Die Familie (9) – Die Sache mit der unbezahlten Arbeit

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Die Familie

Ort des Glücks,
Ort der unbezahlten Arbeit,
Ort des Psychoterrors,
Ort des Amoklaufs

Folgendes liegt an, bzw. darum geht es: Wenn frau ihrer Wege geht, im demokratischen Kapitalismus, dann macht sie manche guten und manche oder auch viele schlechte Erfahrungen. Frau muss sich wie alle anderen im Ausbildungswesen bewähren, das bekanntlich die dem Nachwuchs verabreichte Bildung gleich für eine Auslese benutzt. Und zwar entlang der Linie, dass die beim laufenden Leistungsvergleich am schlechtesten Abschneidenden nur bedingt gefördert, und im Fortgang und sehr bald mit weiterem Lehrstoff gar nicht mehr belastet werden. Folgt daran die Bewährung auf dem Arbeitsmarkt und auf dem Immobilienmarkt, wo sich entscheidet, was frau verdient und wie sehr sie sich dafür abrackert und wie weit sie mit dem Verdienst kommt; und das moderne Beziehungswesen hat auch viel von einer dem Markt analogen Veranstaltung, mit Dating-Plattformen, wo Bewerbungsunterlagen ausgetauscht werden, die manchmal in Vorstellungsgesprächen münden. Kommt dazu eine Kultur der Übergriffigkeit quer über alle Lebensbereiche, die sehr häufig von Über- und Unterordnungsverhältnissen, vom Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer, vom Verhältnis von Vorgesetztem und Untergebener lebt. Frau kommt also nicht umhin, sich zu fragen, woran es liegt; warum sie auf den Märkten und im Beziehungswesen gut oder weniger gut abschneidet, warum manches Vorhaben klappt, und anderes gehörig schiefgeht. Bevor frau alle diese Fragen überhaupt stellt, kriegt sie allerdings schon Antworten von einer engagierten Öffentlichkeit. Und eine Hauptantwort lautet, wenn so manches Anliegen für Frau unbefriedigend endet, dann liege das daran, dass Frau eben Frau ist, und nicht Mann. Und wenn Frau umgekehrt ein Mann wäre, wäre es anders.

„Wenn Männer Kinder kriegen würden …“

Ich will mit einem Beispiel einsteigen. Es gibt einen Satz, den hört man im Zusammenhang mit der Arbeitswelt immer mal wieder: „Wenn die Männer die Kinder kriegen würden, dann wäre die Arbeitswelt ganz anders organisiert, nämlich total kinderfreundlich bzw. an den Bedürfnissen der Kinderbetreuung ausgerichtet.“ Der Faktencheck ergibt: Das ist falsch; diese Vorstellung hat mit Ökonomie, mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Exemplarisch eine gegenläufige Auskunft aus dem „profil“, also schon einige Jahre alt, aus dem Jänner 2012:

„Die Zahl der Väter auf Babypause steigt an. Nicht wenige Arbeitgeber reagieren beleidigt, wenn Männer sie für ein Kind im Stich lassen – und degradieren die Väter. … Viele Männer, die in Karenz gehen, werden gemobbt, degradiert oder schnellstmöglich gekündigt. Eine absurde Variante von Gleichberechtigung, die niemand wollte – wenn Väter genauso schlecht behandelt werden wie Mütter.“

Dem profil entgeht hier die Pointe der Forderung nach Gleichberechtigung, diese ist doch auch durch eine gleich schlechte Behandlung beider Geschlechter erreicht – warum sollte denn die Forderung nach Gleichheit oder Gleichberechtigung automatisch auf eine Verbesserung hinauslaufen; beides ist, Hauptsache „gleich“, auch durch eine Nivellierung nach unten machbar! Es gibt offenbar „noch immer“ die weitverbreitete Ansicht, die moderne Arbeitswelt sei darauf ausgerichtet, es Männern recht machen zu wollen, und der Vorbehalt gegen die Ausübung der Kinderbetreuungsfunktion hätte nichts mit den umfassenden Ansprüchen der Betriebe zu tun, sondern läge an einer völlig grundlosen Abneigung gegenüber Frauen. Das Gegenteil trifft zu: Sobald Männer zwar noch immer keine Kinder gebären, aber Funktionen übernehmen, die bislang Müttern vorbehalten waren, wird nicht die Arbeitswelt kinderfreundlich umorganisiert, sondern Väter werden wie Mütter diskriminiert. Ein neueres Beispiel:

Kurier 24.6.2020: „So hat sich Xaver Maier (Name von der Redaktion geändert, Anm.) seine Elternteilzeit ein Jahr nach der Geburt seines Kindes nicht vorgestellt: In der Firma erhält der Teamleiter nur noch demütigende Aufgaben, neben seinem Büro stellen Kollegen einen Schmutzwäscheständer auf. Und Vorgesetzte wetten, wie lange der Vater durchhält. Weil er auch nach seiner Rückkehr aus der Teilzeit noch schikaniert wird, kündigt Maier und klagt auf Diskriminierung. Seit Kurzem liegt das rechtskräftige Urteil zu seinen Gunsten vor. Die Firma muss ihm 3.000 Euro Schadenersatz zahlen. ‘Im Unternehmen sollte ein abschreckendes Beispiel für Teilzeit-Väter statuiert werden’, erläutert Gleichbehandlungsanwältin Sabine Wagner-Steinrigl, die den Fall betreute. Der Chef wollte nicht, dass ein Mann zu Hause beim Kind bleibt.“ Komisch – oder doch nicht? Der Mann hat zwar ein paar Kreuzer Schadensersatz kassiert, aber das Unternehmen längst verlassen; er ist jetzt selbständig tätig. Noch ein Gedicht:

Im „profil“ vom 20.2.2017 skizzierte Elfriede Hammerl einmal ein Paar (genannt Adam und Eva), das nach Schwangerschaft und Geburt in sogenannte alte Rollenbilder zurückfällt, indem die Frau Kinderbetreuung und Teilzeit kombiniert. Das resignierte Fazit: Seit Adam und Eva Kinder haben, ist aber ohnehin alles ganz anders, denn Eva arbeitet jetzt Teilzeit. Das (die Teilzeit) entspricht nicht ganz ihrem ursprünglichen Plan, der vorsah, dass sie ihre Karriere auch als Mutter fortsetzen würde, doch die Realität weicht eben manchmal von dem ab, was man sich in jugendlicher Ahnungslosigkeit so alles ausmalt. In der Theorie schien es ganz einfach: Adam und sie würden sich Haushalt und Kinderbetreuung gerecht teilen und ihre Berufstätigkeit gleichermaßen darauf abstimmen. Hat jedoch nicht funktioniert. Die Arbeitswelt ist auf Halbe-Halbe nicht eingerichtet. Bei mir heißt es ganz oder gar nicht, sagte Adam, der in seiner Firma gar nicht erst nach anderen Lösungen fragte, weil er wusste, dass es sie nicht geben würde. Und dann bezog er ja auch das höhere Gehalt. Es zu gefährden, wäre verrückt gewesen.“

Halten wir wieder fest, dass in dieser Skizze, die durchaus dem richtigen Leben entnommen ist, keineswegs dem Vater von der Firma der rote Teppich ausgerollt wird, sobald er sich als Mann um das Kind kümmern und deswegen Teilzeit arbeiten will. Dennoch ein wenig seltsam: Dass die „Arbeitswelt auf Halbe-Halbe nicht eingerichtet ist“ – diesen Teil der „Realität“ wollen die jungen Leute erst bemerkt haben, als das Kind schon da war? Bis dahin glaubte die Jung-Mutter, „ihre Karriere fortsetzen“ zu können, als wäre nichts? Und erst dann kommt der männliche Teil drauf, dass er in der Firma lieber nicht nach Teilzeit fragt, weil er damit womöglich das Einkommen „gefährdet“?

