Ein perfektes Verbrechen
„Wien – Mit drastischen Strafen ist am Donnerstag am Wiener Landesgericht der Prozess gegen drei Männer zu Ende gegangen, die am 12. Juli 2020 eine 29 Jahre alte Kindergartenpädagogin missbraucht und dabei so schwer verletzt hatten, dass sie beinahe verblutet wäre. Eine Notoperation rettete der Frau das Leben. Der Hauptangeklagte – ein 34 Jahre alter Beschäftigungsloser – fasste wegen versuchten Mordes und sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person 20 Jahre Haft aus.
Die Mitangeklagten – ein 39 Jahre alter Maler und ein 24 Jahre alter Fußballprofi – erhielten 14 bzw. sieben Jahre Haft, wobei der Ältere im Sinn der Anklage auch wegen Mordversuchs in Form unterlassener Hilfeleistung schuldig erkannt wurde. Der Fußballprofi, der zuletzt für einen drittklassigen Verein gekickt hatte, wurde demgegenüber ausschließlich wegen Missbrauchs verurteilt. …
Die betroffene Frau war nach der Einnahme von Alkohol, Amphetaminen und Kokain zum Tatzeitpunkt schwer beeinträchtigt. Wie Gerichtspsychiater Peter Hofmann am zweiten Verhandlungstag darlegte, hatten die konsumierten Substanzen eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung bewirkt. Sie war den Männern, die sie am frühen Morgen in einem Lokal getroffen und dann in eine Wohnung in Meidling begleitet hatte, wehrlos ausgeliefert.
Dort wurde sie über einen Zeitraum von mehreren Stunden von diesen abwechselnd missbraucht, wobei laut Anklage der Hauptangeklagte Tathandlungen setzte, mit denen er den Tod der Frau billigend in Kauf nahm. Dem Opfer wurden schwere Verletzungen im Vaginalbereich zugefügt, die einen massiven Blutverlust bewirkten, was die Mitangeklagten aus Sicht der Anklagebehörde zur unverzüglichen Hilfeleistung verpflichtet hätte. …
Die Betroffene leidet seither an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die der psychiatrische Sachverständige einer schweren Körperverletzung gleichsetzte. ‘Ich gehe davon aus, dass das ein Dauerzustand sein wird. Die Frage ist, ob das in den nächsten Jahren und Jahrzehnten anzupassen ist, dass halbwegs eine Lebensqualität möglich ist’, hielt Hofmann fest.
Die Mutter der 29-Jährigen schilderte als Zeugin, ihre Tochter sei infolge des Mitgemachten aus Wien weggezogen, ‘weil sie es hier nicht mehr aushält’. Ihr Kind benötige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung sowie Medikamente. In den ersten Wochen habe sie Angst gehabt, sie allein zu lassen, weil sie befürchtete, ‘dass sie sich was antut. Es ging ihr wirklich ganz schlecht.’ Besonders erschüttert habe ihre Tochter, dass sie von den Angeklagten in die Dusche gebracht wurde, um sich das Blut abzuwaschen, ‘und dann ist man noch einmal über sie hergefallen’. Bis zu diesem Tag sei ihre Tochter ‘eine ganz normale junge Frau, die mit beiden Beinen im Leben gestanden ist’, gewesen. Nunmehr sei unklar, ob sich ihr Wunsch nach einer Familie je erfüllen lasse. …
In diesem Zusammenhang erläuterte die gynäkologische Sachverständige Sigrid Schmidl-Amann, die 29-Jährige habe im Verletzungsbereich eine Narbe davongetragen, die in ihrer Größe bzw. Breite äußerst ungewöhnlich sei. Die sexuelle Erlebnisfähigkeit der Frau ist dem Gutachten zufolge beeinträchtigt. Schmidl-Amann bekräftigte, dass die Verletzung im Vaginalbereich mit Lebensgefahr verbunden war. Noch im Operationssaal habe die Frau 750 Milliliter Blut verloren.
Die 29-Jährige musste sich dem Verfahren nicht unmittelbar als Zeugin stellen. Sie war im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch vernommen worden, die Videoaufzeichnung mit ihrer rund eineinhalbstündigen Befragung wurde im Großen Schwurgerichtssaal abgespielt.
