Nicht alle Bauteile sind aus dem Material, das ihre Oberflächenerscheinung vorgibt. Zahlreiche Beispiele belegen den naheliegenden Gedanken, einem minderen Kern mit einer dünnen Schicht höherwertigeren Materials zu überziehen, um damit wertvolle Substanz vorzuspiegeln. In diese Gruppe fällt das furnierte Möbel oder auch die vergoldete Skulptur. In unserem kulturellen Erbe finden sich aber auch Beispiele wo ein, zumindest aus heutiger Sicht wertvolles Material lediglich einen Anstrich erhalten hat, der ein anderes Material suggeriert, wie etwa die steinfärbige Fassung gotischer Pfeiler oder die Holztexturmalerei auf Weichholzmöbeln. Die Baustoffindustrie des 21 Jahrhunderts liefert Imitate, die auf den ersten Blick immer täuschender vorgeben etwas Anderes zu sein. So übernehmen großformatige Feinsteinzeugfliesen nicht nur Textur und Farbigkeit von Holz, sondern bilden auch die Strukturmuster der Oberflächen genau nach. Ganz anders stellt sich in diesem Zusammenhang “beton brut” dar, dessen Oberfläche zwar die groben Bretter der Schalung widerspiegelt und dennoch auf den ersten Blick hin als Beton zu erkennen ist.
Entscheidend für die positive oder negative Wahrnehmung solcher Hybride scheint deren Zuordenbarkeit auf den ersten Blick zu sein. Perfekte Imitate werden erst später entlarvt und lösen so Frustrationen aus, während etwa die Furniermalerei auf einem bäuerlichen Möbel aus dem 18. Jahrhundert unvermittelt als solche erkennbar ist, und so bereits wieder Wertigkeit repräsentiert. Die Akzeptanz oder Ablehnung von Imitaten und Surrogaten, von Naturstoffen oder Artefakten aber auch bestimmter Materialien ist ein kultureller Prozess, dessen Bewertungsmaßstäbe sich im Laufe der Zeit verschieben.
Vom bauphysikalischen Standpunkt aus betrachtet ist ein mehrschichtiger Bauteilaufbau immer komplexer als ein durchgehend einheitliches Material mit einheitlichen Materialeigenschaften. Unterschiedliches Dehnungsverhalten führt of zu Schichtablösungen und dicht Überzüge behindern die Dampfdiffusion. es gibt aber auch Beispiele symbiotischen Zusammenwirkens, wie Lehmüberzüge von Holz, die für Trockenheit sorgen und so das Holz vor Mikroorganismen schützen. Ein Grundgedanke der Simple Smart Buildings ist in diesem Zusammenhang Werkstoffsymbiosen aufzuspüren, die sich technisch bewährt haben und kulturell akzeptabel geworden sind.