Die Familie (11) – Der Zusammenhang von Ehe und Scheidung

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Die Familie
Ort des Glücks,
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Ort des Amoklaufs

Wollte zwar mit dem Familienthema mal durch sein, aber die Diskussion geht ja nach wie vor ihrer Wege, auch wenn mangels spektakulärer Morde die übliche große Politiker-Selbstdarstellung Pause macht, derzeit. Einstieg ist ein Interview mit der „renommierten Scheidungsanwältin“ Helene Klaar, die „regelmäßig in Abgründe ehelicher Gemeinheit blickt“ (SZ). Diesmal im Kurier vom 9. Mai:

Frage: „Ist die Ursachenforschung nicht wichtig, um die Situation zu verbessern?“ Klaar: „Natürlich kann man sich überlegen: Wie wird ein Mann gewalttätig? Warum glaubt er, dass die Frau zu kuschen hat? Hat er das zu Hause erlebt? Hatte er Vorbilder, die ihm sagten, Probleme löst man mit Gewalt? Aber: Wenn ein Flüchtling aus Nigeria, der hier nicht arbeiten darf, in den U6-Stationen Drogen verkauft – da fragt kein Mensch: Warum tut er das? Der wird immer verurteilt. Da sagt keiner: Na ja, der war in einer Notlage, weil er nicht arbeiten darf. Oder der kommt aus einer Kultur, wo man zu Drogen ein lockeres Verhältnis hat. Immer nur bei Gewaltdelikten zwischen Männer und Frauen werden alle ganz rührselig und suchen Ursachen im Verhalten des Opfers. Sie war nicht lieb genug zu ihm, sie hat ihn abblitzen lassen oder er war halt eifersüchtig. Der gewöhnliche Hühnerdieb hat dieses Verständnis nie.“

Der Vergleich mit dem Dealer ist nicht so gelungen, und die Forderung nach Gleichbehandlung – entweder gebührt jedem Gesetzesbrecher Verständnis, oder keinem –, die geht an der Sache vorbei. Denn beim Drogendealer ist klar, es geht um das Geld; der will was verdienen, blöderweise durch ein verbotenes Geschäft. Mit dem Nutzen, den der lukrieren will, ist die Frage nach dem Motiv auch schon beantwortet. Aber welchen Nutzen heimst eigentlich einer ein, der gewalttätig wird, gegen seine Frau? Gehen wir es nochmal durch:

„Immer nur bei Gewaltdelikten zwischen Männer und Frauen werden alle ganz rührselig und suchen Ursachen im Verhalten des Opfers. Sie war nicht lieb genug zu ihm, sie hat ihn abblitzen lassen oder er war halt eifersüchtig. Der gewöhnliche Hühnerdieb hat dieses Verständnis nie.“

Da meine ich, dass die Frau Scheidungsanwalt eine Konzession zu viel macht und sich über die falschen Momente beschwert, nämlich über das „Verständnis“ und über die „Rührseligkeit“, die da dem Täter entgegengebracht werden. Wieso sollte denn die vorerst ganz neutrale Frage nach der Ursache quasi automatisch den jeweiligen Täter entlasten, beim Drogendealer genauso wie beim Beziehungstäter? Wieso sollte denn die Ursache bei dem Typen, der seine Frau verprügelt, automatisch „im Verhalten des Opfers“ zu suchen und zu finden sein, und deswegen in „Rührseligkeit“ münden? Der Hammer liegt doch ganz woanders, nämlich in welchem „Verhalten des Opfers“ da die Ursache gesucht und gefunden wird! Die Einzelheiten: Sie war nicht lieb genug zu ihm – ja na und? Sie hat ihn abblitzen lassen – ja na und? Er war eifersüchtig – sie hat sich woanders umgeschaut, ja na und? Die Ursachen, von denen da die Rede ist, die liegen ganz ohne Forschungstätigkeit offen zutage – es sind die Ansprüche des Täters und sonst nichts! Und diese Ansprüche des Täters, die haben nicht bloß den Status und Stellenwert eines Wunsches oder einer Erwartung – Wünsche werden bekanntlich manchmal erfüllt, manchmal nicht, und Erwartungen werden auch mal enttäuscht. Aber diese seine Ansprüche hält der Täter für seine Rechte und für die Pflichten der Frau, und diese Rechtsansprüche bzw. die mangelnde Pflichterfüllung behandelt bzw. beantwortet der Täter so, wie es im Umgang mit verletzten Rechten und verweigerten Pflichten adäquat ist – mit Gewalt. Auch wenn das rechtlich verboten ist, ist es im Moralhaushalt der bürgerlichen Kultur offenbar tief verankert, und deswegen auch das erwähnte „Verständnis“ und die „Rührseligkeit“ in Öffentlichkeit und Justiz. Und dieses Verständnis kommt doch eindeutig daher, dass es sich zumindest im Fall der Ehe tatsächlich um verbriefte Rechte und Pflichten handelt, die allerdings nicht in allen Details vorgegeben und aufgelistet sind, sondern die sich die Eheleute ganz gleichberechtigt aushandeln dürfen und müssen. Das wird folgerichtig sehr häufig in höchst unangenehmer Weise zu einer Frage des Kräfteverhältnisses – aber dass sie einander verpflichtet sind und „füreinander da sein“ müssen, in der ganz abstrakten totalitären Bedeutung, das steht fest, das ist gesetzt, und das ist der Grund für die ach so verständliche Empörung des Täters und dessen rechtschaffene Brutalität.