Die Angeklagten hatten sich beim Prozessauftakt am 16. Juni zum Missbrauch schuldig bekannt. Den Mordversuch stellten sie in Abrede und belasteten sich gegenseitig. Der 34-Jährige räumte ein, eine schwere Körperverletzung begangen zu haben. Seine DNA war an Gegenständen gefunden worden, die bei der Tatbegehung eine Rolle gespielt hatten.“ Standard 24. Juni 2021, 18:06 (Zwei Tage, bevor Leonie tot gefunden wurde.)
Warum diese Vorlesung? Klar, wegen all dem, was hier nicht passiert ist; weil in Bezug auf dieses Verbrechen nichts von all dem passiert ist, was nach dem Tod des Mädchens Leonie geschehen ist: Schon mal keine Auskünfte über die Nationalität der Täter, dafür über deren Berufe. Auch keine Pressekonferenzen, keine Selbstdarstellungsorgien von Politikern, kein „runder Tisch“; es wurde nicht einmal berichtet, ob der Bundesbasti mit dem Opfer telefonieren wollte. Die Zusammenfassung des gültigen Narrativs, diesmal von LH Doskozil: „Als die ersten Eckdaten bekannt wurden und man vom 15. Frauenmord in diesem Jahr sprach, gab es erste Wortmeldungen … Als dann bekannt wurde, was tatsächlich hinter dieser schrecklichen Tat steckt …“ (Kurier 04.07.2021) Ja, was steckt denn nun „tatsächlich“ hinter dem 15. Frauenmord in diesem Jahr? Gemeint ist, dass afghanische Asylwerber dahinterstecken. Man höre und staune: Auch Afghanen sind des Frauenmords fähig, da fällt der LH offenbar aus allen Wolken. Das hätte er nie für möglich gehalten? „Tatsächlich?“ Merke: Die Täter sind also Fremde, aber die Tat selber ist überhaupt nichts Fremdes; siehe den obigen Bericht im Standard. Wie üblich ist die Wohnung der gefährlichste Ort im Leben einer Frau oder eines Mädchens, und es gibt nationenübergreifend Männer, die Frauen als Freiwild ansehen, sobald die eine fremde Wohnung betreten. Die Sonntag-Krone referiert einen Juristen, einen der Verteidiger im erwähnten Prozess, mit dem Hinweis, „dass eine Frau, wenn sie freiwillig mit Männern nachts in eine fremde Wohnung gehe, vermutlich ohnehin Sex mit ihnen haben wolle“ (Krone 04.07.2021) – und das meint ein heimischer Akademiker, hervorragend integriert in die hiesige Leitkultur.
Refugees welcome!
Aber bitte; wenn es denn schon um das Asylwesen gehen soll, dann sei es. Die gute Nachricht: Es gibt nach wie vor Umstände, unter denen die Parole „refugees welcome“ keine Phrase ist, sondern gelebte Praxis: In Polen und im Baltikum sind Flüchtlinge willkommen – Weißrussen aus Weißrussland nämlich. Besonders geflüchtete Oppositionspolitiker sind dort gern gesehen; da wird eine richtiggehend oppositionelle Szene gefördert – vielleicht kommt ja doch mal der vom Westen geforderte Regimewechsel. Oder Großbritannien; dort hat man ein Herz für Hongkong-Chinesen:
„Mit einem Einwanderungsprogramm ermöglicht London Hongkongern, nach Großbritannien einzureisen. … Von Sonntag an können Hongkonger ein Aufenthaltsvisum von bis zu fünf Jahren beantragen. In London erwartet man, dass von den mehr als fünf Millionen Berechtigten etwa 300.000 Hongkonger Gebrauch von dem Angebot machen werden.“ (FAZ 29.01.2021)
Das Programm gilt für „BNO-Passports“ (British National Overseas), eine Sonderkategorie Briten (deswegen das benötigte Visum), aus der Sicht Chinas Briten zweiter Klasse. Wie dem auch sei: „refugees welcome“ – es geht doch. Ähnlich in Österreich während der schwarz-blauen Koalition unter Schüssel und Haider: Damals wurden einige Tausend Tschetschenen als Flüchtlinge anerkannt, wahrscheinlich als Spitze gegen Russland, seither gibt es in Österreich eine tschetschenische Community.
