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“, die ich vor einigen Wochen am Beginn der Serie erwähnt habe, weswegen es „im Kontext von Migration … spezifische, kulturell bedingte Gewaltformen“ zu bestaunen gäbe, im Unterschied zu den hier autochthonen Gewaltformen, die bekanntlich mit der hiesigen Kultur nichts zu tun haben können. Um den Standpunkt dieser Broschüre und der bisherigen Judikatur zu charakterisieren, möchte ich ein geflügeltes Wort aus einem anderen Zusammenhang paraphrasieren: „So sind wir nicht“, meinte der Bundespräsident seinerzeit. Und weil „wir“ nun einmal ganz und gar nicht so sind, gell, muss es sich um eine ganz, ganz spezielle, ganz außergewöhnliche, fast schon um eine Notsituation handeln, wenn einer „von uns“ dann doch seine Frau oder die Ex umbringt, und diese ganz außergewöhnlichen Umstände im Zuge dieser vielen regelmäßigen „Einzelfälle“ – so alle 14 Tage in Österreich –, die verwandeln sich ganz selbstverständlich in lauter Milderungsgründe. Bei „den anderen“, da wissen „wir“ hingegen es genau, da kennen wir uns aus, die „sind so“ – kulturell bedingt. Ganz ordinärer Nationalismus ist da also zugange, vorgetragen als kulturell bedingte höhere oder mindere Wertigkeit! Dazu eine aktuelle Illustration: In Tirol wurde eine Frau vom Ehemann umgebracht. So weit, so normal. Der Verteidiger übt sich schon mal in Stimmungsmache für seinen Klienten:

„Sein Verteidiger Markus Abwerzger ließ am Donnerstag keinen Zweifel dran, dass sein Mandant die Verantwortung für den Tod seiner Ehefrau übernehmen wird. Wichtig sei allerdings zu betonen, so Abwerzger, dass die Tötung der Frau kein ‘Ehrenmord’ gewesen sei und es sich nicht um ‘Blutrache’ gehandelt habe. Beide türkischstämmige Familien seien in Tirol ‘bestens integriert’, so der Verteidiger, und der Täter sowie das Opfer seien in Österreich geboren.“ (orf.at)

Das ist natürlich eine tolle Sache, dass der bestens integrierte Täter wie ein waschechter aufgeklärter Tiroler handelt, und nicht wie ein zugereister rückständiger Türke – wenn beide ihre Frauen umbringen. Wenn das keine mildernden Umstände ergibt! Ich will die Unterschiede der verschiedenen Ehrenmorde nicht vernachlässigen. Es wird schon eine Rolle spielen, ob die individuelle Ehre oder die der Familie tangiert ist; es sind etwa in Deutschland Fälle dokumentiert, wo eine ganze Familie hinter einer Abtrünnigen her war und der jüngere Bruder mit dem Mord beauftragt wurde, weil der unter das Jugendstrafrecht fällt. Es geht auch nicht darum, dass es jetzt unentschieden steht, zwischen den diversen Kulturen, beim Ehrenmord.

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Worum es geht: Wenn am Befund von der Beziehungstat oder der Trennungstötung als der hier üblichen Variante von Ehrenmord etwas dran ist, dann folgt daraus eine entscheidende Korrektur der Definition des „Femizid“ – dass also Frauen getötet würden, weil sie Frauen sind. Das haut in dieser Unmittelbarkeit sicher nicht hin. Die betroffenen Frauen werden nicht getötet, weil sie Frauen sind – sondern weil sie aus der Sicht des Täters unanständige Frauen sind. – Wenn nun die erste Empörung vorbei ist, würde ich gern weitermachen. Ich weiß schon, es gibt erstens gar keine unanständigen Frauen, oder zweitens verdient deswegen doch keine den Tod, oder das darf man drittens nicht sagen, das gehört verdrängt oder verschwiegen – es hilft aber nichts, sich darüber hinwegtäuschen oder hinwegschwindeln zu wollen, dass es das hochentwickelte moralische Empfinden des Täters ist, sein Moralkodex, sein Wertesystem, seine Sittlichkeit, die zum Mordmotiv wird. Egal, ob sich das nun heute noch in mildernden Umständen niederschlägt oder nicht.