Das geschilderte Arrangement ist kein Rückfall in überkommene, überholte Muster, sondern der pragmatisch-praktische Umgang mit der Situation. Sobald das Kind da ist, brauchen die beiden erstens mehr Geld als vorher und das zweitens auch verlässlicher – den Job einmal schmeißen im Vertrauen darauf, dass man in ein, zwei Monaten etwas Besseres gefunden hat, das geht nicht mehr. Und das drittens in einer Situation, in der das Geldverdienen schwerer geworden ist, denn nach dem Mutterschutz steht die Kinderbetreuung an, d.h. einer der beiden Elternteile ist eingeschränkt erwerbsfähig. Der Teil, der mehr verdient, bleibt dann eben im Job, der andere verdient „dazu“, wie das so heißt, wenn überhaupt … Da sind keine geheimnisvollen traditionellen Mechanismen oder sozialpsychologischen Hintergründe am Werk. Der Fehler der beiden besteht in der Vorstellung, sie könnten es sich aussuchen, wie sie Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung organisieren möchten, sie könnten sich das nach ihren Bedürfnissen einteilen. Wie kommen die beiden eigentlich darauf? Es gibt doch eine dritte Partei namens „die Wirtschaft“, der diese Bedürfnisse scheißegal sind.

Der „Gender-Pay-Gap“ ist in Wahrheit ein „Mütter-Pay-Gap“

Allgemein: Warum verdienen Frauen weniger als Männer? Gemeint sind in dem Zusammenhang immer Durchschnittswerte. Warum ist das so? Nun, das liegt an der sogenannten „unbezahlten Arbeit“, also vor allem an der Kinderbetreuung. Wenn Frauen einen Großteil dieser nicht monetär entlohnten Dienste übernehmen, sollte die Überraschung, dass mit „unbezahlter Arbeit“ eben nichts verdient wird, nicht allzu groß sein. (Es gibt übrigens durchaus ein funktionales Äquivalent zum früher mal geforderten Lohn für die Hausarbeit, das ist die Unterhaltspflicht des Elternteils, der Vollzeit arbeiten kann, weil wer anderer Kinderbetreuung und Haushalt übernimmt.)

Diese unbezahlte Arbeit drückt sich in der sogenannten „Erwerbsbiographie“ aus. Mütter gehen in den „Mutterschutz“, dann in Karenz und dann arbeiten sie Teilzeit, jedenfalls signifikant häufiger als Männer – und auch als Frauen ohne Betreuungspflichten. Wegen dieser Unterbrechungen und wegen der Teilzeit – verglichen mit Männern und Nicht-Müttern – bleiben sie in den unteren und schlechter bezahlten Etagen der Betriebshierarchie hängen; sind nicht so mobil und flexibel wie andere Kollegen, das wirkt sich auf die Karriere aus, sie werden weniger befördert. Noch einmal die obige Skizze von Frau Hammerl: „Adam und Eva haben beide studiert, danach haben sie beide einen Job bekommen und gut verdient, Adam allerdings etwas besser als Eva, denn wie das Leben so spielt, hat ihm sein Studienabschluss bald eine Leitungsposition beschert, Eva hingegen nicht. … Adam hat wie Eva einen Abschluss in Betriebswirtschaft, aber aus nicht näher definierten Gründen war Eva offiziell nicht Abteilungsleiterin, obwohl sie de facto ihre Abteilung geleitet hat. Nach Evas Abgang wurde diese offenkundige Ungerechtigkeit auch prompt korrigiert, ihr Nachfolger bekommt jetzt ein Abteilungsleitergehalt; Eva wurde also gewissermaßen im Nachhinein rehabilitiert, was sich allerdings blöderweise nicht auf ihrem Konto niederschlägt.“ Und dann kommt im nächsten Satz eine Ergänzung, die es in sich hat: „Seit Adam und Eva Kinder haben, ist aber ohnehin alles ganz anders, denn Eva arbeitet jetzt Teilzeit.“ Mit anderen Worten, die Firma hat von ihrem Standpunkt aus völlig richtig entschieden: Wozu denn eine Frau in eine Leitungsfunktion befördern, die sich über kurz oder lang in die Karenz oder in die Teilzeit verabschieden möchte?! Allerdings wird ganze Angelegenheit darüber zirkulär und zur selbsterfüllenden Prophezeiung: Wäre Eva befördert worden und würde sie mehr verdienen, vielleicht wäre es gar nicht so naheliegend, dass sie in Teilzeit geht …

