Die Familie (7) – Staatliche Institution der Notlagenbewältigung

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Nationale Identität im richtigen Leben

Die Familie
Ort des Glücks,
Ort der unbezahlten Arbeit,
Ort des Psychoterrors,
Ort des Amoklaufs

Seit Beginn der Serie über die Familie Ende Februar sind wieder – wen wundert es – einige Frauen getötet worden; spektakulär, und daher nach den Gesetzen der Medien viel beachtet, die in ihrer Trafik ermordete Trafikantin. Ich bin außerdem von aufmerksamen, kritischen Hörerinnen auf eine mögliche Schwachstelle meiner Argumentation aufmerksam gemacht worden; die meine Behauptungen entweder in Frage stellt oder die zumindest erläuterungsbedürftig ist: Wenn die Familie und das hier kulturell übliche Beziehungsmodell tatsächlich der Grund für Mord und Totschlag ist, dann stellt sich doch die Frage, warum sich Täter und Opfer so eindeutig auf die Geschlechter verteilen – Mann tötet Frau, die sich trennen will bzw. getrennt hat, das ist die Regel. Warum nicht etwa 50 zu 50? Da ist was dran, und insofern eventuell auch an der Bezeichnung „Femizid“.

Das „profil“ hat sich in der Nr. 17/2021 in einer Titelgeschichte – „Männer töten Frauen. Motiv Rache“ – dem Thema gewidmet, mit der journalistisch üblichen nationalistischen Schlagseite, nämlich nicht mit der Frage „Warum?“, sondern „Warum bei uns so häufig?“ Man kann da offenbar alle erdenklichen, erfreulichen oder unerfreulichen Phänomene nur aus der „wir“-Perspektive und im „internationalen Vergleich“ berichten, weil „wir“, wie der Herr Bundesbasti bei jeder Gelegenheit versichert, international „Vorreiter“ sein müssen, beim Impfen und überhaupt. So als wäre die Sache dann erst so richtig beschissen, wenn „wir“ „uns“ genieren müssten, über einen der hinteren Tabellenplätze beim Femizid … Im Rahmen dieser Titelgeschichte beantwortet ein Psychiater auch die Frage, warum Männer Frauen umbringen – und nicht umgekehrt –, aber leider falsch. (Kommt übrigens auch umgekehrt vor; es gab einen Fall in St. Pölten, in zeitlicher Nähe zum 5-fach Mord in Kitzbühel. Aber da konnten die Medien nichts damit anfangen, passt nicht ins Bild vom weiblichen Opfer.) Aber die Frage gehört gestellt und beantwortet.

Vorher allerdings möchte ich einen kurzen Durchgang absolvieren, z.T. eine Wiederholung von Argumenten aus den vorherigen Sendungen. Mit einem etwas anderen Einstieg. Nach dem Tod der Frau Nadine, der Trafikantin, haben Aktivistinnen ein Graffito angebracht: „Stoppt Femizide! Man tötet nicht aus Liebe!“ Stimmt. Aber aus enttäuschter Liebe schon, und das ziemlich regelmäßig! Es wäre auch zu fragen, an wen sich der Imperativ „stoppt“ denn richtet? Welches Subjekt ist da angesprochen? Wer soll „stoppen“? Aber wie dem auch sei: Was hat es denn nun mit den Enttäuschungen der „Liebe“ in Zeiten der bürgerlichen Gesellschaft auf sich? Bürgerliche Gesellschaft – denn, dass Leute zum „Koitus“, wie Prof. Sheldon Cooper sagen würde (der Mann muss inzwischen Prof. sein!), physisch fähig sind, das ist eine Sache. Was sich allerdings hier und heute als anerkanntes, geläufiges, geschätztes und empfohlenes Beziehungskonzept und Familienmodell etabliert hat, das ist ein kulturelles Konstrukt, ein Konzept, wie Prof. Cooper es nennen würde. Da kommt nichts aus der Biologie, aus den Hormonen oder aus den Genen. Und in dieses Konstrukt ist dann auch der Koitus eingebettet. Möchte mit der Familie als staatlicher Institution beginnen:

Familie – die staatliche Institution der Notlagenbewältigung

„Demzufolge sind die Ehepartner zur Geschlechtsgemeinschaft, zum gemeinsamen Wohnen, zur Treue, zum anständigen Umgang miteinander und zum Beistand verpflichtet.
Außerdem müssen beide Ehegatten zur gemeinsamen Deckung der Lebensbedürfnisse beitragen. Nichtsdestotrotz haben die Eheleute das Recht, einvernehmlich darüber zu entscheiden, auf welche Art und Weise jeder Ehegatte seiner Pflicht nachkommt.
Auf Grundlage dieses rechtlichen Verständnisses einer funktionierenden ehelichen Lebensgemeinschaft, ist eine Eheverfehlung eine ehewidrige Handlung, die nicht dem Wesen der Ehe entspricht.
Gemäß österreichischem Eherecht geht man davon aus, dass die Eheverfehlung zur Zerrüttung einer ehelichen Lebensgemeinschaft führt. Inbegriffen sind dabei auch ehewidrige Beziehungen, physische Gewalt, psychische Misshandlungen, Streitsucht, Vernachlässigung des Ehepartners und fehlender Beistand.“ (https://www.familienrechtsinfo.at/)

Die Ehe ist ein Verhältnis von Rechten und Pflichten, also von quasi verbrieften Ansprüchen und den komplementären Geboten oder Zwängen, diese Ansprüche, die „Rechte“, auch zu erfüllen. Allerdings mit der für Rechte und Pflichten doch eigenartigen Bestimmung, die Beteiligten mögen sich, wie in einem privatrechtlichen Vertrag, die Rechte und Pflichten untereinander ausmachen, untereinander verhandeln – aber ohne diese einzeln zu fixieren. Wobei der Gesetzgeber allerdings großen Wert darauf legt, dass die Pflichten, an denen ihm gelegen ist, nicht den Beteiligten überlassen bleiben – was diese womöglich erst im Zuge einer Trennung praktisch bemerken; diese Pflichten gehen nämlich weiter.

Wozu sind die Eheleute verpflichtet? „Geschlechtsgemeinschaft, gemeinsames Wohnen, zur Treue, zum anständigen Umgang miteinander und zum Beistand.“ Komisch, denn wenn zwei Leute, in Zuneigung verbunden, eine Lebensgemeinschaft eingehen oder wenigstens damit beginnen, dann sind das doch Selbstverständlichkeiten, oder? Anständiger Umgang als Pflicht? Das mit der Geschlechtsgemeinschaft und der Treue mal dahingestellt, die Sache mit dem „Beistand“ ist nämlich die zentrale Angelegenheit, ebenso unspezifisch wie tendenziell umfassend und unbegrenzt. Der Gesetzgeber unterstellt die Mitglieder der besten aller möglichen Welten als Ansammlung von hilfs-, von unterstützungs- bis pflegebedürftigen Kreaturen, die an allen möglichen Problemen laborieren, von denen nicht die Rede ist, die ihnen das Leben schwer machen – und erteilt einen eindeutigen Auftrag: Sie sollen sich wechselseitig umeinander kümmern, völlig wurscht, wo diese Probleme herkommen, worin sie bestehen, und ob die beiden über geeignete Mittel zur Behebung verfügen.

Die diskutierten Belastungen der Familien unter den Bedingungen von Pandemie bzw. Lockdown sind quasi ein Lehrstück darüber, wie Familie von Staats wegen gemeint ist. Da werden von außen allerlei Schäden verursacht: Das Geldverdienen wird vom Staat teilweise verboten oder eingeschränkt, weil soziale Kontakte unterbunden werden, die Einkommen dadurch teilweise gewaltig reduziert bei weiterlaufenden Kosten für die Lebenshaltung. Kommen dazu die zusätzlichen Belastungen, weil die Schulen geschlossen werden und die Kinder nicht wie üblich wenigstens den halben Tag beaufsichtigt werden – und ausbaden, damit zurechtkommen und die Schäden kompensieren müssen die Familien! Genauso ist es gedacht, und wenn es „Familie“ nicht längst gäbe, hätte sie der Staat wohl erfinden müssen: Beschädigte Individuen sollen sich aneinander schadlos halten, für lauter Sorgen, für die sie als Verursacher nichts können, und die sie auch nicht aus der Welt schaffen können.

