„Armut bekämpfen statt Arme bekämpfen. Die Stadt gehört allen. Die Stadt gehört niemanden!“ Mit Sprüchen wie diesen und manch einem Lied vom lieben Augustin bis zu Erich Kästners chemisch gereinigtem Weihnachtslied, begleitet von Pfeiferln und Ratschen, zogen bis zu 180 Menschen am Samstag, den 19. November durch den Christkindlmarkt am Wiener Rathausplatz und das Weihnachtsdorf am Maria-Theresien-Platz. Sie protestierten damit gegen Verbote zu Betteln und Straßenzeitungen zu verkaufen, die von den zwei wichtigsten Betreibern für mehrere Wiener Weihnachtsmärkte erlassen wurden.
Der unter anderem den Christkindlmarkt am Rathausplatz betreibende „Verein zur Förderung des Marktgewerbes“, dessen Obmann Akan K. beste Beziehungen zur Rathausspitze nachgesagt werden, versuchte nach Beschwerdemails von Augustin-Freund_innen zurückzurudern, besuchte die Augustin-Redaktion und erklärte, dass alles ein Missverständnis sei. Es stimme den Verein traurig, wenn behauptet werde, „dass Augustin-Verkäufer vertrieben werden, um Armut auf dem Weihnachtsmarkt auszugrenzen“ ließ der Verein über Aussendung wissen. Dem Augustin sei sogar eine karitative Hütte angeboten worden. Dieses Angebot wurde allerdings von den Augustin_innen abgelehnt worden. Sie wollen sich nicht spalten lassen, in „gute“ Augustin-Verkäufer_innen, denen zu helfen, irgendwie schon zum guten Ton gehört, und anderen „unerwünschten“ Straßenzeitungsverkäufer_innen, zum Beispiel jenen, die obendrein noch aniziganistisch motivierten Anfeindungen ausgesetzt sind. Von der Betreiberfirma der Weihnachtsdörfer zum Beispiel am Maria-Theresien-Platz oder im alten AKH habe es noch gar keine Antwort an den Augustin gegeben, nur an Beschwerdemailschreiber_innen, und auch da sei – wohl aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit für Augustin-Verkäufer_innen – nur die Rede davon gewesen, dass der Augustin eh verkauft werden dürfe, aber auch nur wenn nicht zu viele Verkäufer_innen unterwegs sind.
Besonders am Beispiel Rathausplatz zeige sich, wie sehr die Verscherbelung von Gemeingütern an private Profiteure in Wien gediehen ist, und welche absurden gesellschaftlichen Kosten bei dieser Politik der Durchkapitalisierung der wichtigsten Plätze der Stadt entstehen, schrieb die Augustin-Redaktion und erklärte: Bis 2006 habe die Gemeinde Wien die Christkindlmarktstände am Rathausplatz selbst vergeben, die Einnahmen seien in den gesellschaftlichen Topf geflossen. Heute werde der Platz an den Unternehmer Akan Keskin quasi verschenkt. Dieser müsse nur 5 bis 10 Euro je Marktplatz pro Tag an die MA 59 (Marktamt) zahlen, kassiere jedoch 7.000 bis 10.000 Euro von jedem der rund 150 Christkindlmarkt-Stände für die Dauer des Markts. Obendrein subventioniere die Gemeinde Keskins „Adventzauber“ mit einer Million Euro, eine weitere Viertelmillion steuere die Wirtschaftskammer bei.
Vom „Verein zur Förderung des Marktgewerbes“ und von der Eventgesellschaft Magmag werden die Märkte Rathausplatz, Fußgängerzone Favoritenstraße, Mariahilfer Straße 51-55, Meidlinger Hauptstraße, Campus im Alten AKH, Maria-Theresien-Platz und Belvedere betrieben.
Es gebe aber auch Adventmärkte anderer Trägervereine, in denen Arme und Obdachlose nicht unerwünscht sind, in denen ihnen zum Teil sogar mit gewisser Empathie begegnet werde, wo sie ihre Zeitungen vertreiben dürfen, schreibt die Augustin-Redaktion. Diese Märkte sind unter anderem jene Am Hof, im Türkenschanzpark, am Spittelberg, am Karlsplatz und auf der Freyung.