Teil 2 des Gesprächs über die aktuellen Herausforderungen, Hürden und Entwicklungen in der Versorgung von Long Covid Patientinnen und Patienten. Als Interviewpartnerin stand uns erneut Maarte Preller zur Verfügung, Gründerin der ersten Selbsthilfegruppe für Long Covid Betroffene. (Teil 1 finden Sie hier). Das Gespräch schließt da an, wo die selbst von Long Covid Betroffene über die Weiterentwicklung der Versorgung für Long Covid Patienten berichtet, wo sie dabei vergeudete Chancen und Ressourcen sieht, und welche Versuche der Zusammenarbeit mit Vertretern des Gesundheitssystems die Selbsthilfegruppe schon gestartet hat.
Nach fast einem Jahr möchten wir von Maarte Preller wissen, wie es ihr und der Betroffeneninitiative seit dem letzten Gespräch mit Frequently Asked Questions (hier nachhören) kurz nach der Gründung der Selbsthilfegruppe ergangen ist. Die Gruppe ist mittlerweile auf ca. 1500 Mitglieder angewachsen, die Dunkelziffer an real Betroffenen schätzt Preller um ein Vielfaches höher, ihre Zahl werde aber laut ihr nicht einheitlich vom Gesundheitssystem erfasst.
Mittlerweile ist Long Covid Austria nicht mehr nur Selbsthilfegruppe, sondern tritt als Patient*innenorganisation mit Vereinsstruktur auf und sucht als solche auch die Zusammenarbeit mit diversen Akteur*innen im Gesundheitssystem, um die Entwicklung der lückenhaften Versorgung voranzutreiben. Alle im Verein Tätigen sind jedoch selbst schwer krank und engagieren sich mit ihren knappen Ressourcen, die nicht nur gesundheitlicher Natur sind, sondern auch sozialversicherungstechnischer. Viele haben keine soziale Absicherung mehr oder kämpfen gerade um ihre Erhaltung.
„Mediziner*innen nicht vorbereitet auf die Komplexität der Erkrankung“
Nach wie vor berichtet Preller vom Fehlen von einheitlichen und effizienten medizinischen Anlaufstellen. Viele Mediziner*innen seien nicht vorbereitet auf die Komplexität der Erkrankung: Sie berichtet von Patient*innen, die selbst bei den offiziellen Long Covid Ambulanzen zu hören kriegen, dass sie zu negativ denken würden, und mit dem Rat nach Hause geschickt werden, sich nicht zu sehr mit der Krankheit zu beschäftigen, dann würde sie von selbst besser werden. Zwar gebe es mittlerweile immer mehr auf körperliche Untersuchung ausgerichtete Forschung, dennoch sind solche Erzählungen in der Long Covid Selbsthilfegruppe kein Einzelfall. Preller selbst erzählt im Interview von mehreren Situationen, in denen sie Ärzt*innen medizinisch aufklären musste, und von den Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, wenn diese Rollen umgedreht werden und es zu mehr Konflikten als Hilfe im Arzt-Patienten-Gespräch kommt.
„Wir schießen hier das Geld in die Luft“
Sagt Preller über das uneinheitliche Vorgehen in der Diagnostik. Sie selbst habe schon vielfach doppelt oder dreifach die gleichen Untersuchungen absolviert und ist verwundert, dass diese Ressourcen so leichtfertig verschwendet werden. Auch zeigt sie sich einigermaßen resigniert darüber, dass sich die Regierung Rat von Expert*innen holt, die wenig Erfahrung mit dem Krankheitsbild hätten, und zu wenig auf den Erfahrungsschatz der Long Covid Selbsthilfegruppe zurückgegriffen wird, trotz mehrmaligen Angeboten.
Bezüglich der Heilungschancen decken sich aktuell ihre Beobachtungen von einem Großteil der Patient*innen aus der Betroffeneninitiative nicht mit den Prognosen der Mediziner*innen und Gutachter*innen, dass sich der Körper nach einigen Monaten von den Long Covid Symptomen erholt. Problematisch sieht sie auch, dass die Patient*innen zu falschen Reha-Programme überwiesen werden. Sie berichtet von Fällen, in denen die Reha so unpassend war, dass Patient*innen für lange Zeit sogar eine Verschlechterung der Symptome erleiden mussten. Nichtsdestotrotz sei es aber erfreulich, dass es mittlerweile vermehrt Plätze in Reha-Programmen gibt. Sie erhofft sich dennoch mehr direkte Zusammenarbeit mit der Betroffeneninitiative, damit das Angebot nicht an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbeigeht.
Das Gespräch führte Sarah Kieweg.