Kein Wunder, dass dem Gesetzgeber daran liegt, gewisse familiäre Dienstleistungen, für die es übrigens auch einen Markt und Marktpreise gibt, den Beteiligten ausdrücklich zur Pflicht zu machen, sie ihnen also unabhängig von Liebe und Zuneigung aufzuerlegen. In manchen darüberhinausgehenden Funktionen der Familie ist sie auch gern als „Keimzelle des Staates“ angesprochen; nicht nur die Reproduktion der aktuellen Arbeitskraft, auch die Aufzucht und Sozialisation der nächsten Generation soll sie erledigen. Die Familie ist da als Zuchtanstalt der Staatsbürger in der Pflicht, und die Frau als Gebärmaschine der Nation. Die Regierungen in der Türkei, in Polen und Ungarn formulieren ihre diesbezüglichen Ansprüche sehr offenherzig, man kann auch sagen: unverschämt. Nachdem der Mann als Oberhaupt der Familie abgedankt hat, dürfen sich Mann und Frau die Verteilung ihrer Aufgaben und ihrer Ansprüche aneinander ganz frei selber ausschnapsen und aushandeln, das gerät also zu einer Frage des Kräfteverhältnisses. Denn die Priorität der bezahlten Arbeit außerhalb samt der daran hängenden Erholungsbedürfnisse, die ist nicht verhandelbar, darüber muss schließlich das Geld hereinkommen, das die Familie finanziert. Es hat also schon seine immanente Folgerichtigkeit, wenn der Gesetzgeber schon im Eherecht bzw. die darauf basierende Judikatur ausdrücklich festhält, dass naheliegende Folgen der Ehe wie „physische Gewalt, psychische Misshandlungen, Streitsucht, Vernachlässigung des Ehepartners“ als Eheverfehlungen untersagt sind – also ständig vorkommen, und dann eventuell im Scheidungsverfahren eine Rolle spielen … Ca 50% der Ehen in Österreich werden bekanntlich geschieden. Ebenfalls sehr folgerichtig liest sich die ehrliche Begeisterung der Politik über die Familie:

„Familie gibt Halt, Sicherheit und Geborgenheit in jeder Lebenslage. Wichtige Aufgabe der Politik ist es daher, die erforderlichen Rahmenbedingungen anzubieten, damit die Familien in Österreich weiter gestärkt werden, um den Alltag und die Herausforderungen des Lebens bestmöglich meistern zu können.“ (Regierungsprogramm türkis-blau 2017)

Prägnanter kann man es eigentlich nicht formulieren. Die Familie ist die staatlich organisierte und orchestrierte Instrumentalisierung der Liebe für die Bewältigung von Aufgaben, mit denen die Beteiligten im Kapitalismus ständig konfrontiert werden – der Kapitalismus tritt hier wie so oft unter vornehmen Pseudonymen und Verkleidungen auf, als „Alltag“ oder als die „Herausforderungen“ des „Lebens“ oder einfach als „jede Lebenslage“ – eine jede Lebenslage, die ganz naturwüchsig das Bedürfnis nach „Halt, Sicherheit und Geborgenheit“ provoziert und frustriert: Dieser dauernde Bedarf wird offenbar in den anderen Abteilungen der Gesellschaft hervorgebracht und nicht befriedigt, man darf ihn sowohl moralisch als auch materiell verstehen, und die Familie ist der große Lückenbüßer und Notnagel für alles und jedes. Dafür wird sie von der Politik geschätzt. Der Vollständigkeit halber die kleine Akzentverschiebung im aktuellen türkis-grünen Programm:

„Familien sind die wichtigste(!) Gemeinschaft der Menschen. Familien geben Halt, bieten Schutz und Zuversicht und helfen einander in schwierigen Lebenslagen.“ – Wie gehabt, wo die schwierigen Lebenslagen herkommen und wie die Familien Halt, Schutz und Zuversicht produzieren sollen, steht nicht da. Da hat man womöglich im Sozialkunde-Unterreicht gehört, eine menschenrechtlich orientierte Ordnung, eine Demokratie, ein Rechtsstaat und ein Sozialstaat würden so viel bieten in Sachen Halt und Sicherheit und Schutz, von einer vernünftigen marktwirtschaftlichen Ökonomie ganz zu schweigen – und dann bleibt doch alles an der Familie hängen. Aber immerhin: „Die neue Bundesregierung anerkennt die Vielfältigkeit unterschiedlicher Familienmodelle, die Kindern ein gutes Leben ermöglichen.“ (Regierungsübereinkommen türkis-grün 2020) Die Vielfältigkeit von Familienmodellen wird betont – damit also nicht nur das traditionelle heterosexuelle Paar aus Mutter, Vater und Kind in den Genuss der „wichtigsten Gemeinschaft“ kommt. Inzwischen stellt sich natürlich die Frage, warum sich Liebesleute auf so etwas einlassen – dem Staat einen Gefallen zu tun, das ist in der Regel nicht deren Intention, auch wenn das ein Resultat ist.