Zum Asylrecht
Flüchtlinge unterscheiden sich von erwünschten und angelockten Ausländern wie Touristen, und von gebrauchten und deswegen geduldeten auswärtigen Arbeitskräften dadurch, dass sie nie aufgefordert oder eingeladen wurden, auch nicht gebraucht werden, und dennoch eigeninitiativ kommen, damit es ihnen besser gehen möge. Das Asylrecht bzw. die Anerkennung als Flüchtling nach der Genfer Konvention unterscheidet sich von anderen Rechten dadurch, dass es nicht Einheimischen, sondern genau definierten Ausländern zugestanden wird. Damit wird ein Einwand ausgedrückt, ein Vorbehalt gegen die Zustände woanders, vor allem gegen den Gebrauch der Staatsmacht von missliebigen ausländischen Staaten. In Form der Gewährung von Asyl für „rassisch, religiös oder politisch“ – gesagt sein soll: zu Unrecht – Verfolgte, anstatt ihrer Auslieferung als im Ausland gesuchte Verbrecher oder Terroristen, was schließlich auch vorkommt, kritisiert ein Staat einen anderen. Die mit Asyl ausgestatteten Verfolgten sind Material dieser Anfeindung. Natürlich bestimmt das „Asylland“, wer zu Recht bzw. zu Unrecht verfolgt wird, oder wen „sein“ Staat nicht schützen kann, und nicht etwa Amnesty International oder gar die Verfolgten selbst. Staaten beurteilen auch auf diese Weise die Maßnahmen von ihresgleichen, und je nachdem, ob es ein befreundeter Staat ist oder nicht, sind bewaffnete Oppositionelle bekanntlich einmal „Terroristen“, ein andermal auch „Freiheitskämpfer“ oder wenigstens „Rebellen“. Es geht also nicht darum, ob und warum Ausländer von ihrer jeweiligen Obrigkeit drangsaliert und terrorisiert werden, es geht darum, ob das von einem anderen Staat gebilligt wird oder nicht. Asylgewährung ist ein unfreundlicher bis feindlicher Akt gegenüber dem „Verfolgerland“, ein Instrument der Diplomatie und gehört ins Repertoire der Außenpolitik, ins Repertoire der fein abgestuften Maßnahmen und Gesten, die Staaten gegenüber ihresgleichen zur Anwendung bringen. Die Missbilligung dessen, was ein anderer Staat unternimmt, ist das Asylrecht – und nicht eine Hilfe für arme Flüchtlinge, wie von politischen Werte-Predigern und Asyl-Idealisten interpretiert wird.
In Westeuropa gibt es seit drei Jahrzehnten ein „Asylantenproblem“. Leute, die vor Hunger, Bürgerkrieg und Terror in der Dritten Welt flohen und es sogar schafften, als Asylbewerber geduldet zu werden, ließen Politiker die Frage aufwerfen, ob das Asylrecht denn dafür gedacht war. Die Kategorie des „Wirtschaftsflüchtlings“ wurde populär; gemeint sind Hungerleider, die auch vor den Ergebnissen jahrzehntelanger „Entwicklungspolitik“ davonzulaufen versuchen. Die bittere Pointe besteht darin, dass die Zustände in halben Kontinenten Millionen Flüchtlinge produzieren, und zwar nicht von deklarierten Feinden des Westens, sondern von der sog. „regelbasierten Weltordnung“ von Geschäft und Gewalt. Und für deren Opfer war das Asyl nun einmal ganz und gar nicht vorgesehen. Deswegen werden seit drei Jahrzehnten in ganz Europa die Gesetze verschärft mit dem Ziel, die abschreckende Wirkung des Asylrechts auszubauen.
Als Zwischenergebnis sollte klar sein, dass – verglichen mit Weißrussen oder Hongkong-Chinesen – Afghanen, aber auch Syrer und Iraker etc. etc. völlig unbrauchbar sind. Sie taugen nichts für die moralische Abqualifizierung ihrer Herkunftsländer. Wer sollte denn durch leibhaftige Afghanen ins Unrecht gesetzt werden – etwa die USA mit 20 Jahren Krieg und Besatzung? Der frühere moralische Nutzen von Asylwerbern und Flüchtlingen – sie sind das Material, mittels dessen ein Staat sein Urteil über auswärtige Verhältnisse vorträgt –, der hat sich für diese Weltgegenden erledigt.
