Erwünschte und andere Lehren aus der Geschichte (1)
Campino nimmt sich ein Herz und zieht (fast) in den Krieg gegen Hitler
Habe vor, mich weiter etwas unsystematisch und fragmentarisch durch die aktuelle geistige Lage zu plaudern. Ein Beispiel ist ein Interview im „Standard“ mit dem Sänger der Band „Die Toten Hosen“, einem Herrn Campino. Der Künstler fasst darin Erkenntnisse über den Zweiten Weltkrieg und die Lehren aus der Geschichte kompakt zusammen:
„Ich habe Verständnis für das Zögern, aber manchmal muss man sich ein Herz nehmen. Wenn Großbritannien damals Deutschland nicht erklärt hätte „Sobald ihr Polen überfallt, ist für uns die rote Linie überschritten und wir werden uns einschalten“, wo wäre Hitler am Ende gelandet? Wo wären wir heute? Wenn die Amerikaner nicht mit vielen Waffen gekommen wären. Man konnte doch Hitler nicht die Welt überlassen. Genauso wenig kann Europa heute zusehen, wie Putin seine perfiden Machtgelüste auslebt und hoffen, dass die Amerikaner auch dieses Mal zur Stelle sind und das für uns regeln.“ (Campino, Tote Hosen, im Standard 26.05.2022)
Da hätten wir also mal den Vergleich Hitler – Putin, wobei ich gleich mit der Tür ins Haus fallen möchte: Der Vergleich ist völlig korrekt; denn auch seinerzeit, während des Vietnam-Krieges, wurde Ho Chi Minh als Hitler gehandelt; später – anlässlich des NATO-Krieges gegen Serbien – war dann der serbische Präsident Milosevic für publizistische Arschkriecher der NATO der aktuelle Hitler; und während eines der Irak-Kriege lief auch Saddam Hussein unter dieser Bezeichnung. Wer den USA bzw. „dem Westen“ im Weg ist, ist nämlich ein politischer Verbrecher, also Hitler. Die genannten Typen verstoßen gegen das Monopol auf Frieden durch Krieg, das auch Campino beim Westen in den befugten Händen sieht. So weit, so schlicht. Das sonst so gängige Dogma von der „Einzigartigkeit“, von der „Singularität“ und „Unvergleichbarkeit“ des nationalsozialistischen Regimes, das wird notgedrungen regelmäßig außer Kraft gesetzt – den gar so einzigartigen Charakter einer unbedingten Ausnahme scheint die Unbotmäßigkeit gegenüber westlichen Ansprüchen und Diktaten also doch nicht zu haben.
Der Reihe nach und ganz langsam! Eine leicht irreale Frage im Konjunktiv nach dem Muster „Was wäre wenn nicht?“ – „Wenn Großbritannien damals Deutschland nicht erklärt hätte „Sobald ihr Polen überfallt, ist für uns die rote Linie überschritten und wir werden uns einschalten“, wo wäre Hitler am Ende gelandet?“ Ja, was wäre wenn nicht? Passiert ist doch beides, zuerst ist er in Polen gelandet. Bald darauf auch in Paris und nachher knapp vor Moskau. Dass die Westmächte Großbritannien und Frankreich nach dem Einmarsch in Polen dem Dritten Reich den Krieg erklärt haben, war für alte Nazis einerseits immer ein kleines Rätsel, und andererseits eine Entschuldigung: Nicht Hitler, sondern die Westmächte haben den Zweiten Weltkrieg begonnen – stimmt ja. Die „rote Linie“ aus Großbritannien hat Hitler also an nichts gehindert, und wie der Krieg ausgeht, ist mit so einer „Linie“ sowieso nicht entschieden; nicht Großbritannien, sondern die USA haben den Krieg letztlich nach ihren Kalkulationen geführt und gewonnen.
Auch ein seltsamer Satz: „Man konnte doch Hitler nicht die Welt überlassen“ – wer ist eigentlich „man“, wer ist das Subjekt in dem Bild? Wer ist „man“? Ich übersetze das neutrale „man“ einmal mit „wir“ oder „wir alle“, natürlich unter Anleitung der USA. Denn die haben laut Campino angeblich etwas „für uns geregelt“, was Europa aber heute nicht mehr hinnehmen soll, warum denn nicht? „Regeln“ die USA denn heute nichts mehr „für uns“? Fragen über Fragen … Die Gewissheit von Campino im Nachhinein – „Man konnte doch Hitler nicht die Welt überlassen“ –, die speist sich schlicht und ergreifend aus der Niederlage, weil Hitler sie also nicht bekommen hat; während der Anspruch der USA auf die Aufsicht über ebendiese Welt durch ihren Sieg völlig zurecht besteht – aus der Sicht sowohl der USA als auch der von Campino, denn die „regeln“ ja mit ihren Kriegen etwas „für uns“; auch wenn „Europa“ endlich mal erwachen muss, damit das nicht so bleibt. Wie kommt einer auf so etwas?