Um hier nochmal die Frage nach dem Nutzen – analog zum Drogenhändler – aufzunehmen: Wenn er sie verprügelt – unwahrscheinlich, dass sie darüber lieb zu ihm wird; wenn er sie verprügelt, weil sie ihn hat abblitzen lassen – unwahrscheinlich, dass er dann bei ihr landet; wenn er sie aus Eifersucht verprügelt, weil sie einen anderen im Auge hat, ziemlich unwahrscheinlich, dass er dadurch attraktiv wird. Irgendeine Variante von Nutzen ist gewiss nicht zu erzielen – aber darum geht es einem Rechtsfanatiker gar nicht, in seiner „allgemein verständlichen heftigen Gemütsbewegung“, in seiner moralischen Empörung. Im Extremfall bringt er sie um, in der Regel dann, wenn sie nichts oder endgültig nichts mehr von ihm wissen will – wo bleibt da der Nutzen, der Erfolg? Die Frau ist tot, der Täter im Gefängnis – da ist nichts Vergleichbares zum illegalen Drogengeschäft zu entdecken, kein Nutzen und kein Erfolg. Der nicht vorhandene Nutzen ist ja das Einfallstor zur Verrätselung der Tat, die dann spätestens der Verteidiger betreibt.

[Exkurs zu dem Typen, der in Salzburg Mutter und Tochter erschossen hat. Dessen Anwalt spricht: „Gottfried O. weiß, dass er ein fürchterliches Verbrechen begangen hat. Ich bin nun mit Hochdruck dabei – auch mithilfe einer von mir engagierten Kriminologin –, die Motive für sein Handeln zu ergründen.“ (Krone 30.5.2021) Wirklich, ausgerechnet sein Anwalt will Motive „ergründen“? Dem Mann kann geholfen werden: Sie hat ihn abblitzen lassen, das war es! Wie trivial und trostlos auch immer – das war es! Dieser Typ wird nunmehr offenbar richtig redselig, zumindest zitiert ihn die Krone ausführlich. Daraus ergibt sich, dass sich der Herr O. in den Wahn hineingesteigert, hineingewurschtelt, hineinverwickelt hat, er habe zu seiner Angebeteten eine Beziehung oder zumindest habe er sich eine solche verdient – in genau diese Vorstellung hat sich dieser Herr O. hineinbegeben, bis zur Besessenheit. – Die bodenständige Wortwahl ist Absicht: Er hat sich in seinen Wahn hineinbegeben, das war nicht seine schwere oder leichte Kindheit, und auch nicht seine Mutter, die ihn mit zu wenig oder auch mit zu viel Liebe umsorgt hat. Indem Herr O. diesen seinen Wahn fortentwickelt und ausgestaltet hat, ist er einem zentralen Topos der hiesigen Leitkultur gefolgt: Er ist fest davon überzeugt, dass seine Angebetete „die Richtige“ ist, die ihn aus seinem tristen Alltag, aus seinem banalen Dasein erlösen könnte, wenn sie nur wollte – und die umgekehrt sein Leben zerstört, wenn sie sich verweigert. Mehr ist nicht, etwas anders hat es nicht gebraucht! Nachdem der Typ so redselig ist, noch zwei seiner Bemerkungen aus der „Krone“:

„Anfang 2021 beendete die Walserin die Beziehung. Doch der Detektiv ließ nicht locker: Er schickte der 50-Jährigen oft Blumen, Sekt und Pralinen; mit Briefen, in denen er seine unendliche Liebe zu ihr bekundete. Laut Gottfried O. habe er die Frau dadurch ‘zurückerobert’.“