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„‘Nachdenklich’ stimmte Nehammer die Frage eines Journalisten, ob denn eventuell nicht genug in der Betreuung von vor allem minderjährigen Asylwerbern getan werde. Aus seiner Sicht gebe es ‘nie eine Rechtfertigung’ für Gewalt, sagte Nehammer, egal wo jemand geboren sei. ‘Das gilt für alle gleich.’“ (orf.at)
Der fragende Journalist lebt offenbar auf dem Mond. Ihm ist völlig entgangen, was sich in den letzten Jahren diesbezüglich getan hat.
Schluss mit Integration!
[Die FPÖ hat anlässlich ihrer damaligen Regierungsbeteiligung unter Strache / Kickl eine „Kopernikanischen Wende“ bzw. den „Paradigmenwechsel“ in der Flüchtlingspolitik ausgerufen.] Früher war Integration von Ausländern, sogar von Flüchtlingen, eine anerkannte Staatsaufgabe oder wenigstens ein geduldeter Nebeneffekt des Asylrechts. Faktisch konnten Flüchtlinge – etwa aus dem ehemaligen Jugoslawien – einen halbwegs stabilen Status erwerben und sich in Österreich als Einwanderer etablieren, so wie zuletzt auch die erwähnte Tschetschenen-Community. Das wurde von der türkis-blauen Regierung zurückgestuft bzw. explizit aufgekündigt, indem diese Sorte Umgang mit Flüchtlingen zum sog. „pull-Faktor“ umdefiniert wurde: Die frühere Behandlung oder wenigstens Duldung wurde als „Einwanderung in die Sozialsysteme“ denunziert, als Attraktion für Flüchtlinge identifiziert und insofern für deren Flucht, zumindest nach Österreich, verantwortlich gemacht. So wurde nicht mehr Afghanistan, sondern „Österreich“ als die entscheidende Fluchtursache interpretiert, die es nun zu bekämpfen galt und gilt.
Sowohl agitatorisch als auch praktisch bemüht sich die österreichische Politik also darum, dass Flüchtlingen „Integration“ nicht gelingen darf: so wird die Fluchtursache „Österreich“ bekämpft – indem den Betroffenen klar gemacht wird, dass sie hier ohnehin keine Chancen und Perspektiven haben, sogar nach allfälliger Anerkennung als Flüchtlinge, weil Asyl „Schutz auf Zeit“ und daher widerrufbar sei, sobald der jeweilige Krieg beendet ist. Der eine Hebel für die Aufklärung der Flüchtlinge bezüglich ihrer Unerwünschtheit – jenseits des und neben dem Asylverfahren – ist das Geld. Dazu einige bekannte Informationen. Der Ökonom Christoph Badelt im Kurier:
Stichwort: Kriminalität und Vorstrafen
Kurier: „Wenn ich Sie richtig verstehe, können sie sich nicht wirklich vorstellen, dass man in Österreich mit 563 Euro im Monat auskommt?“ Badelt: „Wenn ich an Wohnen, Essen, Bekleidung, kleinere Reparaturen denke, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass das möglich ist, schon gar nicht in Großstädten. Die Betroffenen müssten dann irgendwie anders zu Geld kommen. Im positiven Fall haben sie ein soziales Netz, das sie auffängt. In der negativen Version geht es in die Schwarzarbeit oder in den totalen sozialen Absturz, einschließlich Kriminalität.“ (Kurier 17.6.2018)
„Der überwiegende Anteil der von Asylwerbern verübten Delikte entfällt auf Diebstahl, (leichte) Körperverletzungen und Drogenhandel. … ‘Studien zeigen, dass drei Viertel alle Diebstähle einen Schaden von unter 250 Euro verursachen’, erklärt Leonhardmair. ‘Das geht also an die Bagatellgrenze heran.’ … Auch General Lang sieht vor allem eine Problemgruppe: ‘Wenn Personen rund 400 Tage im Land sind, der Asylbescheid abgelehnt wird und es keine Perspektive mehr gibt, dann steigen die Probleme merkbar’. Wobei es bei den Herkunftsländern deutliche Abstufungen gibt: ‘Afghanistan, Algerien und Tschetschenien sind überrepräsentiert, Syrien oder Irak kaum wahrnehmbar.’“ (Kurier 07.03.2017)
„Asylwerber könnten nämlich nicht legal einer bezahlten Arbeit nachgehen. Ebenso wenig Migranten, die keine Aufenthaltsberechtigung haben, etwa weil sie diese durch eine Ehescheidung oder eine Kündigung verloren haben, oder deren Asylantrag abgelehnt wurde, ohne dass sie abschiebbar wären. Asylwerber erhalten zwar eine staatliche Unterstützung, doch die reiche nicht einmal für die Grundbedürfnisse … ‘Wir dürfen gar nichts machen, also beginnt man zu stehlen oder Drogen zu verkaufen, damit man leben kann.’ Die Verdienstmöglichkeiten in diesen risikoreichen Formen der Kleinkriminalität seien zwar bei weitem nicht so hoch wie oft kolportiert, könnten aber reichen, um eine Familie durchzubringen.“ (Standard 12.09.2016)