Familie – eine verbindliche Zweckgemeinschaft mit Drang zum Höheren?

„Ich verspreche, dich nicht zu verlassen, weder in guten noch in schlechten Tagen, weder in Reichtum noch in Armut, weder in Gesundheit noch in Krankheit, und dir die Treue zu halten, bis dass der Tod uns scheidet.“ (www.weddingstyle.de)

Zuerst bemerkenswert: Es handelt sich um ein Versprechen, also um eine verbindliche Absichtserklärung. Die liebenden Beteiligten wollen ihr Verhältnis ausdrücklich und absichtlich von den Gefühlen füreinander, die bekanntlich wankelmütig sind und sich auch mal ändern können, lösen – und sich getrennt davon auch formell aneinander binden. Man darf wohl unterstellen, dass da das je eigene Interesse an der anderen Person und an deren Leistungen das Motiv ist: Das will man sich sichern, auch gegen die Wechselfälle der Liebe, die bekanntlich ein „seltsames Spiel“ ist, und von einem zum anderen geht. Die Beteiligten sind bereit, das auch Basis der Gegenseitigkeit einzugehen. So eine Bindung aus freien Stücken – von Zwangsheirat ist hier nicht die Rede – kontrastiert allerdings schon mit anderen anerkannten Werten der Leitkultur. Erinnere wieder an den Aufsatz von Frau Lembke über die unterschiedliche juristische Bewertung von Trennungstötungen, je nach (nicht) gegebenem Migrationshintergrund des Täters: In mancher Rechtsprechung wird die „moderne Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland“ als eine charakterisiert, in deren „individualistischer und freiheitlicher Ausrichtung“ auch Frauen volles „Selbstbestimmungsrecht“ genießen. Wenn der Täter in die deutsche Rechtsgemeinschaft aufgenommen werden möchte, muss er „deutsche Bräuche und Überzeugungen hinsichtlich des Verhältnisses von Mann und Frau“ verinnerlichen.

Schön gesagt, aber wer, als Mann oder Frau, so ein Versprechen abgibt wie das eben gewürdigte, die oder der verzichtet auf ein gehöriges Stück an Selbstbestimmung. So eine umfassende Bindung eingehen, und dann ganz individualistisch und freiheitlich seiner eigenen Wege gehen wollen – das beißt sich. (Klar, eine Scheidung ist möglich, aber unter Bedingungen und mit Rechtsfolgen.) Auf so ein Versprechen kann sich der Teil, der sich nicht trennen will, allemal berufen, explizit oder implizit, materiell oder moralisch. So ein Versprechen legitimiert das wechselseitige Anspruchsdenken, das dann ab und an als „Besitzdenken“ interpretiert wird und als „patriarchalisch“ und völlig unzeitgemäß abgetan wird; auch wenn es nicht wörtlich um „Besitz“ geht, denn auch die Täter wollen nicht die Sklaverei einführen und ihre Frau verkaufen. Sie pochen bloß auf das, was sie sich als ihr Recht einbilden, und mit dieser Einbildung befinden sie sich im Mainstream der Leitkultur.

Eines ist allerdings damit auch gesetzt: Sollte es dem Teil, der sich nicht trennen will, gelingen, auf dem Versprechen zu bestehen, sei es durch moralische Erpressung oder durch materiellen Zwang, auch nachdem das Gegenüber es sich definitiv anders überlegt hat und weg will – dann ist dieser „Erfolg“ dem Ansinnen adäquat. Mit dem geänderten Willen des trennungsbedürftigen Teils, der nur mehr notgedrungen und dementsprechend widerwillig bleibt und leider weitermachen muss, ist das Verhältnis nun einmal zerrüttet. Da ist nichts mehr zu machen, und vor allem mit dem „wechselseitigen Genuss der Geschlechtseigenschaften“, nach dem blumigen Diktum von Kant, ist es aus und vorbei. Der Genuss dessen, der sein Recht bekommt oder behält, ist eben ein Genuss sui generis – er besteht darin, sein Recht bekommen zu haben, als Recht-Haber erfolgreich zu sein, jenseits früherer Gemeinsamkeiten und darauf basierender Bedürfnisse.