Bekanntlich führt Deutschland seit Mai 1945 – spät, aber immerhin! – auch einen ständigen, notgedrungen nur ideologisch-moralischen Krieg gegen das Dritte Reich; aber daher darf Deutschland nunmehr mit Fug und Recht auch als Mitglied der US-geführten Anti-Hitler-Koalition, und insofern auch als Siegermacht über Nazi-Deutschland gelten! So geht neudeutsches Geschichtsbewusstsein a la Campino! Der Witz des Jahrhunderts: Ausgerechnet der deutsche Staat als „Rechtsnachfolger“ des Dritten Reiches gilt inzwischen als diese Mit-Siegermacht, und daher als mit-zuständig beim Identifizieren und Bekämpfen des jeweils tagesaktuellen „Hitler“, während der russische Staat als Nachfolger der wirklichen Siegermacht über den deutschen Faschismus, von diesem schönen deutschnationalen Standpunkt aus, als Nachfolger des Dritten Reiches gilt … Verrückt? Klar, aber lupenreines deutsches Geschichts- und Nationalbewusstsein!
Damit ist auch klar, wer für das Ziehen von „roten Linien“ zuständig ist, wieder aus der übereinstimmenden Sicht der USA und Campinos: Es sind – Überraschung! – „wir“ und die USA resp. „der Westen“, und es ist klar, wer sich an diese Linien zu halten hat: Der Rest der Welt. Das führt folgerichtig dazu, dass allein die USA (der „Westen“) das Recht auf Krieg haben, und alle anderen nicht. Weil das Ziehen von „roten Linien“ den Krieg eben nicht verhindert, sondern notwendig macht, das lehrt die Geschichte. Die Frage, wer denn endlich mal den USA bzw. „dem Westen“ die „roten Linien“ diktiert, damit die – nach Irak, Afghanistan, Serbien, Libyen … – nicht ewig so weitermachen können, mit ihren völkerrechtswidrigen verbrecherischen Angriffskriegen, weil „man“ denen doch nicht die Welt überlassen kann, diese Frage stellt sich also nicht. Zumindest nicht für die USA, für „den Westen“, für „uns“ und für Campino.
Campinos Position ist ein Resultat der Niederlage, solange Hitler seine Kriege gewonnen hat, war der nämlich populär und dafür zuständig, „etwas“, nämlich den deutschen Wiederaufstieg, „für uns“ bzw. „die Deutschen“ „zu regeln“ – erst seit und wegen der abschließenden Niederlage ist er bei allen heutigen guten Deutschen aber so was von unten durch. Wenn er gewonnen hätte, wäre Campinos Hitler-Bild ein anderes, und die Vorstellung, die „Amerikaner hätten für uns etwas geregelt“, die wäre ihm fremd.
Der abschließenden Genauigkeit halber: Campino führt genau so wenig Krieg wie die USA oder Deutschland: Diese Staaten führen den Wirtschaftskrieg, in der Ukraine lassen sie Krieg führen; sie stellen die Waffen, die Ukraine das Menschenmaterial.
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Zeit für eine etwas andere Geschichtsbetrachtung. Die historische Lehre bezüglich Polen wird ja manchmal dahingehend verlängert, ein fataler Pazifismus oder eine unverständliche Nachgiebigkeit habe seinerzeit dazu geführt, dass die Westmächte die deutsche Expansion zu lange hingenommen hätten. Wobei dann manchmal der brillante Einfall mitschwingt, der Zweite Weltkrieg hätte womöglich verhindert werden können – indem ihn die Westmächte früher hätten beginnen müssen. Aber durch das Ziehen von „Roten Linien“ wird der Krieg nicht verhindert, sondern vorbereitet. Was war damals denn los?
Das politische Programm des Nationalsozialismus – ja, richtig gehört, das politische Programm! – lässt sich schlüssig zusammenfassen in der Losung „Deutschland first (im Original: über alles), to make Deutschland great again!“ Das implizierte erst mal den Ausbruch aus den ökonomischen und militärischen Restriktionen und Sanktionen der Siegermächte, auch aus den Reparationen, nach dem verlorenen ersten großen Krieg; dann weiter die Konsolidierung deutscher Macht durch den Anschluss – nicht nur – Österreichs, um die Verluste an Volk und Raum durch die Niederlage halbwegs zu kompensieren. Dieses Programm war natürlich ein unübersehbarer Angriff auf die Nachkriegsordnung in Europa, also auf das Resultat des Sieges im Ersten Weltkrieg, und also ein breit angekündigter Aufstand gegen die Siegermächte Frankreich und Großbritannien. Einerseits.