Alle diese Momente wirken sich gemäß der üblichen Pensionsberechnung auf die Pension aus. („Teilzeitfalle“) In der einschlägigen Literatur gilt das erste Kind als entscheidender Wendepunkt in Sachen Karriereknick und der folgenden Minderung des durchschnittlichen Lebenseinkommens von Frauen. In einem neuen Buch (Johanna Dürrholz, „Die K-Frage“; K steht für Kind) widmet sich eine deutsche Autorin dieser Frage, und in einer Rezension schreibt der Kurier:

„Vor allem Frauen zaudern“ (mit dem Kinderkriegen), „weil am Arbeitsmarkt nach wie vor Ungleichheit herrscht. ‘Mütter werden systematisch diskriminiert, seltener eingestellt, später oder gar nicht befördert’ … 93 Prozent der deutschen Väter arbeiteten 2019 Vollzeit, aber nur 34 Prozent der Mütter. ‘Ich frage mich dann: Will ich auch eine Teilzeitfrau sein?’ Denn die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere sei ‘eine Lüge’, die Arbeitswelt würde sich zu wenig auf Jungfamilien einstellen.“ (Kurier 16.3.2021)

Stimmt alles, aber dann doch wieder gar nicht. Denn am Arbeitsmarkt herrscht nicht Ungleichheit, sondern Gleichheit – und deswegen werden Mütter, gemeint sind allgemein Personen mit Betreuungspflichten, systematisch diskriminiert. Mütter sind nicht so mobil und flexibel, sie sind nicht so problemlos benutzbar wie Leute ohne solche außerbetrieblichen Pflichten, deswegen ist die beklagte Diskriminierung auch „ökonomisch rational“, im Jargon der Volkswirtschaftslehre. Diese „Diskriminierung“ ist eine Folge der Gleichbehandlung. Klar, die Vereinbarkeit von Kind und Karriere ist eine Lüge, Frau oder Mann kann schließlich nicht gleichzeitig hackeln und ein Kind betreuen. Seltsam an der Darstellung ist bloß der Vorwurf, die Wirtschaft müsste eigentlich anders kalkulieren und versuchen, es ausgerechnet Jungfamilien recht zu machen – warum sollte sie denn? Nur weil diese offenkundige „Lüge“ von der „Vereinbarkeit“ seit mittlerweile einigen Jahrzehnten unermüdlich wiederholt wird? Kleine Erinnerung: Unter der vorigen, der türkis-blauen Regierung wurde das Arbeitszeitgesetz geändert, der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche sind seither von den Firmen problemlos abrufbar, ohne frühere Bedingungen und Einschränkungen. Schon wieder sind Personen mit außerbetrieblichen Pflichten, die nicht völlig problemlos hin und hergeschoben werden können, wenn der Betrieb sie braucht oder nicht, ein Stückchen mehr benachteiligt, also „diskriminiert“. Dasselbe nochmal:

„Der überwiegende Anteil des Gender-Pay-Gaps sei ‘auf Einkommensverluste zurückzuführen, die sich aus den Karenzzeiten und vor allem aus der überwiegenden Teilzeitarbeit’ von Müttern ergeben. Rechnet man jene Faktoren heraus, die mit Elternschaft zusammenhängen, schrumpft der Lohn-Gap demnach auf rund zwei Prozent zusammen. Agenda-Austria-Ökonomin Monika Köppl-Turyna spricht deshalb von einem ‘Motherhood-Gap’ anstelle eines Gender-Pay-Gaps.“ (STANDARD 8.3.2020) „Wenn man sich in die Materie vertieft, finden sich nur wenige Beispiele, bei denen zwei in ihrer Ausbildung, Erfahrung und Persönlichkeit gleiche Personen in derselben Branche und im selben Job landen, und einer nur deshalb mehr verdient, weil er ein Mann ist.“ Also: gleiche Branche, gleiche Laufbahn, etwa gleicher Lohn. „Sehr wohl gibt es aber Hinweise dafür, dass gleich gut qualifizierte Frauen einen Job nicht kriegen, weil Unternehmer befürchten, dass sie durch eine Schwangerschaft bald einmal für einige Zeit weg sein könnten. Das ist genau genommen verboten, aber selten nachweisbar.“ (STANDARD 5./6. 3.2016) Noch eine Illustration:
(„Das würde sich kein Mann trauen: Die Chefredakteurin der britischen Vogue, Alexandra Shulman, ärgert sich in einem Interview mit der Times über ‘Mütter, die ein Jahr in Karenz gehen und danach wieder schwanger werden’ und bezeichnet das als ‘frustrierend für das Unternehmen’. Shulman prägt seit 23 Jahren die britische Vogue und war bereits vier Monate nach der Geburt ihres Sohnes wieder im Büro.“ (KURIER 30.6.2015))

„19,3 Prozent weniger bekommt Frau, nur weil sie eine Frau ist!“

Es ist schon seltsam: Da wird von Öffentlichkeit und Feminismus ständig die „unbezahlte Arbeit“ thematisiert, aber wenn es darum geht, das geringere Durchschnittseinkommen von Frauen zu analysieren, dann will sich alle Welt unbedingt einbilden, das käme aus Ungerechtigkeiten ausgerechnet innerhalb der Sphäre der bezahlten Arbeit!

„19,3 Prozent bekommt eine Frau weniger, wenn sie die gleiche Arbeit macht wie ein Mann. Einfach nur deswegen, weil sie eine Frau ist. Das nennt man den Gender Pay Gap.“ (kontrast.at 22.10.2020)

In anderen Darstellungen ist aktuell von 13,6 Prozent die Rede; da gibt es immer unterschiedliche Werte, weil es sich notgedrungen um Schätzungen handelt. Die Betonung liegt hier ausdrücklich auf „die gleiche Arbeit wird weniger entlohnt, um so viel Prozent“ – und dadurch wird die Rechnung zum Nonsens; jedes Milchmädchen, das so rechnet, gehört eigentlich sofort gefeuert. Da liegt erstens ein trivialer Rechenfehler vor, indem nämlich Durchschnittswerte als individuelle Regelfälle betrachtet werden. Zweitens ist das Szenario ökonomisch unsinnig; das hat schon wieder mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Denn wenn es wirklich so wäre, dass eine Frau dieselbe Arbeit erledigt, aber um 16 oder 19 Prozent billiger – dann würden eben in kürzester Zeit die teureren Männer durch billigere Frauen ersetzt, bzw. der Hinweis auf die billigeren Frauen würde zur Lohndrückerei benutzt. Kostensenkung ist im Kapitalismus eine Daueranstrengung, es werden teurere ältere durch billigere jüngere Arbeitskräfte ersetzt, qualifizierte durch unqualifizierte, Stammarbeiter durch Leiharbeiter oder atypisch Beschäftigte, durch Verlagerungen ins billigere Ausland sowieso – „Globalisierung“ – etc. usw. MAN verlagert die Lkw-Produktion von Steyr nach Polen, weil das dortige Proletariat noch billiger ist als das österreichische. Es wäre ökonomisch bescheuert, Männern aus Jux und Tollerei mehr zu bezahlen, wenn die Arbeitsleistung auch billiger zu haben ist. Die ökonomisch normale Kostensenkungs-Rechnungsweise erklärt nebenbei ein Phänomen, das in dem Zusammenhang auch öfter beklagt wird: Sobald Frauen wirkliche oder sogenannte frühere Männerberufe oder -domänen erobern, schon sinken dort die Löhne. Klar, so geht Ökonomie, sobald mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, sobald das Angebot steigt, sinken die Löhne, weil Männer darüber einen früheren Konkurrenzvorteil verlieren!