Was den Inhalt dieses Versprechens betrifft, so ketten sich die Beteiligten damit auf Gedeih und Verderb aneinander, allerdings schon sehr mit Schwerpunkt auf eine Not- und Elendsbewältigungsgemeinschaft: gute und schlechte Zeiten, Reichtum und Armut, Gesundheit und Krankheit. Wenn es den „Versprechern“ tatsächlich nur auf die Bewältigung von materiellen Notlagen ankäme, dann ist schwer nachvollziehbar, wie es zu den berühmten „Tragödien“ und zu Mord und Totschlag kommt. Denn dann würde eben die gemeinsam organisierte Aufgabenbewältigung ab und an bilanziert, als mehr oder weniger zufriedenstellend abgerechnet, und dann diese Zweckgemeinschaft umgestellt oder aufgelöst, je nachdem. Da wäre eine Trennung zwar mit einigem Aufwand verbunden, wie im Geschäftsleben üblich, oder bei der Auflösung einer Wohngemeinschaft, aber woher da das von „profil“ sehr zurecht diagnostizierte Bedürfnis nach Rache kommt, und warum dieser Schrei nach Gerechtigkeit so oft nach der Todesstrafe verlangt, bliebe von daher völlig unerfindlich …

Aber genau diese Zweckgemeinschaft zur gemeinsamen Bewirtschaftung von Reproduktionsnotwendigkeiten, zur Wiederherstellung der Arbeitskraft und zur Produktion des Nachwuchses, auf die es nach dem Familienrecht und de facto auch für die meisten Familien hinausläuft – die soll es doch gerade nicht sein. Darin soll die Lebensgemeinschaft nicht aufgehen. Die Beteiligten wollen das Reich der Notwendigkeit, im Wesentlichen bestehend aus den Mühen des Geldverdienens und des Bewährens im alltäglichen Lebenskampf, diese Tretmühle wollen sie gerade nicht verlängern und fortsetzen, sondern dazu wollen sie eine Gegenwelt einrichten, ein „Nest“ bauen, wie es so schön heißt: Es sich gemütlich machen in einem Refugium und darin alles Mögliche nachholen oder überhaupt erst erlangen, was außerhalb nicht zu haben ist. Im Rahmen der hier üblichen Leitkultur hat das Privatleben die hohe Aufgabe, das Individuum für die Anstrengungen außerhalb zu entschädigen. Möchte noch einmal über die Bemerkungen von Frau Kastner, „Tatort Trennung“, ein wenig grübeln:

„Mit dem Aufstieg des Bürgertums (und der Romantik) wurde das fatale Ideal der eierlegenden Wollmilchsau in die Welt gesetzt: Ehe, Liebe und Sexualität sollten in Kombination gelebt werden können. … Was nun ebenfalls folgte, war die Fokussierung auf das ‘häusliche Glück’, auf das traute Ehe- und Familienleben und die Kleinfamilie … Hochgesteckte Erwartungen bergen den Keim tiefer Enttäuschung in sich, überzogene Idealvorstellungen lassen die alltägliche Realität bald kümmerlich wirken und degradieren eine unspektakuläre, aber auch nicht sonderlich triste Lebenssituation zu einem Scheitern des eigenen Lebensplans.“ (S. 19 f., Heidi Kastner, „Tatort Trennung“)

Die „unspektakuläre, nicht sonderlich triste Lebenssituation“, das wäre wohl die Abwicklung von Beziehung und Familie als Reproduktionsgemeinschaft. Als Fortsetzung der Notwendigkeiten, die von außerhalb gesetzt sind, also das Zurechtkommen mit den Schranken des verdienten Geldes, der verbliebenen Zeit und der übriggebliebenen Lebenskraft, um halt weitermachen zu können. Weiter durchwursteln, weiter im „Hamsterrad“ durchhalten. Aber das kann doch nicht alles gewesen sein, im Leben, so spricht die Leitkultur! Die hochgesteckten Erwartungen an das häusliche Glück, charakterisiert als „überzogene Idealvorstellungen“, münden in entsprechenden tiefen Enttäuschungen und das läuft nicht auf ein mehr oder weniger schmerzliches, punktuelles Scheitern hinaus, sondern es kommt einem „Scheitern des Lebensplans“ gleich. Soll heißen, da scheitert nicht ein – mehr oder weniger wichtiges – Anliegen, sondern mit diesem speziellen Anliegen scheitert das ganze Leben, deswegen der „Lebensplan“. „Enttäuschung“ ist übrigens eine zu schwache Formulierung, der Aktivist der Beziehung bzw. der Familie ist ziemlich besessen von der bereits erwähnten Vorstellung, er habe ein Recht auf seine „Erwartungen“, also ein Recht auf die Pflichterfüllung der Gegenseite. Wie das?

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