Andererseits ließ gerade Hitler nicht den geringsten Zweifel an seiner Perspektive für Deutschland. Die durchgreifende, die entscheidende Erweiterung deutscher Macht sollte durch die Einverleibung großer Teile des Unrechtsstaates Sowjetunion gelingen – in der damaligen Diktion: Der „Lebensraum“ des deutschen Volkes liege im Osten, der sollte besetzt und durch die Gründung von deutschen Siedlungen gegen die dortigen „Untermenschen“ endgültig gesichert werden, durch Kolonisierung also, das war der damalige Modus des Imperialismus. Das beinhaltete aus Sicht der erwähnten Westmächte die erfreuliche Perspektive, dass sich die beiden damaligen „Schurkenstaaten“ in absehbarer Zeit gegenseitig zerfleischen würden, was ja auch gekommen ist. Deswegen wurde der Anschluss Österreichs von England und Frankreich ohne Widerstand akzeptiert, deswegen wurden von den Siegermächten selber die Grenzziehungen nach dem ersten Weltkrieg korrigiert, indem das Sudetenland im Münchner Abkommen der Tschechoslowakei weggenommen wurde; das Abkommen hatte übrigens eine analoge Fortsetzung in der Abtrennung ungarisch und polnisch besiedelter Gebiete. Auch die Besetzung der restlichen Tschechoslowakei durch Deutschland, schon ohne Zustimmung der Westmächte, wurde faktisch hingenommen.
Was die moralisch-rechtliche Legitimation des Münchner Abkommens anbetrifft, möchte ich wieder mal an die zwei heiligen politischen Höchstwerte erinnern: Da hätten wir einmal die „territoriale Integrität“, also die Unverletzlichkeit anerkannter Staatsgrenzen, und zum anderen das völkische „Selbstbestimmungsrecht“, auf dessen Basis ebendiese Integrität der Staatsgrenzen dann auch in Frage gestellt wird, je nach Bedarf. Die Anwendungsfälle sind bekannt: In Bezug auf die Ukraine gilt – für den Westen – die heilige territoriale Integrität, während ein Teil der ethnischen Russen im Osten des Landes ein „Selbstbestimmungsrecht“ für sich reklamiert hat. Im Umgang des Westens mit dem früheren Jugoslawien wieder war dessen territoriale Integrität nichtig, während das Selbstbestimmungsrecht der jeweiligen Separatisten heilig war. In der ex-jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina gilt das genaue Gegenteil: Die Bedürfnisse der dortigen serbischen und kroatischen „Entität“ nach selbstbestimmter Separation sind nichtig; ausgerechnet die Grenzen einer ehemaligen Jugo-Teilrepublik sind heilig. So, wie diese heiligen Prinzipien situationselastisch zur Geltung gebracht werden, könnte man glatt eine völlige Prinzipienlosigkeit der maßgeblichen Subjekte vermuten, das aber nur kurz …
[„Das Münchner Abkommen (offizielle Bezeichnung: Abkommen zwischen Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien, getroffen in München, am 29. September 1938) wurde in der Nacht vom 29. auf den 30. September 1938 von den Regierungschefs Adolf Hitler, Neville Chamberlain, Édouard Daladier und Benito Mussolini im Führerbau in München unterzeichnet. Die Tschechoslowakei und die mit ihr verbündete Sowjetunion waren zu der Konferenz nicht eingeladen. Das Abkommen bestimmte, dass die Tschechoslowakei das Sudetenland an das Deutsche Reich abtreten und binnen zehn Tagen räumen musste. Der Einmarsch der Wehrmacht begann am 1. Oktober 1938. Ein internationaler Ausschuss sollte die künftigen Grenzen festlegen und Volksabstimmungen in weiteren Gebieten überwachen. Ähnliches war für die polnischen und ungarischen Minderheiten in der Tschechoslowakei vorgesehen. Polen besetzte infolge des Abkommens am 2. Oktober 1938 das Teschener Gebiet. Nach bilateralen Gesprächen erhielt Ungarn im Ersten Wiener Schiedsspruch am 2. November 1938 Gebiete in der Südslowakei und der Karpato-Ukraine.