Woher haben die Typen das bloß? Ich habe mich aus diesem Anlass mit einem kurzen Suchbefehl über Eheversprechen informiert, über diejenigen Gelöbnisse, die bei Hochzeiten nach freier Wahl der Brautleute ausgetauscht werden können, und das nicht nur im Film. Eine besonders hartgesottene Zusammenstellung geht so:

„Ich verspreche, dich nicht zu verlassen, weder in guten noch in schlechten Tagen, weder in Reichtum noch in Armut, weder in Gesundheit noch in Krankheit, und dir die Treue zu halten, bis dass der Tod uns scheidet.“ (www.weddingstyle.de)

Na gut, da kann man gern glauben, dass diesen Schmarrn ohnehin niemand so richtig ernst nimmt, dass es sich um bescheuertes Pathos, um überkandideltes Gedöns, um schwülstiges Gesabbel handelt, das halt in einem feierlich gemeinten Moment abgesondert wird. Vielleicht geht es einem ja ab und an auch tatsächlich so, gefühlsmäßig halt, wenn einen die Liebe oder die Verliebtheit überkommt und man glaubt, in den eigenen Gefühlen zu ertrinken. Kann schon vorkommen, ein paar Momente lang.

Was aber, wenn das bitterernst gemeint ist oder bitterernst genommen wird, vielleicht auch ohne formelles Gelöbnis, so mehr als Gewohnheitsrecht im Verlauf einer Beziehung? Da wird durch die je eigene Willigkeit ein gleichberechtigtes, wechselseitiges Niveau von Ansprüchen definiert, das sich gewaschen hat, und damit eine dementsprechende Fallhöhe für die kommenden Enttäuschungen. Was ist, wenn das ernstlich als Lebensbewältigungsprogramm genommen und in die Praxis umgesetzt wird? Weil die Familie oder die Beziehung nun einmal das wichtigste auf der Welt sind, weswegen die Familie einfach nicht schiefgehen darf? Das Gelöbnis selbst ist ebenso brutal ignorant wie umfassend totalitär – denn es sind immerhin gute und schlechte, arme und reiche, gesunde und kranke Phasen erwähnt. In der Tat, das Leben im Kapitalismus birgt einige sogenannte Wechselfälle, auch schon vor Pandemie und Lockdown – und für diese Phasen ist charakteristisch, dass die Eheleute in der Regel weder als Verursacher etwas dafür können, noch die passenden Mittel haben, um damit fertig zu werden, aber ausbaden sollen sie das alles möglichst miteinander, aneinander, und eventuell gegeneinander! Gesundheit und Krankheit – wäre da nicht eine gute Krankenversicherung einer Heirat vorzuziehen? Armut und Reichtum – doch lieber eine Lohnerhöhung als ein Auftritt am Standesamt?! Jedenfalls – was ist wohl los, wenn der brachiale, in so einem Versprechen zusammengefasste Standpunkt ernst genommen wird, als Durchhalteprojekt im täglichen Lebenskampf? Diese Versprechen bestimmen die Familie als Not- und Elendsgemeinschaft, wo die Beteiligten immer füreinander da sind, auch wenn sie einander nicht viel nützen können. Als eine Art Superkleber in allen Lebenslagen, als Allheilmittel für jedes kleine Wehwehchen ebenso wie für jede große Katastrophe! Was ist, wenn das weiters keine individuelle, keine abgehobene, verschrobene Spinnerei ist, sondern das gesellschaftlich erwünschte, das staatlich geförderte, rechtlich fixierte und daher moralisch hochwertige Lebensbewältigungsprogramm? Immerhin gibt es eine Instanz, die dieses Durchhalteprogramm praktisch sehr ernst nimmt, und zwar auch und erst recht, nachdem die Eheleute keineswegs durch den Tod geschieden wurden. Das Gelöbnis, so individuell es neuerdings auch gestaltet sein mag, ist die freiwillige Unterwerfung unter das Eherecht, und das merken manche angeblich erst nachher. Denn die jeweils vom Gesetz definierten Betreuungspflichten und die finanziellen Ansprüche gegeneinander, auch diejenigen der Kinder – die bleiben bekanntlich aufrecht und werden vom Staat eingetrieben, auch wenn die Lebensgemeinschaft längst verschlissen ist. Demgegenüber steht beim Beziehungs- bzw. beim Trennungstäter offenbar weniger der tatsächliche Zustand einer längst kaputten Beziehung im Vordergrund, sondern mehr die Treue: Der Teil des Versprechens, der auf das nicht-verlassen-werden-dürfen abhebt.