Das profil erinnert daran, dass „Sozialsicherungssysteme keineswegs aus reiner Menschenfreundlichkeit (entwickelt wurden), sondern nicht zuletzt, um die Alltagskriminalität einzudämmen. Vielleicht aber geht es gar nicht um Sicherheit, sondern um den Beweis, dass alles Böse von außen kommt. Selbst um den Preis, dass man Kriminalität erntet, die man selbst gesät hat.“ … „Die FPÖ schürt die Angst vor Flüchtlingen. Gleichzeitig will sie verhindern, dass sie sich integrieren. … FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus würde Flüchtlinge gerne in städtische Randlagen verbannen, damit sie kapieren, ‘dass es hier doch nicht so gemütlich ist, wie alle glauben’; FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache liebäugelte damit, sie in Kasernen einzuquartieren und in der Nacht einzusperren. Kickl will sie ‘konzentriert’ in Wien unterbringen.“ (profil 16.1.2018)
Mit anderen Worten, Flüchtlinge werden unter Bedingungen gestellt, die eine kleinkriminelle Karriere zumindest nahelegen, und dann werden in ihnen die Verbrecher entdeckt. Sie sollen sich auch nicht integrieren, weil das ihren Aufenthalt hier „verfestigen“ könnte – und dann wird ihnen Integrationsverweigerung vorgeworfen. Zur Verdeutlichung: Wenn Politiker bei anderer Gelegenheit die Arbeitslosigkeit thematisieren, dann wird öfter auf die spezielle Gefahr der Jugendarbeitslosigkeit verwiesen. Weil gerade Jugendliche ohne Lehr- oder Arbeitsstelle, ohne Chancen, ohne Perspektiven, mit viel Zeit und ohne Geld notgedrungen auf dumme Gedanken und womöglich auf die schiefe Bahn kämen, also ein soziales Problem darstellen, das verhindert werden müsse. Das Asylwesen hat systematisch einen Bodensatz von genau solchen Leuten erzeugt, ohne Perspektiven und ohne Chancen; Leute, die keinen Platz in der Gesellschaft haben und auch keinen finden sollen, also Typen, die nichts zu verlieren haben, die das auch wissen und die sich dementsprechend aufführen; Typen, die verwahrlosen, indem sie sich an die Umstände anpassen, in die sie gestellt sind – was es bei perspektivlosen einheimischen Jugendlichen unbedingt zu verhindern gilt …
Der zweite Hebel der Bekämpfung der Fluchtursache „pull-Faktor Österreich“ ist die anvisierte Ausgrenzung. Wenn Leute keinen Platz in der Gesellschaft finden sollen, dann liegt nahe, sie von ebendieser zu isolieren und sie in Lagern zu konzentrieren; die „Sicherungshaft“ in Internierungs-, Anhalte- oder Konzentrationslagern ist da nur folgerichtig. Wie man das Ding auch nennen mag, Bezeichnungen wie „Grundversorgungs-“ oder „Ausreisezentrum“ waren ebenfalls in Umlauf, mit „Anwesenheitspflicht“ – das erklärte Vorbild waren die früheren australischen Flüchtlings-KZs auf vorgelagerten Inseln. Das aktuelle Vorbild-Projekt stammt von der dänischen Regierung und wird von der österreichischen befürwortet: „Künftig sollten Flüchtlinge ihren Asylantrag an der dänischen Grenze stellen können, würden dann aber in das Aufnahmezentrum in dem Drittland gebracht. Dort sollten sich die Menschen aufhalten, während ihr Asylantrag bearbeitet wird. Sollte er abgelehnt werden, müssen sie nicht nur das Zentrum, sondern auch das Drittland verlassen. Sollten sie Asyl erhalten, würden sie als anerkannte Flüchtlinge in dem Drittland bleiben können.“ (FAZ 03.06.2021) Ob da was draus wird, ob sich tatsächlich solche Drittländer finden, die gegen dänische Zahlungen Flüchtlinge bei sich auf Halde lagern, das ist nicht der Punkt – es geht um den Standpunkt: Dänemark will wie Österreich mit diesen als menschlicher Müll definierten Leuten nichts zu tun haben. Bis neulich war übrigens FPÖ-Kickl derjenige, der die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention als Hindernis für die Abschaffung einer bisherigen Asylpolitik identifiziert hat, inzwischen gibt ihm der Innenminister bei der Flüchtlingskonvention recht.