Mit dem Münchner Abkommen wurde die Sudetenkrise beendet. Hitler hatte den Konflikt um die Autonomie der Sudetendeutschen gezielt zu einem internationalen Konflikt eskaliert, bei dem es ihm gemäß seinem in der Hoßbach-Niederschrift entfalteten Plan um die Isolierung und letztlich Zerschlagung der Tschechoslowakei ging. Das Münchner Abkommen gilt als Höhepunkt der britisch-französischen Appeasement-Politik. Der Krieg in Europa, den Hitler hatte provozieren wollen, wurde zunächst verhindert. Großbritannien und Frankreich hatten der tschechoslowakischen Regierung unter Ministerpräsident Syrový bereits am 21. September 1938 klargemacht, dass sie im Falle einer Ablehnung der deutschen Forderungen keinen Beistand zu erwarten hätte. Um einen Krieg zu vermeiden, in welchem sie allein gegen Deutschland gestanden hätte, akzeptierte die Tschechoslowakei die Bedingungen des Abkommens. Aufgrund der Umstände wird das Abkommen auch als Diktat von München bezeichnet.
Obwohl das Münchner Abkommen als großer außenpolitischer Erfolg des nationalsozialistischen Deutschlands erschien, war Hitler unzufrieden, weil er eigentlich die ganze Tschechoslowakei hatte erobern wollen. Er forcierte in der Folge die militärisch-strategischen und operativen Planungen und ließ am 15./16. März 1939 unter Bruch des Münchner Abkommens die sogenannte „Rest-Tschechei“ besetzen.“ (wikipedia)]
Also: Den Anschluss Österreich 1938 hingenommen, das Sudetenland der Tschechoslowakei 1938 aktiv weggenommen, warum avancierte dann Polen zum Kriegsgrund? Der Standpunkt zu Hitler und zum Dritten Reich war eben keineswegs so eindeutig, wie im Nachhinein fingiert wurde, sondern ziemlich widersprüchlich, wegen der Übereinstimmung in Sachen Antikommunismus. Nach der Besetzung der „Rest-Tschechei“ durch Deutschland eskalierte der Streit innerhalb Großbritanniens Führung, zwischen den antikommunistischen „Hitler-Verstehern“ und der anderen Fraktion hin zu einer Garantieerklärung für Polen. Und spätestens mit dem Hitler-Stalin-Pakt war dann der Ofen endgültig aus; die vorher verlockende Perspektive des Krieges „Deutschland gegen die Sowjetunion“ war dadurch erledigt oder zumindest fraglich; dass Hitler nur Zeit gewinnen wollte, konnten die Westmächte ja nicht wissen, bzw. war der allfällige Fortgang unkalkulierbar. Das Zusatzprotokoll im „Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der UdSSR“ (so die offizielle Bezeichnung) über die Aufteilung Osteuropas in Einflusssphären wurde zwar nicht veröffentlicht – aber die politische Bedeutung dieses Paktes war ohnehin eindeutig und niederschmetternd: Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs hatten in Europa so gut wie nichts mehr zu melden, der Erste Krieg war also umsonst gewonnen worden, Hitlers Ziel der Revision von „Versailles“ war im Grunde genommen erledigt. In Spanien hatten die Franco-Faschisten mit und durch die deutsche Unterstützung gewonnen, Italien war Teil der „Achse“, die deutschsprachigen Gegenden mit Ausnahme der Schweiz und Südtirols waren deutsch wiedervereinigt, und nun war Osteuropa auch weg; Frankreich war auf seine Randlage neben den ohnehin externen Britischen Inseln reduziert. Das hält der Imperialismus der Siegermächte nicht mehr aus, deswegen also Polen!
Am 24. August 1939 wurde der „Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der UdSSR“ unterzeichnet, am 1. September begann der deutsche Angriff auf Polen, am 3. September folgte die Kriegserklärung Frankreichs und des Vereinigten Königreichs. Der damalige skeptische Einwand auf französisch – „Mourir pour Dantzig ?“ („Sterben für Danzig?“) – war immer schon gegenstandslos: Gestorben wurde damals und wird auch heute nie für fremde Länder, sondern damals wie heute für das Recht – im damaligen Fall: Frankreichs –, die Verhältnisse in und um Danzig zu ordnen; also kein Grund zur Beunruhigung für französische Patrioten. Eine „Garantieerklärung“ für Polen ist übrigens nicht dasselbe wie eine Kriegserklärung, und eine Kriegserklärung ist nicht dasselbe wie ein Krieg, und ein Krieg garantiert auch nicht den Sieg. Der sog. „Sitzkrieg“ an der deutsch-französischen Front endete erst mit dem deutschen Angriff im Mai 1940.