Die feministische Frau-Mann-Brille verstellt die Sicht auf die Ökonomie

Der Grund für den „Gender Pay Gap“ ist die Gleichbehandlung von Frauen und Männern auf Basis der Gewissheit, dass Frauen – durchschnittlich – neben dem Beruf noch andere Pflichten haben, die Familie und die Kinder nämlich, und deswegen nicht so rücksichtslos benutzbar sind, wie das vom Arbeitnehmer verlangt und erwartet wird. Diese verminderte, durch außerbetriebliche Pflichten behinderte Verfügbarkeit für das Unternehmen wird vielfältig in die durchschnittliche weibliche „Laufbahn“ „eingepreist“, wie man das im Börsianerdeutsch nennt.

Das einzig vorurteils-mäßige, das „Ungerechte“ ist die Subsumtion des Individuums Frau unter die Dienste der Gattung Frau; frau wird generell und ohne Prüfung des Einzelfalls als jemand mit anderen, zusätzlichen, hinderlichen Pflichten genommen, und deswegen weniger befördert. Das, was Männer derzeit individuell trifft, wenn sie in Karenz gehen, der Vorwurf, andere Pflichten oder Neigungen wichtiger zu nehmen als den Job, was sich auf die betriebliche Wertschätzung, auf Gehalt und Beförderungen auswirkt, das trifft Frauen kollektiv. Im Lohn spiegelt sich ja nicht nur das Interesse des Lohnzahlers an der Tätigkeit selbst, sondern auch die Verfügbarkeit, die Freiheit im Umgang mit Überstunden und Zusatzaufgaben. Und gefragt werden darf eine Frau heutzutage nicht mehr – viel früher war es durchaus üblich, Frauen beim Bewerbungsgespräch nach Schwangerschaft und Kinderwunsch zu fragen, und eine ehrliche Antwort wurde gegebenenfalls gegen die Kandidatin verwendet. Das alles ist für niemand ein Geheimnis, in den Beiträgen zu den unterschiedlichen „Erwerbsbiografien“ wird das alles breitgetreten und erörtert. Ebenso bringt sich die zuständige MinisterIn ständig mit der Forderung in die Debatte ein, es müsse mehr getan werden, um die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zu erreichen – ja, aber dann wird es schon an der diesbezüglichen Unvereinbarkeit liegen, und nicht an Vorurteilen oder Ungerechtigkeiten!

Die feministische Sichtweise betrachtet die Ökonomie und deren Resultate, ohne sich für die dort geltenden Prinzipien ordentlich zu interessieren. Der Feminismus entdeckt in der Ökonomie wie überall sonst, dass da Männer und Frauen tätig sind – und das wird auch schon für die erschöpfende Erklärung genommen, für die Erklärung dessen, wer da wie gut oder schlecht abschneidet. Die klitzekleine Frage, wie und warum und wofür Löhne überhaupt gezahlt werden, nach welchen Gesichtspunkten Lohn und Leistung von den Betrieben gemanagt werden, die interessiert nicht wirklich. Dagegen: Nein, der Kapitalismus ist keine frauenfeindliche Männerverschwörung.

(Zum Schluss eine gute Nachricht. Jetzt kommt endlich etwas Positives, es kommt eine realistische, praktikable, hier und heute durchführbare Lösung: Wenn das Problem darin besteht, dass Frauen weniger verdienen als Männer, dann besteht die Lösung aus zwei Komponenten: Erstens – ein Job im öffentlichen Dienst, denn beim Staat gibt es ein transparentes Gehaltsgefüge und obendrein eine positive Diskriminierung: Wenn sich zwei gleich qualifizierte Personen um eine Stelle bewerben, dann bekommt die Frau gegenüber einem Mann den Zuschlag, derzeit. Zweitens: Keine Kinder, dann entfallen auch die Lücken in der Erwerbsbiografie und die Phasen der Teilzeitbeschäftigung. – Wie gesagt, wenn die Welt des Kapitalismus ansonsten in Ordnung ist, wenn das Problem darin besteht, dass Frauen durchschnittlich weniger verdienen – dann ist das die Lösung.)

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