Nebenbei und der Vollständigkeit halber: Wie so ein Sozialstaatsersatz- und Sozialstaatskompensationsprogramm mit dem früher einmal erwähnten Streben nach Glück, nach Selbstverwirklichung und Erfüllung zusammenpassen soll, das dürfte nur für christliche Spezialisten in Sachen Pflicht, Demut, Aufopferung und Entsagung nachvollziehbar sein. Sogar bei Kant war – einleitend! – von der „Lust zum wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtseigenschaften“ die Rede!

Schluss: Das dicke Lob der Familie aus Sicht der Politik:
Die eierlegende Wollmilchsau!

„Familie gibt Halt, Sicherheit und Geborgenheit in jeder Lebenslage. Wichtige Aufgabe der Politik ist es daher, die erforderlichen Rahmenbedingungen anzubieten, damit die Familien in Österreich weiter gestärkt werden, um den Alltag und die Herausforderungen des Lebens bestmöglich meistern zu können.“ (Regierungsprogramm türkis-blau 2017)

Prägnanter kann man es eigentlich nicht formulieren. Die Familie ist die staatlich organisierte und orchestrierte Instrumentalisierung der Liebe für die Bewältigung von Aufgaben, mit denen die Beteiligten im Kapitalismus ständig konfrontiert werden – der Kapitalismus tritt hier wie so oft unter vornehmen Pseudonymen und Verkleidungen auf, als „Alltag“ oder als die „Herausforderungen“ des „Lebens“ oder einfach als „jede Lebenslage“, eine jede Lebenslage, die ganz naturwüchsig das Bedürfnis nach „Halt, Sicherheit und Geborgenheit“ provoziert und frustriert. Denn dieser dauernde Bedarf wird offenbar in den anderen Abteilungen der Gesellschaft hervorgebracht und nicht befriedigt, man darf ihn sowohl moralisch als auch materiell verstehen, und die Familie ist der große Lückenbüßer und Notnagel für alles und jedes. Dafür wird sie von der Politik geschätzt. Die vom Staat verordneten finanziellen und Sorgepflichten enden bekanntlich nicht mit der Scheidung. Der Vollständigkeit halber die kleine Akzentverschiebung im aktuellen türkis-grünen Programm:

„Familien sind die wichtigste Gemeinschaft der Menschen. Familien geben Halt, bieten Schutz und Zuversicht und helfen einander in schwierigen Lebenslagen.“ – Wie gehabt, wo die schwierigen Lebenslagen herkommen und wo die Familien Halt, Schutz und Zuversicht anfordern können, steht nicht da. Da hat man womöglich im Sozialkunde-Unterreicht gehört, eine menschenrechtlich orientierte Ordnung, eine Demokratie, ein Rechtsstaat und ein Sozialstaat würden so viel bieten in Sachen Halt und Sicherheit und Schutz, von einer vernünftigen marktwirtschaftlichen Ökonomie ganz zu schweigen – und dann bleibt doch alles an der Familie hängen.

Aber immerhin: „Die neue Bundesregierung anerkennt die Vielfältigkeit unterschiedlicher Familienmodelle, die Kindern ein gutes Leben ermöglichen.“ (Regierungsübereinkommen türkis-grün 2020) Die Vielfältigkeit von Familienmodellen wird neuerdings betont – damit also nicht nur das traditionelle heterosexuelle Paar aus Mutter und Vater in den Genuss der Familie kommt: Ort des Glücks, Ort der unbezahlten Arbeit, Ort des Psychoterrors, Ort des Amoklaufs.

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