Warum diese alternative Geschichtsinformation? Weil die Westmächte mit dem damaligen faschistischen Deutschland genau so umgegangen sind, wie demokratische Staaten mit ihresgleichen und ebenso mit Diktaturen, faschistischen Regimes, Militärherrschern, mit Kaisern und Despoten und „Autokraten“ und erst recht mit „unseren Hurensöhnen“ umgehen: Nämlich berechnend. Berechnend und instrumentell, entlang des Anspruchs, diese Herrschaften mögen sich für die eigenen Interessen nützlich machen. Und solange die Despoten nützlich sind, sind auch die Beziehungen in Ordnung; auch wenn die „kritische“ demokratische Presse öfter und folgenlos nörgelt, wegen der westlichen „Werte“ und so Zeug. Die dann einschlägigen regierungsamtlichen Sprachregelungen orientieren sich am Terminus „Realpolitik“, so als gäbe es neben der realen noch eine andere, und man wird dann ab und an darüber informiert, dass bei rigider Auslegung eines aktuellen Feindbildes mit sehr wenigen Staaten außenpolitisch verkehrt werden könnte! Wie wahr.
Mit und durch den Übergang zum Krieg ist der andere Souverän dann aber insgesamt als das Hindernis eigener nationaler Rechte identifiziert, der beseitigt, also besiegt werden muss. Nicht mehr bestimmte und begrenzte nationale Interessen stehen gegeneinander, bei denen eventuell ein Kompromiss möglich wäre, sondern die komplette Existenz des feindliche Staates ist mit den je eigenen Ansprüchen unvereinbar. Dem fremden Souverän wird die Anerkennung entzogen, als Basis von Verhandlungen über wechselseitige Forderungen und Gegenleistungen, er ist nicht punktuell im „Unrecht“ – er ist das Unrecht. Da ist kein „verständliches“ Anliegen mehr gegeben und kein Interesse mehr kompromissfähig; die Zerstörung ist angesagt. Sieg oder Tod, Vaterland oder Tod, oder wie die Sprüche dann lauten.
Mit dem Krieg erfährt der bisherige als Partner anerkannte Staat eine neue Bewertung, und damit auch die bisherige Politik ihm gegenüber. Die war, was blöderweise erst im Nachhinein entlarvt werden kann, ein einziges verkehrtes Zugeständnis, das nie hätte passieren dürfen; die neue Linie tut im Nachhinein so, als wäre der nunmehrige Feind immer schon der Feind gewesen oder hätte es wenigstens sein müssen, und macht aus den vorherigen Beziehungen ein großes Rätsel: Wie war das alles nur möglich, fragen Journalisten entgeistert, die den status quo ante bei Gelegenheit als Riesenerfolg für Österreichs Wirtschaft gefeiert hatten?! Wie das alles bloß möglich war? Nun, das nennt sich billiger Energieimport im Rahmen einer Marktwirtschaft; übrigens schon zu Zeiten der Sowjetunion. So war das möglich.
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Eine kleine Ergänzung zu den Folgen des „Münchner Abkommens“ nach dem Krieg: Die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Krieg auf Basis der „Benes-Dekrete“ gilt gemeinhin als Vergeltung / Rache für die „deutschen Verbrechen während der Okkupation des Landes“ (wikipedia), insofern auch als im Strafrecht eigentlich verpönte Kollektivstrafe an der deutschen Volksgruppe, anhand von deren jeweiligen Definitionen durch die Tschechoslowakei. Dieser Bezug auf die Vergangenheit greift m.E. zu kurz, diese Vertreibung war schon (bzw. zumindest auch) eine sehr zukunftsweisende Vorkehrung. Neben der Deportation eines als unzuverlässig / illoyal / feindlich eingestuften Bevölkerungsteils sollte damit sichergestellt sein, dass der Tschechoslowakei „nie wieder“ von den Großmächten ein Stück Staatsgebiet weggenommen werden konnte, unter Berufung auf eine dort angesiedelte nationale Minderheit. Der tschechische Staatspräsident Milos Zeman hat diese Vorgangsweise einmal auch Israel empfohlen, im Umgang mit unzuverlässigen bzw. feindlichen Bevölkerungsteilen.
Noch ein Wort zum Feindbild von Tote-Hosen-Campino: Die Redeweise von der „Einzigartigkeit“, von der „Singularität“ des Nationalsozialismus ist noch einige Bemerkungen wert. Dazu in Bälde.
Literatur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Münchner_Abkommen
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-sowjetischer_Nichtangriffspakt
https://de.wikipedia.org/wiki/Benes-Dekrete
im bermuda.funk in sonar am 22.7..
Vielen Dank !