Die öffentliche Debatte während der türkis-blauen Ära hat sich mehr an Äußerlichkeiten entzündet, als der Innenminister Kickl damals „Flüchtlinge konzentriert halten“ wollte und so gleich selbst den Vergleich mit der Vergangenheit provoziert hat, um ihn „zurückweisen“ zu können. Statt zu registrieren, wohin die Reise gehen soll, nämlich wieder mal zur Normalisierung des Rechtsextremismus, hat prompt der übliche nationalistische „so-sind-wir-nicht“-Reflex eingesetzt – weswegen von Kickl mehr sprachliche Sensibilität verlangt wurde: andere Bezeichnungen wären gefragt. (Nebenbei: Ein Lager als KZ oder KZ-ähnlich zu bezeichnen, das ist keine Verharmlosung von gar nichts. Das Alleinstellungsmerkmal des Dritten Reichs, das sind die Vernichtungslager, nicht die Konzentrationslager – die gehören zu den vielen Gemeinsamkeiten von Demokratie und Faschismus. Aber das wäre wieder ein anderes Thema.)
Die Insassen solcher Lager – und das ist ihre Gemeinsamkeit –, das sind Leute, an denen der Staat nur ein negatives Interesse hat. Sie werden vom Staat, der sie nicht braucht, und nichts von ihnen will, weswegen sie im Grunde genommen im jeweiligen Land nicht existenzberechtigt sind, sehr folgerichtig an der Integration gehindert, von der Gesellschaft separiert, zur Aufbewahrung sinnfällig am besten gleich außerhalb gelagert. Leute, die nicht unbedingt angeklagt, geschweige denn verurteilt wurden, oder die ihre Strafe längst abgesessen haben, die gelten nach gewissen Kriterien – völkisch und / oder politisch – als Verdächtige oder gleich als Schädlinge, vor denen die Gesellschaft geschützt werden muss. (Welche finanzielle und sonstige Behandlung derzeit für welche Unterkategorie – von Asylwerbern bis Abzuschiebenden – gültig ist, möge jeder selbst herausfinden. Wie man inzwischen weiß, blicken da nicht mal die zuständigen Behörden verlässlich durch.)
Fazit:
„Vor einem halben Jahr waren Asyl, Migration und Integration – kurz: Ausländer – in Österreich kein Thema. Null, gar nicht. Der Volkspartei waren in der Pandemie, noch dazu während gegen den Kanzler, den Finanzminister und andere ÖVP-Politiker ermittelt wurde, ihre liebsten Verkaufsargumente abhandengekommen. Bis jetzt. Mit einem Schlag ist die Asyldebatte wieder ganz oben auf der politischen Tagesordnung. Die ÖVP hat die Themenführerschaft zurück, Kanzler Sebastian Kurz das Heft wieder in der Hand: … Der Tod eines 13-jährigen Mädchens – oder vor allem: die vier verdächtigen afghanischen Asylwerber – haben die politische Agenda auf den Kopf gestellt. Die ÖVP gibt die Schlagworte vor, die meisten anderen wissen nicht so recht, was sie tun und sagen sollen.“ (Standard 03.07.2021)
Leonie ist tot. Gewisse Katastrophenschmarotzer und Leichenfledderer leben gut davon. – Ein perfektes Verbrechen.