Sie wollte nicht mehr. Aber der Mann kennt sich offenbar aus, er hat es drauf, wie man eine Frau „zurückerobert“: Mit Blumen, Sekt, Pralinen, Liebesbriefen. Was will denn eine Frau mehr, vor allem, wo ungefähr die Hälfte aller Schnulzenfilme nach diesem Schema abläuft … Dann hat er ihr aufgelauert, in der wahnhaften nachträglichen Einbildung, sie hätten ein „Date“, zu dem ein Mann von Welt natürlich bewaffnet aufkreuzt. Apropos Bewaffnung: Ein früherer Berufswusch des Herrn lässt frühzeitig eine gewisse Affinität zur Gewalt erkennen, selbstverständlich zu ordentlicher Gewalt, also mit Blick auf Recht und Unrecht: „Nach der Pflichtschule schloss er eine Verkäuferlehre ab, übte dann Jobs in anderen Berufssparten aus, ‘obwohl ich sehr gerne Polizist oder Bundesheer-Soldat geworden wäre’. Doch sämtliche seiner Aufnahmeversuche scheiterten, ‘irgendwann ließ ich mich daher zum Privatermittler ausbilden’.“ Ja dann. Dem Anspruch, mit Recht Gewalt auszuüben, dem ist er auf letztlich verbotene Weise treu geblieben. Die Waffen hatte er legal. Exkurs Ende.]

Zurück zur Frage nach dem Motiv für Gewalt; Frau Klaar im Interview:Interessanterweise wird bei Femiziden immer nach Ursachen geforscht, statt die Verantwortung dort zu suchen, wo sie ist – bei den Tätern. Es gibt viele andere Menschen, die auch in furchtbaren Verhältnissen leben, aber ihre Partnerinnen nicht ermorden.“ Frage: „Wann entsteht dann eine toxische Emotion?“ Antwort: „Emotion entsteht, wenn der Partner entdeckt, dass er betrogen wurde. Emotion entsteht, wenn die Frau oder der Mann entdeckt, dass der Ehepartner den Schmuck heimlich versetzt hat.“

Zur Wiederholung: Jede rationelle Forschung nach den Ursachen findet diese doch nach ein paar nicht übermäßig schwierigen Überlegungen genau in den sog. „toxischen Emotionen“ des Täters. Möchte diese Antwort etwas verallgemeinern, wg. „Emotion“. Denn in den Beispielen entdeckt nicht bloß jemand, dass Betrug oder Diebstahl vorliegt, denn in dem Fall könnte man ja Anzeige erstatten: Das „toxische“ an der „Emotion“ besteht doch darin, dass da einer von einem – seiner Meinung nach – ihm widerfahrenen himmelschreienden Unrecht so ergriffen ist, davon so überwältigt ist, dass er unmittelbar zur Rache schreitet. Wenn ein Nutzen weit und breit nicht erkennbar ist – wie erwähnt: Frau tot, Täter im Knast – dann ist immer der Verdacht auf die Moral als Motiv angebracht, auf die verletzte Ehre des Täters. Es ist bei der Selbstjustiz des Beziehungstäters wie beim Strafrecht, das der Staat exekutiert: Nirgends ist ein Nutzen absehbar; das Opfer bleibt ohnehin tot, die Gewalt des Staates unterwirft zusätzlich den Täter dem Recht und steckt ihn ins Gefängnis, aber insgesamt ist kein Nutzen weit und breit zu sehen.

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Möchte bei der Gelegenheit noch aus einem anderen Interview mit der Scheidungsanwältin, Frau Klaar, zitieren, das ich z.T. für aufschlussreich halte; Interview mit der SZ aus dem Jahr 2016:

Frage: „Was spricht überhaupt für die Ehe?“ Klaar: „Der Wunsch, den Widrigkeiten des Lebens zu zweit zu begegnen, einen Menschen zu haben, der zu einem hält und einen nie verlässt.“

Da referiert die Anwältin das gängige Liebesideal, indem sie zwei Phänomene kombiniert, die schlicht inkommensurabel sind; auf Deutsch: Die nicht zusammenpassen, die in einem irrationalen Verhältnis stehen, um es mal „mathematisch“ auszudrücken. Da hätten wir einmal nicht näher spezifizierte „Widrigkeiten des Lebens“, es geht offenbar irgendwie ungemütlich zu im Leben – und daraus folgend der überhaupt nicht zu dieser Diagnose passende Wunsch nach einem Menschen, „der zu einem hält und einen nie verlässt“. Also ohne, dass diese Widrigkeiten näher bestimmt wären und ohne dass der Mensch, der zu einem halten und einen nie verlassen soll dann wenigstens auch die Mittel oder die Qualifikationen hätte, den Widrigkeiten ein Ende zu machen? Die Welt ist schlecht und kalt und grau – und sie kann so bleiben, die Ignoranz gegenüber den „Widrigkeiten“ ist mit Händen zu greifen; aber mit dem einen Menschen, der einen nie verlässt, sind die Widrigkeiten auszuhalten? Gerade die Scheidungsanwältin weiß es viel besser! Davon lebt ihr Beruf! Der Vorteil der Ehe ist darüber hinaus, dass da eine Ordnung herrscht:

„Außerdem ist die Ehe eine ökonomische Angelegenheit. Man braucht nur eine Wohnung, eine Waschmaschine, ein Auto.“ Einwand: „Dafür kann man auch ohne Trauschein zusammenleben.“ Klaar: „In der Lebensgemeinschaft stellt sich die Frage, wer Mieter der Wohnung ist. Der, der nicht Mieter ist, ist innerhalb von 14 Tagen draußen.“ Einwand: „Man kann zusammen Mietverträge unterschreiben.“ Klaar: „Dann kriegt einer den anderen nicht raus. Da hilft nur der Tod. Die Ehe ist in ihrer Regelmäßigkeit mit dem Schlossgarten von Schönbrunn vergleichbar, mit seinen gestutzten Bäumen und hübschen Alleen. Die Lebensgemeinschaft ist die Prärie: Es gilt das Recht des Stärkeren. Und das ist nicht immer die Frau.“

Wenn es sich bloß um eine Zweckgemeinschaft handelt, zum Sparen bei den Fixkosten von Wohnung, Waschmaschine, Auto, dann tut es eine Wohngemeinschaft auch. Kann schon sein, dass es organisatorische Probleme bringt, wenn sich die Mitbewohner nicht mehr vertragen – aber die Tragödien mit Mord und Totschlag, die resultieren nie und nimmer aus einer solchen Zweckgemeinschaft und der Frage, wer den Mietvertrag unterschrieben hat. Da braucht es schon andere Ansprüche. Das letzte Argument der Anwältin lautet, in der Ehe herrsche Ordnung, wie in einem regelmäßigen, gepflegten Park, während in der Lebensgemeinschaft das Recht des Stärkeren maßgeblich ist, wie in der Prärie. Und das stimmt eindeutig nicht:

Frage: „Wie oft erleben Sie große Verbitterung auf beiden Seiten?“ Klaar: „Meiner Erfahrung nach wollen die wenigsten Leute einen Rosenkrieg. Das kostet Zeit, Geld, Energie. Die meisten möchten so schnell wie möglich eine befriedigende Lösung. Das Schlimmste, oft Unfassbare, tun sich die Leute meistens im Vorfeld an. [Bei aufrechter Ehe!] Gerade die, die sehr verliebt waren und eine sehr innige sexuelle Beziehung hatten, sind nachher besonders bösartig zueinander. … Sie haben ein großes Rachebedürfnis. Der eine möchte sich sein Verhalten schönreden, indem er am anderen kein gutes Haar lässt. Der hat dann 20 Jahre lang überhaupt nichts richtig gemacht. Das ist schrecklich, weil man damit die ganze Vergangenheit entwertet.“

Sobald sich beide mit der Trennung abgefunden haben, geht es gesittet zu, halbwegs. Dann herrscht tatsächlich die Ordnung, die ihre Richtlinien im Familienrecht hat. Vorher, im „Vorfeld“, also während der Ehe, da tun sich Leute das „Schlimmste, das Unfassbare“ an, sie haben ein großes Rachebedürfnis. Wofür bloß? Nun, der eine Teil besteht halt darauf, dass sich die Beteiligten wechselseitig versprochen haben, ab jetzt „einen Menschen zu haben, der zu einem hält und einen nie verlässt“. Das und nichts anderes wird geltend gemacht. Was ist das – Rache? Rache ist praktizierte Vergeltung für erlittenes Unrecht!

Frage:Wann geht es heute schief?“ Antwort: „Der häufigste Scheidungsgrund ist das zweite Kind. Mit einem Kind lässt sich der Status noch aufrechterhalten. Mit dem zweiten Kind tritt der permanente Ausnahmezustand ein. Sicher, selbst Leute, die zehn Jahre verheiratet sind, kriegen das erste Kind, und schwupp, geht die Ehe den Bach runter. Aber selbst wenn man die erste Krise überstanden hat, kommt mit dem zweiten Kind die größere Krise.“ Frage: „Was sind die Anschuldigungen?“ Antwort: „Kein Sex am Nachmittag. Kein ungestörtes Essen mehr. Keine Gespräche mehr über Literatur und Theater. Ich habe ja selbst zwei Kinder. Das erste Kind war schwierig und anstrengend. Wenn Besuch kam, hat einer von uns das brüllende Kind herumgetragen, der andere hat die Gäste charmant unterhalten. Als wir zwei Kinder hatten, ist jeder in einem Zimmer verschwunden, und die Gäste haben nicht mehr gewusst, warum sie da sind. Nach kurzer Zeit hatten wir einen neuen Freundeskreis: Leute, die auch brüllende Bälger hatten. Mit anderen Menschen kann man nicht verkehren in dieser Phase.“

Durch die Kinder ist das frühere Leben kaputt und die frühere Beziehung ist erledigt – das genaue Verhältnis von Sex, ungestörtem Essen und Parlieren über Literatur und Theater sei mal dahingestellt. Der frühere Alltag und die vorherige Beziehung sind vorbei. Die Bälger sind halt keine zusätzliche Bereicherung eines erfüllten Lebens, sondern machen sich als Belastungen geltend, ihre Betreuung krempelt alles um. Nicht nur die Kinder:

Klaar: „Ich bin überzeugt, dass die 40-Stunden-Woche viel dazu beiträgt, dass die Menschen unzufrieden sind. Man kann nicht 40 Stunden arbeiten und daneben einen Haushalt führen und die Kinder unterhalten. … Man ist am Abend müde und geschafft, kocht das Nötigste und lässt die Unordnung Unordnung sein. Wer das nicht aushält, sondern aufräumt und bügelt, ist danach zu müde für Sex. … Also kommt die Frau drauf, der Mann ist schuld, denn er ist zu wenig da und macht nix. Das stimmt ja meistens. Und der Mann findet, die Frau ist nicht mehr für ihn da, sondern kümmert sich nur um die Kinder.“ Einschub Interviewerin: „Stimmt ja meistens auch.“ Antwort:Ja. Dann sind beide der Meinung, mit einem anderen Partner ginge es besser. In Wirklichkeit ist es die 40-Stunden-Woche.“

In der Tat, spätestens mit zwei Kindern geht das frühere Leben den Bach runter, zumindest bei Durchschnittsverdienern. „Man kann nicht 40 Stunden arbeiten und daneben einen Haushalt führen und die Kinder unterhalten.“ Doch, man kann schon – das Unterfangen geht, aber es geht nur auf Kosten der Beteiligten. (Nebenbei: Nach der letzten Reform des öst. Arbeitszeitgesetzes ist nunmehr die 60-Stunden-Woche auf Basis des 12-Stunden-Tags ganz frei und ohne frühere Kautelen von den Unternehmen abrufbar.) Jedenfalls: Wenn sich herausstellt, wie unvereinbar diese, zum Teil selbstgewählten Widrigkeiten mit allfälligen anderen Wünschen, mit der „Selbstverwirklichung“ oder wenigstens mit dem früheren Leben sind – dann ziehen viele Leute ziemlich gemeine, geradezu verkommene praktische Konsequenzen, die zwar von der Sachlage her absurd, die aber von der Ehe her institutionell angelegt und auf Schiene sind: Sie gehen aufeinander los, sie machen einander wechselseitig für die Belastungen verantwortlich, die sie sich z.T. aus freien Stücken aufgeladen haben und denen sie nicht mehr auskommen, für die sie geradestehen müssen, sie haben sich dazu ja verpflichtet: „Also kommt die Frau drauf, der Mann ist schuld, denn er ist zu wenig da und macht nix. Das stimmt ja meistens. Und der Mann findet, die Frau ist nicht mehr für ihn da, sondern kümmert sich nur um die Kinder. (Interviewerin:) Stimmt ja meistens auch. Ja. Dann sind beide der Meinung, mit einem anderen Partner ginge es besser.“

Schon bemerkenswert, beide sind schwer beschäftigt, damit der Laden, also der Haushalt samt Kinderbetreuung läuft – und beide sind der Meinung, der / die je andere mache zu wenig und die eigenen Bedürfnisse, die es ja auch noch gibt, die bleiben darüber und deswegen auf der Strecke. Die genannten Belastungen sind einfach nicht zu stemmen – und das liegt im Weltbild anständiger Eheleute nicht an den Belastungen, an den „Widrigkeiten“, wie Frau Klaar das ausgedrückt hat, sondern bloß am Gegenüber, weil dieses zu wenig tut. Aber die fixe Idee, dass „das Glück“ in der Familie zu Hause sein müsse, die lebt weiter, in der Vorstellung, der / die andere wäre halt leider doch nicht der /die „Richtige“, aber irgendwo da draußen müsste der / die Richtige für diesen Knochenjob schon zu finden sein …

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